Veröffentlichung:

Wochen der Wahrheit beginnen

Heidelberg. Am Sonntag beginnen sie, die Wochen der Wahrheit. Für die Rhein-Neckar Löwen wird es ernst. Große Aufgabenwarten, echte Standortbestimmungen. In Flensburg, in Hamburg, gegen Kiel. Drei Bundesliga-Knaller, auf die sich Jesper Nielsen, der mächtige Schmuckbaron, der Aufsichtsrats-Boss der Badener, bereits seit langem freut. Er ist heiß auf die Duelle mit den kühlen Nordlichtern. Und zuversichtlich. Sein Masterplan: Der Däne will, träumt von sechs Punkten, von allen. Von der vollen Ausbeute, vom Meisterschafts-Jackpot. Er schmunzelt, lacht zufrieden: „Wenn uns das gelingt, selbst, wenn es uns gelingt vier Punkte zu holen, dann spielen wir diese Saison bis zum Schluss um den Titel mit.“

Doch bei all der Vorfreude, wie realistisch ist das? Wünschen kann man sich ja viel! Immerhin hat man drei Handball-Schwergewichte vor der Brust, kein Fallobst. Löwen-Manager Thorsten Storm weiß das. Und er ist vorsichtiger als Nielsen: „Ich selbst schaue nur von Spiel zu Spiel. Bei Jesper ist das anders: Er ist ein großer Optimist, verfolgt immer maximale Ziele und diese lebt er auch vor.“

Die erste Aufgabe des Dreierpacks ist wohl noch die leichteste: Am Sonntag um 17.30 Uhr gastiert das Rudel bei der SG Flensburg-Handewitt. Ein Altmeister. Einer, der seine besten Zeiten eigentlich hinter sich hat. Gerade in dieser Spielzeitwackeln sie. Vieles läuft schief, nur weniges klappt. Nach elf Spielen hat man schon acht Verlustpunkte auf dem Konto. Die Löwen nur drei. Ein Taschenrechner ist also nicht nötig, um zu erkennen, dass Flensburg mit dem Rücken zur Wand steht. Oder anders ausgedrückt: Verlieren die Nordmänner auch gegen die Löwen, fährt der Titel-Express diesmal früh ohne den deutschen Meister von 2004 ab.

Und in Flensburg versucht man scheinbar alles, um den vorzeitigen Absturz zu verhindern. Gestern wurde Trainer Per Carlen beurlaubt. Sportdirektor Lubomir Vranjes rückt für ihn nach. Ein Schritt, der überrascht. Zumindest der Zeitpunkt. Denn dass die Zeichen auf Abschied standen, ist nicht neu.

Carlen wird als Nachfolger von HSV-Coach Martin Schwalb gehandelt, der im Sommer in die Geschäftsführung der Hamburger wechseln soll. Tritt dies ein, wird Flensburg sich wohl auch von seinem Rückraum-Juwel Oscar Carlen verabschieden müssen. Und man höre und staune: Gerüchten zufolge soll zudem auch Dan Beutler, der Keeper der Flensburger, ganz oben auf der Wunschliste des HSV stehen.

Die Löwen lässt das Chaos auf der Flensburger Kommandobrücke kalt: „Ein Trainerwechsel bei einem anderen Verein hat ja keinerlei Einfluss auf unsere eigene Leistung“, meint Storm. Vorsicht ist sowieso geboten: Im Vorjahr kassierten die Gelbhemden zwei Pleiten gegen die Flensburger, wurden nur Vierter hinter der SG. Vor allem an der Förde gab’s auf die Ohren. Storm erinnert sich, aber ungern: „Damals haben wir eine richtige Klatsche kassiert – mit neun Toren Differenz. Ich hoffe, dass wir nun einen Sieg landen können.“

Für Storm ist es ohnehin kein alltägliches Spiel. Es ist seine ganz persönliche Reise in die Vergangenheit, zurück zu den Wurzeln, dorthin, wo alles begann. „In Flensburg bin ich groß geworden. Da ist es doch klar, dass es mich freut, mal wieder die alten Freunde zu treffen“, sagt er. Auch seine Eltern leben dort.

Der Löwen-Tross setzt sich am Samstag nach dem morgendlichen Abschluss-Training in Bewegung. Von Frankfurt aus wird man in Hamburg einschweben, und dann weiter mit dem Bus in Richtung Flensburg düsen. Vielleicht sogar mit einem einsatzfähigen Henning Fritz an Bord: Der ehemalige Welt-Handballer (2004) befindet sich nach seinem Muskelfaserriss auf dem Weg der Besserung. Storm dazu: „Mal abwarten, wie es am Sonntag aussieht. Gleichzeitig hoffen wir, dass auch Ivan Cupic nach seiner Knieverletzung wieder zurückkehrt.“

Gebrauchen könnten sie beide…

Von Daniel Hund

 12.11.2010