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„Handball macht mich nicht mehr glücklich“

Kim Ekdahl du Rietz im Interview

Obwohl er die wohl beste Saison seines Lebens spielt, wird Rückraumspieler Kim Ekdahl du Rietz seine Karriere nach der laufenden Saison beenden, und das auf eigenen Wunsch. Der schwedische Rückraumspieler der Rhein-Neckar Löwen, der aktuell an einer Sprung-gelenksverletzung laboriert, äußerte sich im Interview über die Gründe für sein kommendes Karriereende, seine Zukunftspläne und verrät, wo er die WM-Pause verbracht hat und wo er zum Abschied gerne noch einmal spielen würde. Zudem räumt er mit dem Gerücht auf, eine Weltreise würde nach seinem Karriereende anstehen.

Kim, wir wissen, dass Reisen deine Leidenschaft sind. Wie und wo hast du die Zeit während der WM-Pause verbracht?

Kim Ekdahl du Rietz: Ich war gar nicht so weit weg, sondern in Finnland. Ich habe mir keinen Stress gemacht und mir gedacht, ich muss jetzt nicht um die halbe Welt reisen. In den vergangenen Jahren bin ich viel herumgekommen, diesmal wollte ich lieber ein bisschen chillen.

Wie kommt man dann auf Finnland?

Ekdahl du Rietz: Ich dachte mir: Du bist Schwede, hast aber überhaupt keine Beziehung zu Finnland, unserem Nachbarland. Deswegen bin ich dann mit der Fähre herübergefahren von Stockholm aus. Und ich dachte mir: Geil, richtig dunkel, richtig Winter. Das hatte ich lange nicht mehr.

Wie sah dein Trip aus?

Ekdahl du Rietz: Erst war ich auf Aland, dann zwei Tage Helsinki, und dann ging es acht Stunden Richtung Norden an den Polarkreis. Dort ist die Sonne um halb elf auf- und um halb drei wieder untergegangen. Das war ein cooles Erlebnis.

Hast du überhaupt etwas von der WM mitbekommen?

Ekdahl du Rietz: Ein bisschen schon, Viertel-,Halbfinale und Endspiel. Handball gucke ich mir eigentlich ganz gerne bei Welt- und Europameisterschaften an, aber ich komme selten dazu.

Am Saisonende wirst du die Löwen und Deutschland verlassen und auch deine Karriere beenden. Hast du deine Wohnung schon gekündigt?

Ekdahl du Rietz (lacht): Noch nicht, das werde ich Anfang März machen. Das ist der nächste Schritt Richtung Abschied.

Wie einfach oder schwer war es, nach der Bekanntgabe des Karriereendes das erste Mal die Kollegen im Training zu treffen?

Ekdahl du Rietz: Das war ehrlich gesagt gar nicht mehr der große Schritt. Es hat mich eher ein bisschen Überwindung gekostet, dem Verein diese Entscheidung mitzuteilen. Denn den Gedanken trug ich schon lange mit mir herum. Als ich das dann gemacht habe, fiel eine Last von mir ab. Noch schöner war es allerdings, als das Thema an die Öffentlichkeit gekommen ist. Da war die Geheimniskrämerei endlich vorbei.

Wie fielen die Reaktionen auf deinen Schritt aus?

Ekdahl du Rietz: Ganz viele Leute haben gesagt, dass sie meine Entscheidung cool finden. Irgendwie hatte ich das zwar erwartet, aber selbstverständlich ist es eben auch nicht. Ich habe mich schon gefragt, wie mein Entschluss aufgenommen wird, gerade in der Sportlerwelt.

Warum ausgerechnet dort?

Ekdahl du Rietz: Im Profi-Sport geht es oft nur darum, dass jemand den absoluten Willen zeigt, sich durchbeißt. Das wird anerkannt, da kann man dann auch mal schlecht spielen. Es ist trotzdem alles in Ordnung, so lange man rumbrüllt und alles gibt. Aber ich war schon gespannt darauf, wie die Reaktionen ausfallen, wenn da einer wie ich kommt, der mitten in der Saison sagt: Ich habe jetzt auf das Ganze keine Lust mehr.

Ist dir Handball eigentlich mittlerweile egal?

Ekdahl du Rietz: Es bedeutet mir schon etwas, hier bei den Rhein-Neckar Löwen zu spielen. Wenn ich etwas mache, möchte ich es auch richtig angehen. Das war schon immer so. Wenn ich diese Einstellung nicht gehabt hätte, wäre ich ja niemals bei diesem Verein gelandet. Es tut immer noch weh, wenn ich nicht gut spiele oder wir verlieren. Denn ich kämpfe wie jeder andere aus unserer Mannschaft für unsere Ziele.

Aber?

Ekdahl du Rietz: Handball macht mich nicht mehr glücklich. Ich bin zufrieden, aber das reicht mir nicht. Deswegen höre ich auf.

Du sagst, dass Handball dich nicht mehr glücklich macht. Wenn man dich auf dem Feld beobachtet, sieht das aber ganz anders aus. Du strahlst Freude aus, sogar wenn es zwei Minuten vor Schluss 27:27 gegen Kiel steht und es um alles geht.

Ekdahl du Rietz: Es freut mich, dass ich so wahrgenommen werde. Denn genau das will ich vermitteln. Es ist doch ganz schön, wenn da mal jemand gegen den Strom schwimmt und nicht so komplett verkrampft auf dem Feld steht (lacht).

Du machst dir nicht viel aus Statistiken, Deine Daten in dieser Saison sind allerdings überragend.

Ekdahl du Rietz: Ich sehe mir das eigentlich echt nie an. Aber vor Weihnachten habe ich dann doch mal reingeschaut (lacht).

Und was hast du beim Blick auf die Zahlen gedacht…

Ekdahl du Rietz: Ich wusste, dass diese Saison ganz ordentlich läuft. Aber dass ich so gut bin, hätte ich nicht gedacht. Da war ich überrascht.

Was könnte dich zu einem Comeback bewegen?

Ekdahl du Rietz: Diese Frage habe ich mir auch schon gestellt. Momentan kann ich mir das aber überhaupt nicht vorstellen. Ich höre auf, weil ich keine Lust mehr habe. Und nicht, um irgendwann ein Comeback zu feiern.

Also ein Leben ohne Handball?

Ekdahl du Rietz: Ja. Wobei ich auch daran gedacht hatte, mich als eine Art Handball-Freelancer zu versuchen. Ein neues Land, eine neue Sprache und Handball — so eine Mischung aus Urlaub, Welt erkunden und Handball.

Wie muss man sich das vorstellen. Kim Ekdahl du Rietz als Handballer in Südamerika?

Ekdahl du Rietz (lacht): Das ist vielleicht ein bisschen extrem. Aber in diese Richtung gingen meine Gedanken mal. Momentan kann ich mir das allerdings nicht vorstellen.

Du wirst bald dein Psychologiestudium abschließen. Liegt in diesem Bereich deine Zukunft?

Ekdahl du Rietz (lacht): Eher nicht. Ich habe das Studium vor allem deshalb aufgenommen, um noch etwas anderes als Handball zu machen. In Schweden hatte ich ja noch meine Familie. Aber wenn man ins Ausland geht, gibt es dafür nur einen Grund: Man spielt dort Handball. Das kann jedoch nicht alles sein, das erfüllt mich nicht. Deswegen dieses Studium.

Und wie geht es nach deinem letzten Spiel für die Löwen weiter?

Ekdahl du Rietz (lacht): Ich gehe auf jeden Fall nicht auf Weltreise, auch wenn das immer behauptet wurde. Es gibt noch keinen langfristigen Plan. Zunächst einmal fühlt es sich gut an, nicht zu wissen, wo es hingeht. Irgendwann werde ich irgendwo ankommen und irgendwas machen. Fest steht nur, dass ich Deutschland verlassen und in Schweden nicht sesshaft werde. Meine Heimatstadt Lund wird aber sicherlich der Ort sein, an den ich immer wieder zurückkehre. Deswegen werde ich meine Sachen dort erst einmal lagern.

Wie stellst du dir in sportlicher Hinsicht deinen Abschied vor?

Ekdahl du Rietz: Einmal das Final Four in der Champions League zu spielen vor 20.000 Zuschauern in Köln, das fehlt mir noch. Mit der Meisterschaft zu gehen, wäre auch ein gutes Ende. Allerdings muss ich sagen: So, wie es sich jetzt gerade anfühlt, ist es auch nicht schlecht. Das passt schon.