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Abschied mit Abstand: „Ihr werdet große Lücken hinterlassen“

Saisonabschluss und Verabschiedung unter Corona-Bedingungen

Abschied mit Abstand: Oli Roggisch, Tim Ganz, Jenni Kettemann.

Das Thema ging seit Wochen unter den Spielern herum und verursachte bei allen Beteiligten Bauchschmerzen: Jenen Jungs, die die Löwen im Sommer verlassen, keinen gebührenden Abschied bereiten zu können, verursachte ein ungutes Gefühl quer durch die gesamte Löwen-Familie. So haben sich viele Leute im Klub die Köpfe zerbrochen und am Ende eine improvisierte, kleine und doch durchaus feine Verabschiedung auf die Beine gestellt – mit einem klaren emotionalen Höhepunkt.

Eigentlich wird so etwas ja in der SAP Arena gemacht. Vor ausverkauftem Haus. Am letzten Heimspieltag. Mit gedämpftem Oberlicht, Spotlight, Kevin Gerwin und Jennifer Kettemann am Mikrofon. Die Fanclubs überreichen ihre Geschenke, es wird sich geherzt, gedrückt, abgeklatscht. Das eine oder andere Tränchen fließt. In Zeiten von Corona ist das alles anders. Und dennoch nicht weniger real.

Weil die Arena seit Wochen geschlossen ist, treffen sich die Löwen im Sportzentrum in Kronau. Hier, ganz nahe an den Wurzeln des Klubs, wird im engsten „Familienkreis“ Tschüss gesagt. Per Video sind die bereits in ihre Heimatländer abgereisten Löwen zugeschaltet. Aus kleinen Quadraten auf einem großen Bildschirm grüßen Romain Lagarde, Mads Mensah, Andreas Palicka, Niclas Kirkeløkke, Jerry Tollbring, Ymir Örn Gislason. Vor Ort stellt sich Uwe Gensheimer vor die Laptop-Kamera, winkt seinen Kumpels zu. Es fühlt sich alles ein bisschen seltsam an. Und doch entstehen auch in diesem Rahmen besondere Momente, merkt man: Diese Mannschaft kann so schnell nichts entzweien.

Ein ungewisser Blick in die Zukunft

Jenni Kettemann verabschiedet sich von Mads Mensah.

Jennifer Kettemann begrüßt die versammelte „Rest-Mannschaft“, die Mitarbeiter der Geschäftsstelle, Trainer- und Physioteam. „Es ist schön, euch zu sehen“, sagt die Löwen-Geschäftsführerin. In natura haben sich die Löwen in dieser Konstellation seit dem letzten Heimspiel Anfang März gegen Leipzig nicht mehr getroffen. Umso schöner ist es, sich wenigstens vor der langen Sommerpause noch einmal „live“ erleben zu können – „nach der turbulentesten Saison der Klub-Geschichte“, wie Jennifer Kettemann sehr treffend sagt.

Sie will den Spielern eine Perspektive bieten über die spielfreie Phase hinaus, kann aber, wie sie gesteht, wenig Konkretes sagen: „Alles hängt davon ab, wann wir wieder vor Publikum spielen können.“ Klar sei hingegen: „Ich freue mich auf die nächsten Jahre mit euch und mit Martin als unserem Trainer.“ Als es an die Verabschiedung geht, wird es mit jedem Spieler emotionaler. Tim Ganz, der die Löwen Richtung Drittliga-Aufsteiger Pforzheim/Eutingen verlässt, lobt die Managerin als „loyal und professionell“. Seine schwierige Rolle als Back-up von Patrick Groetzki habe er perfekt ausgefüllt und sei mit seiner tollen Einstellung ein wichtiger Teil des Teams gewesen.

Mit Mads Mensah muss Jenni über den Bildschirm sprechen. Sie erinnert an die sechs Löwen-Jahre, in denen Mads vom jungen Aufsteiger zum gestandenen Bundesliga-Profi, Olympiasieger und Weltmeister gereift sei. Nicht zuletzt habe er mit seinem Heiratsantrag nach einem Löwen-Spiel in der SAP Arena für ein emotionales Highlight in der Geschichte des Klubs gesorgt: „Du warst immer für einen Spaß zu haben und ein ganz, ganz wichtiger Bestandteil dieser erfolgreichen Mannschaft.“

Gede überwältigen die Gefühle

Gedeón Guardiola wird immer Löwe im Herzen bleiben.

Eine Aussage, die fast untertrieben scheint mit Blick auf den letzten Löwen, den es zu verabschieden gilt. Als Gedeón Guardiola 2012 zu den Gelben kam, war der Klub noch ein ehrgeiziges Projekt ohne einen einzigen Titel. Acht Jahre später stehen zwei Meisterschaften, ein Pokal- und ein EHF-Cup-Sieg sowie drei Triumphe im Supercup zu Buche. Bei all diesen Titeln hatte Gede seine Finger im Spiel – im wahrsten Sinne des Wortes. Als Abwehr-Spezialist war der Señor immer der, der zupackt, der blockt, der Lücken schließt und der Bälle stiehlt mit seinem großen Antizipationsvermögen. Für ihn gilt wie für jeden anderen großen Spieler dieses Klubs, der über eine lange Periode das gelbe Trikot trug: Einmal Löwe, immer Löwe.

„Wir verdanken dir sehr viel. Wir werden dich vermissen“, sagt Jennifer Kettemann, der dabei die Tränen kommen. Gede kann, überwältigt von seinen Gefühlen, gar nichts sagen. Seine Kameraden helfen ihm, wie er sonst immer ihnen geholfen hat. Sie klatschen und würdigen damit einen der ganz großen Löwen. Mit Blick auf alle scheidenden Spieler bringt es Trainer Martin Schwalb mit seinem Schlusswort auf den Punkt: „In wenigen Wochen habe ich verstanden, was ihr für diese Truppe bedeutet habt. Ihr habt diese Mannschaft starkgemacht und den Löwen viel gegeben. Ihr werdet große Lücken hinterlassen.“