Veröffentlichung:
Abwehr zu passiv, Angriff zu nachlässig
Dritter WM-Tag: DHB-Auswahl verliert mit 23:25 gegen Tunesien
Die deutsche Handball-Nationalmannschaft verlor am Sonntag ihr zweites Vorrundenspiel gegen Tunesienmit 23:25 (13:13) und reiht sich damit nach zwei Spielen mit zwei Punkten in der Gruppe A ein. Dabei hatte die DHB-Auswahl gegen die Nordafrikaner im Palacio de Deportes de Granollers ein ganz hartes Stück Arbeit zu verrichten, kämpfte mit viel Herz, hatte am Ende allerdings Fortuna nicht auf ihrer Seite. „Heute hat uns sicherlich das Glück gefehlt. Wir haben zu viele Tore aus dem Rückraum kassiert. Trotzdem bin ich stolz auf das Team, das aufopferungsvoll gefightet hat“, sagte Bundestrainer Martin Heuberger nach einer nervenaufreibenden Schlussphase. Der Berliner Sven-Sören Christophersen meinte: „Wir haben die Abwehr nicht gestellt bekommen und zu viele Chancen ausgelassen. Aber es ist nichts verloren, wir müssen weitermachen, werden die Kräfte bündeln.“
Die deutsche Sieben war gewarnt. Tunesien hatte am Vortag beim 27:30 bereits Titelverteidiger Frankreich einen großen Kampf geliefert, hatte im zweiten Abschnitt noch mit bis zu drei Toren in Front gelegen. Die Franzosen hatten die Partie erst in den Schlussminuten zu ihren Gunsten gebogen, als ihnen ein 5:0-Lauf zum 28:25 (57.) gelungen und die Fehlerquote der Tunesier in den roten Bereich gedriftet war. Deshalb wusste nicht nur DHB-Kapitän und Löwen-Abwehrchef Oliver Roggisch: „Mit Tunesien erwartet uns ein viel stärkerer Gegner. Da müssen wir eine Schippe drauflegen und vor allem von der ersten Sekunde an hellwach sein.“ Tatsächlich präsentierte sich die deutsche Truppe zu Beginn hoch konzentriert, nutzte ihre Chancen, lag in Führung. Dann aber drehten die Tunesier die Partie. Weil die DHB-Auswahl in alte Schwächen verfiel, zwei Siebenmeter (Schmidt, Weinhold) und weitere freie Bälle nicht nutzen konnte sowie viel zu passiv in der Defensive agierte. So machte der Afrikameister das, was ihn bereits im ersten Spiel gegen Frankreich ausgezeichnet hatte: Er setzte auf seine starke Rückraumachse, der Bald-Kieler Jallouz und Linkshänder Bannour ballerten munter drauflos – und trafen beim 6:10-Zwischenstand (19.) zusammen sieben Mal. Auch, weil sie von der deutschen Abwehr, die sich nicht aggressiv genug präsentierte, nicht ausreichend angenommen wurden. Coach Heuberger legte die grüne Karte. Und sprach in der Auszeit die Defizite an. Die Folge: Die DHB-Auswahl startete eine Aufholjagd, die vor allem einen Namen hatte: Christophersen. Der Berliner per Doppelschlag sowie Weinhold – der Anschluss war hergestellt. Auszeit Tunesien. Aber die deutsche Mannschaft blieb auf Kurs. Löwen-Rechtsaußen Patrick Groetzki markierte den 11:11-Ausgleich (26.). Der Kieler Klein verwandelte nach Pass von Groetzki zur ersten deutschen Führung (27.) seit der vierten Minute. 12:11 – das deutsche Team hatte sich in die Partie zurück gekämpft. Zur Pause stand ein 13:13. Der Bundestrainer mahnte daraufhin in der Kabine vor allem die mangelnde Chancenverwertung und das zu statische, passive Abwehrverhalten gegen die tunesischen Rückraumschützen an.
Aber genau das konnte die DHB-Auswahl nicht umsetzen. Jallouz und Bannour trafen für die Nordafrikaner, aber die Deutschen ließen erneut gute Möglichkeiten aus, mussten sechseinhalb Minuten auf den nächsten Treffer warten.
14:15 (37.). Und Tunesien legte weiter vor, selbst in Unterzahl. 17:19 (45.) durch Ben Salah, der auch das 17:20 (46.) setzte. Der DHB-Auswahl fehlten die leichten Tore. Auszeit Deutschland. Und mit etwas Verzögerung griff die Ansage. Lichtlein, für Heinevetter zwischen die Pfosten gerückt, nahm zwei Bälle weg. Und Klein, Weinhold und Fäth trafen – 21:21 (54.), ehe die Tunesier erneut zuschlugen. Und die deutsche Mannschaft – die vergebens darauf hoffte, dass beim Afrikameister in der Schlussphase die Kräfte schwanden – sich in den entscheidenden Situationen unnötige Ballverluste erlaubte.
Island (mit dem Löwen Stefan Rafn Sigurmannsson) stand in seiner zweiten Partie der Gruppe B gegen Chile am Sonntag schon etwas unter Druck, nachdem die Nordeuropäer ihr Auftaktmatch am Samstag gegen Russland mit 25:30 verloren hatten. In Sevilla legten die Isis im ersten Abschnitt gegen die Südamerikaner bis auf 7:4 (10.) vor, konnten sich aber in der Folge zunächst nicht weiter absetzen. Im Gegenteil. Die Chilenen schafften zum 7:6 und 8:7 (16.) jeweils den Anschluss, ehe
Island vor der Pause doch noch mächtig aufdrehte und mit einem 5:0-Lauf auf 18:11 stellte. Chile blieb dabei sechs Minuten ohne Treffer. So begann auch Teil zwei dieser einseitigen Partie. Der Olympia-Fünfte markierte vier weitere Tore, ehe Chile die Kugel wieder ins Netz befördern konnte. Unterm Strich stand schließlich ein deutlicher 38:22 (18:11)-Erfolg für die Isländer.
Am Sonntagabend stand Dänemark (mit Löwen-Keeper Niklas Landin), das zu WM-Beginn einen ungefährdeten 41:27-Erfolg gegen Katar feierte, in der Gruppe B dem ebenfalls in Spiel eins erfolgreichen Russland (30:25 gegen Island) gegenüber. Unterm Strich stand ein 31:27 (14:13) und der zweite Sieg für den Europameister, der die beiden Punkte erst in der Schlussphase an Land ziehen konnte. Die Russen verlangten den Dänen alles ab.
In Sevilla entwickelte sich zunächst eine Partie im Gleichschritt. Dann gelang den Dänen durch den Hamburger Hans Lindberg zum 5:3 (8.) die erste Zwei-Tore-Führung, die auch beim 6:4 Bestand hatte. Danach bestimmten die Keeper, allen voran Niklas Landin im dänischen Kasten das Duell. Der Torhüter der Rhein-Neckar Löwen brachte es im ersten Abschnitt auf zwölf Paraden, davon einen Siebenmeter. Der Zwei-Meter-Mann rührte im Verbund mit der Abwehr regelrecht Beton an – und den Russen gelang über zwölf Minuten kein Treffer. Die Dänen schraubten ihre Führung auf 9:4, ehe das Team von Coach Oleg Kuleshov nach gut 20 Minuten aufwachte, über eine aggressivere Abwehr Bälle gewann und kurz vor der Pause den Anschluss schaffte.
Nach dem Wechsel gelang es die Russen, allen voran dem Berliner Igropulo auf die Führung der Dänen die richtige Antwort zu finden. Beim 20:17 (39.) waren es dann zwar wieder drei Tore, aber auch da glich Shelmenko per Doppelpack wieder aus (42.). Bis der dänische Coach Ulrich Wilbek den 2,10-Meter-Mann Markussen (Atletico Madrid) auf die halblinke Königspositon beorderte. Markussen traf wie er wollte und zeichnete hauptverantwortlich für den 26:22-Zwischenstand (52.). Und als es kurz vor Schluss noch einmal ganz eng wurde, stand erneut Keeper Landin goldrichtig, rettete beim 29:27 (58.) gegen Dibirov. Nach einer Auszeit sorgte Möllgaard für die Entscheidung.
Am morgigen Montag sind die Gruppen A und B spielfrei. Die weiteren Gegner der DHB-Auswahl in der Gruppe A sind der Erste der Panamerikameisterschaft, Argentinien (Dienstag, 15.1., 18.15 Uhr/ARD), Montenegro (Mittwoch, 16.1., 18.30 Uhr/ZDF) sowie Titelverteidiger Frankreich (Freitag, 18.1., 18.15 Uhr/ARD).
Dabei hat Argentinien, der nächste Gegner der DHB-Auswahl, in der Gruppe Aam Wochenende gleich für zwei Überraschungen gesorgt: Zunächst düpierten die Gauchos am Samstag Montenegro mit 28:26, dann unterlagen sie am Sonntag im hart umkämpften südamerikanischen Duell Brasilien mit 20:24 (8:9). Argentinien bezwang 2011 sensationell WM-Gastgeber Schweden, zog in die Hauptrunde ein und belegte schließlich den zwölften Platz.
Die Gruppen C und D sind dagegen am Montag im Einsatz. Die Partien mit Löwen-Beteligung: Serbien (mit Zarko Sesum) bekommt es dann in der Gruppe C mit Weißrussland zu tun (18 Uhr), Spanien (mit Gedeon Guardiola) trifft in Gruppe D auf Ägypten (19 Uhr/Sport1;Sport1.de)