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Alles, bloß nicht Croatia Zagreb

Karlsruhe. Er ist ein reiner Abwehrspezialist, kein Torjäger. Ein Zerstörer, groß und stark. So groß und stark, dass sich die Gegenspieler an ihm aufreiben, verzweifeln. Oliver Roggisch, 31, erinnert an einen Wrestler, wenn er am eigenen Kreis für die Rhein-Neckar Löwen die Pranken ausfährt, wenn er den Gegnern finstere Blicke zuwirft. Doch oft ist er auch sein eigener Gegner, lässt sich zu dummen Aktionen hinreißen. Foult ohne Not, meckert ohne Grund. Strafzeiten sammelt er wie andere Briefmarken – Spiel für Spiel, Wettbewerb für Wettbewerb. So kennt man ihn, den Oli, den Oberlöwen. Am Samstag beim 30:24-Sieg über Sarajevo glänzte er in einer anderen Rolle: Roggisch mimte den „Bankangestellten“, schaute 60 Minuten zu, ganz entspannt, lachte viel, wirkte mal gar nicht grimmig.

Doch das war nicht das einzige, was anders war, an diesem Champions-League-Samstag: Uwe Gensheimer traf nicht, Karol Bielecki ballerte nicht, Olafur Stefansson brillierte nicht, Patrick Groetzki rannte nicht und Kasa Szmal „hexte“ nicht. Gibt’s nicht, gibt’s doch: Ola Lindgren schonte seine Stars, rotierte kräftig. Roggisch und Co. Standen zwar auf dem Spielberichtsbogen, wurden aber nicht eingesetzt.

Diesmal wirbelten andere. Grzegorz Tkaczyk zum Beispiel. Nach seiner siebenmonatigen Leidenszeit kehrte der Vize-Weltmeister von 2007 erstmals wieder auf die „Platte“ zurück. Es war ein viel versprechendes Comeback: „Grzegorz hat seine Sache gut gemacht“, lobte Manager Thorsten Storm, 45, „wir hoffen alle, dass er es nach dieser schweren Verletzung zurückschafft.“

Der 29_Jährige deutete an, wie wertvoll er sein kann. Auf der Mitte zog er geschickt die Fäden, brachte Struktur ins Löwenspiel. Dass es prompt so gut klappte, war keine Selbstverständlichkeit. Im Vorfeld schlotterten ihm nämlich die Knie: „Nach so einer langen Pause bist du natürlich nervös“, gesteht der Tattoo-Fan, „aber nun bin ich einfach nur froh, dass mein Knie gehalten hat.“ Ob es auch weiterhin hält, müssen die nächsten Wochen zeigen. Storm wünscht es ihm, sagt aber auch: „So ein Knorpelschaden im Knie ist keine Grippe, sondern eine der schwersten Verletzungen im Handball überhaupt, da kann man ihm nur die Daumen drücken.“

Apropos Daumen drücken. Storm wird seine beiden am Dienstag ganz fest zwischen die Finger pressen. Jesper Nielsen, der Aufsichtsrats-Vorsitzende der Löwen, auch. Sie fliegen heute nach Wien, wollen dabei sein, wenn morgen gegen 12 Uhr das Champions-League-Achtelfinale ausgelost wird. Drei Gegner kommen für die Gelbhemden in Frage: Croatia Zagreb, Real Ademar und BM Valladolid. Schlagbar sind sie alle. Doch gerade Zagreb würde Storm gerne aus dem Weg gehen. Er sagt: „Dort musst du vor rund 13.000 Zuschauern antreten. Das ist eine heiße Atmosphäre.“

Ob Niklas Ruß, 19, im Achtelfinale erneut eine Chance erhalten wird, bleibt abzuwarten. Gensheimer ist gesetzt. Aber so lange Gudjon-Valur Sigurdsson verletzt zuschauen muss, ist er eine ernstzunehmende Alternative. Gegen Sarajevo hat er das bewiesen. Starkwar’s, was er auf der linken Außenbahn leistete. Ola Lindgren, 46, hat das nicht überrascht. Er ist ein Ruß-Fan: „Niklas ist explosiv, dynamisch und trickreich im Gegenstoß. Sein Talent ist groß.“ Maximilian Bender, 19, besticht ebenfalls durch viele Vorzüge. Aber in einer anderen Form. Für ihn geht es nicht darum, Tore zu schießen, vielmehr darum, Tore zu verhindern. Zwischen den Pfosten kann er ein Großer werden. Bei den „Regio-Löwen“ glänzt er Woche für Woche. Doch diesmal war die Bühne größer: 3.214 Zuschauer feuerten ihn an. Und auch er machte seine Sache gut. Eine Dauerlösung ist er für die Lindgren-Sieben aber (noch) nicht.

Szmal (Vertrag bis 2011) aber wohl auch nicht: Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass im Hintergrund an seiner Rückkehr nach Polen gebastelt wird. Kielce ruft. In der polnischen Medienlandschaft wurde der Wechsel kürzlich schon als perfekt gemeldet. Aber ganz so weit ist man noch nicht. Storm bleibt gelassen: „Es gibt eine festgeschriebene Ablösesumme für ihn. Ich glaube aber nicht, dass die jemand bezahlen will.“ In Kielce scheint man das ähnlich zu sehen. Dort setzt man angeblich bewusst auf den Faktor Zeit, denn man vermutet, dass die Löwen längst einen dritten Top-Torhüter für die neue Saison unter Vertrag haben und somit fast schon gezwungen wären, Szmal spätestens im Sommer unter Wert zu verkaufen, um nicht drei Spitzen-Torleute auf der Gehaltsliste zu haben.

Storm findet das amüsant, wiederholt sich: „Wir haben keinen weiteren Torhüter verpflichtet. Wir sind mittlerweile mit unseren Leistungen im Tor zufrieden.“ Dass Szmal über kurz oder lang zurück nach Polen möchte, ist aber klar. Auch Stormweiß von seinen Plänen: „Kasa hat uns das gesagt, doch das wird nach aktuellem Stand erst 2011 sein.“

Von Daniel Hund

 08.03.2010