Veröffentlichung:

„Alles Denkbare ist auch machbar“ (MM)

Löwen-Geschäftsführer Thorsten Storm über Titelchancen des Tabellenführers, weitere Perspektiven der Badener und Terminfülle der Bundesligisten

MANNHEIM. Überraschungsmannschaften in der Handball-Bundesliga gibt es in schöner Regelmäßigkeit, zum Jahreswechsel dürfen sich diese Auszeichnung ganz sicher die Rhein-Neckar Löwen als Tabellenführer ans Revers heften. Nach dem Absprung von Mäzen Jesper Nielsen, der folgenden Etatreduzierung und dem personellen Umbruch ist dieser Coup eine Leistung, die nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Auch Löwen-Geschäftsführer Thorsten Storm freut sich in folgendem Interview über die jüngste Entwicklung, sieht die Löwen und den Handball insgesamt aber noch lange nicht über dem Berg.

Herr Storm, die Löwen gehen als Tabellenführer in die WM-Pause. Nach den Turbulenzen in der ersten Jahreshälfte dürfte das mehr als ein versöhnlicher Abschluss sein . . .

Thorsten Storm: Stimmt! Wir haben vor der Saison und dann in dieser Hinrunde vieles besser gemacht als zuvor. Besonders die Ruhe im Umfeld hat der Mannschaft gut getan. Wir haben allerdings auch noch viel Arbeit vor uns. Auf dem Spielfeld und besonders um das Team herum.

Die Tabelle lässt die Fans auf ein Titelrennen mit Kiel hoffen. Was ist in der Rückrunde möglich?

Storm: Alles Denkbare ist auch machbar. Es sind noch 15 Bundesligaspiele, darunter aber auch die Partien in Kiel, Berlin, Flensburg oder auch in Wetzlar. Wichtig wird sein, dass unsere WM-Fahrer gesund zurückkehren und wir weiterhin von Aufgabe zu Aufgabe planen.

Die Löwen sind auch noch im EHF-Cup und im DHB-Pokal im Rennen. Kann es in diesem Jahr mit dem ersten Titel klappen?

Storm: Vielleicht. Auch das hängt stark von der personellen Situation ab. Wir haben aufgrund der Etatreduzierung einen sehr dünnen Kader. Warten wir die WM mal ab. Es wird zudem sehr wichtig sein, dass alle auch hinter der Mannschaft stehen, wenn es Niederlagen gibt. Wir selbst wissen, wo wir herkommen, und können uns sportlich gut einschätzen.

Trotz des engen Kaders haben die Löwen so konstant gespielt wie kein anderes Team. Wo liegen die Gründe dafür?

Storm: Wir haben eigentlich alles reduziert, nur die sportliche Leistung und das persönliche Engagement nicht. Das hat sich stark verbessert. Dazu wurden Verpflichtungen gut geplant und ausgewählt und in der Öffentlichkeit gehen wir einen gemeinsamen Weg. Schritt für Schritt. Das bedeutet für mich Konstanz.

Es scheint, als sei bei den Löwen der Umbruch schon gelungen, den andere noch vor sich haben. Wie sehen Sie die Perspektiven der Mannschaft?

Storm: Wir haben eine tolle Perspektive. Eine junge Mannschaft, eine moderne Arena und ein ständig wachsendes Umfeld. Viele Schlüsselspieler sind noch sehr jung, und aus dem eigenen Nachwuchs werden Spieler nachkommen. Ich mache mir viel mehr Sorgen um den Handball insgesamt. Hier werden große Fehler gemacht, die am Ende die Arbeitgeber und Vereine tragen. Das geht nicht mehr lange gut. Entweder Vereine gehen nach und nach in die Knie oder die Spieler gesundheitlich kaputt.

Bundestrainer Martin Heuberger hat zuletzt angeregt, die Ligen zu verkleinern oder in den Olympia-Jahren auf eine WM/EM zu verzichten. Können Sie mit diesen Vorschlägen etwas anfangen?

Storm: Alle Wettbewerbe müssen reduziert werden. Eventuell auch die Bundesliga. Wir spielen einfach viel zu oft. Zudem weiß der Dauerkartenbesitzer im Fußball ganz genau, wo und wann seine Mannschaft spielen wird. Bei uns ist das alles unklar und im Januar machen wir als Hallensportart Pause. Dafür beginnen wir im August, wenn alle Fans ins Freibad wollen. Aber die Uhr tickt. Wir haben keine Zeit mehr und reden seit Jahren darüber und keiner macht etwas.

Zwischen Weltverband, europäischem Verband und den Ligen wird die Diskussion um eine Terminreduzierung schon seit Jahren ergebnislos geführt. Sehen Sie für 2013 Licht am Ende des Tunnels?

Storm: Nein. Es ist keine Einigung in Sicht. Dafür sind die Interessen einfach grundsätzlich zu verschieden. Die Klubs außerhalb Deutschlands wollen eine Europaliga. Aber die haben wir mit der Champions League eigentlich schon. In Deutschland müssen Bundesliga und Nationalmannschaft ihre Kräfte bündeln. In diesem Land steckt das größte Potenzial, was Vermarktung und Wertschöpfung unserer Sportart betrifft. Wir müssen die Bundesliga schützen und hier die Regeln festlegen, wann wir unsere Spieler an anderen Wettbewerben teilnehmen lassen. Dann geht es den Arbeitgebern, also den Klubs wieder besser, weil mehr Geld in die Kassen fließt und die Spieler verdienen ordentliches Geld. Ansonsten bricht das System zusammen.

Auch die Verhandlungen mit Oliver Roggisch um einen neuen Vertrag stocken momentan mit Blick auf das Finanzielle. Wie sehen Sie seine Rolle im Team? Roggisch hätte bis zur WM gerne Klarheit . . .

Storm: Unsere Abwehr steht bislang sehr gut. Olli Roggisch ist Abwehrspieler, also macht er seinen Job. Olli hat uns gesagt, dass er gerne ein weiteres Jahr bleiben möchte und ich habe ihm unsere wirtschaftlichen Möglichkeiten dazu genannt. Das hat mit der WM in Spanien aber wenig zu tun, sondern es entspricht unserer Gesamtsituation.

Von Thorsten Hof