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„Alles ist möglich“

Vor der Partie in der VELUX EHF Champions League gegen Zagreb: Löwen-Trainer Gudmundur Gudmundsson im Interview

Am Donnerstag (20.30 Uhr) treffen die Rhein-Neckar Löwen in der Gruppenphase der VELUX EHF Champions League auf HC Croatia Osiguranje Zagreb. Es gibt noch Restkarten für diese Partie. Nähere Informationen beim Sportbüro in Kronau unter 0 72 53/93 47 11. Vor diesem Heimspiel im Sportzentrum Harres in St. Leon-Rot sprachen wir mit Löwen-Coach Gudmundur Gudmundsson.

Gudmundur, was bedeutet es für die Löwen, in dieser Saison wieder in der Champions League zu spielen?

Gudmundur Gudmundsson: Wir sind sehr glücklich, nach zwei Jahren Abstinenz endlich wieder in der Königsklasse vertreten zu sein. Jeder will in der Champions League spielen, sich mit den Besten messen. Und das können wir jetzt, weshalb wir sehr stolz sind. Es ist keine Selbstverständlichkeit, sich als deutsche Mannschaft für die Champions League zu qualifizieren.

Nach vier Spielen habt ihr 5:3 Punkte auf dem Konto. Bist du mit dieser Ausbeute zufrieden?

Gudmundsson: Es ist ganz gut gelaufen, aber ich bin nicht zu 100 Prozent zufrieden. Das Unentschieden gegen Zaporozhye tut schon ein bisschen weh. Das war ein Punktverlust, denn es ist unser Anspruch, solch eine Mannschaft in eigener Halle zu besiegen. Einen Sieg in Veszprém konnte man von uns nicht erwarten, die Ungarn sind ein Anwärter auf den Titel in der Champions League und sehr heimstark. Umso ärgerlicher ist es, dass wir dort knapp mit 29:30 verloren haben. Das war eine sehr unglückliche Niederlage, schließlich hatten wir selbst in der Schlussminute die Chance auf den Sieg.

Ist der Gruppensieg für euch noch drin?

Gudmundsson: Im Handball ist grundsätzlich immer alles möglich. Aber momentan liegen wir drei Punkte hinter Veszprém. Das bedeutet: Wir können aus eigener Kraft nicht mehr Platz eins erreichen, selbst wenn wir alle Spiele gewinnen. Veszprém müsste nicht nur gegen uns im Rückspiel verlieren, sondern noch irgendwo anders einen Punkt liegenlassen. Richtig realistisch ist das nicht. Deswegen ist es unser vorrangiges Ziel, den zweiten Platz zu verteidigen, um uns in eine gute Position für das Achtelfinale zu bringen. 

Auf dem Weg dorthin heißt der nächste Gegner Zagreb: Was erwartet euch gegen den kroatischen Serienmeister?

Gudmundsson: Für Zagreb gilt das Gleiche wie für unsere anderen Gruppengegner Celje und Veszprém. Das sind alles Vereine mit einem großen Namen, mit vielen Erfolgen, mit einer unheimlichen Tradition. Zagreb hat immer noch einen klangvollen Namen, auch wenn nicht mehr die ganz großen Stars wie Ivano Balic dort spielen. Die jetzige Mannschaft ist sehr interessant, weil sie aus vielen jungen und extrem talentierten Spielern besteht. Die Jungs sind alle sehr gut ausgebildet und ganz bestimmt bis in die Haarspitzen motiviert, wenn sie sich gegen einen Bundesligisten beweisen können.

Worauf müsst ihr achten?

Gudmundsson: Gerade im Rückraum und am Kreis ist Zagreb unglaublich gefährlich, dazu kommt ein erfahrener Rechtsaußen wie Zlatko Horvat, der immerhin kroatischer Nationalspieler ist.  Wir werden diesen Gegner auf keinen Fall unterschätzen. Erst recht nicht in der nächsten Woche beim Rückspiel.

Nach dem Zagreb-Doppelpack steht in der Champions League noch die Begegnung in Zaporozhye an. Was nehmt ihr euch für die letzten drei Spiele in der Königsklasse in diesem Jahr vor?

Gudmundsson: Unser Ziel ist es, alle drei Begegnungen zu gewinnen. Aber das wird sehr, sehr schwer. Diese Reisestrapazen sollte niemand unterschätzen. Wenn wir zum Spiel gegen Zaporozhye in die Ukraine fliegen, sind wir fast den ganzen Tag unterwegs. Und in der Bundesliga waren wir in den vergangenen Wochen ohnehin schon ständig auswärts gegen starke Teams gefordert. Dieser Spielplan ist einfach der Wahnsinn, diese Belastung zehrt an den Kräften.

Die Hälfte der Vorrunde in der Champions League ist fast rum: Wer sind deine Titelfavoriten?

Gudmundsson: Unser Gruppengegner Veszprém hat das Zeug dazu, ganz vorne zu landen. Und dann gibt es noch Barcelona. Die Spanier sind natürlich ein heißer Sieganwärter. Mit Nikola Karabatic und Kiril Lazarov wurde die Mannschaft noch einmal verstärkt. Barcelonas Sieg in Paris hat mir schon sehr imponiert, genauso wie der Erfolg von Kielce gegen Kiel. Der THW war chancenlos, deswegen traue ich Kielce viel zu – wenngleich man auch Kiel nie abschreiben sollte. Wenn es um Titel geht, muss man den THW immer auf der Rechnung haben. 

Auf große Einkauftour ging vor dieser Saison Paris Saint-Germain. Igor Vori, Daniel Narcisse, Fahrudin Melic, Gábor Császár und Jakov Gojun wurden teilweise von anderen Topfavoriten auf den Titel abgeworben. Warum traust du den Franzosen weniger zu als Barcelona, Kielce oder Veszprém?

Gudmundsson: Ganz einfach: Paris hat zwar starke Einzelspieler, ist aber noch keine eingespielte Mannschaft. Um etwas zu entwickeln, bis die Feinheiten stimmen und ein Rädchen ins andere greift, braucht man im Handball Zeit. Wenn dieses Team so zusammenbleibt, wird es sicherlich schon bald ein ernstes Wort um Europas Krone mitreden. Aber meiner Meinung nach wird es in dieser Saison noch nicht für den Titel reichen.

Was ist denn für die Löwen möglich?

Gudmundsson (lacht): Wir wollen erst einmal mindestens Platz zwei in der Gruppe holen, danach schauen wir weiter von Spiel zu Spiel. So haben wir es schon in der vergangenen Saison gemacht – und sind damit ganz gut gefahren.

Mannschaften wie Barcelona, Veszprém und Kielce werden in der eigenen Liga mangels Konkurrenz kaum gefordert. Ist das ein Vor- oder Nachteil?

Gudmundsson: Man kann der Ansicht sein, dass diese Teams aufgrund fehlender Wettkampfhärte vielleicht eher einen Nachteil haben, weil sie im Gegensatz zu den deutschen Mannschaften nicht jede Woche gefordert werden. Aber ich glaube eher, dass diese Teams einen Vorteil haben. Wenn ich an unser Spiel ins Veszprém denke: Da hatte der Gegner eine Woche Zeit, um sich auf uns vorzubereiten und zu regenerieren. Veszprém war viel frischer als wir. Und das wirkt sich meiner Meinung nach dann auch aus, wenn die eine Mannschaft ausgeruht ist und die andere manchmal sogar zwei Mal pro Woche in der Bundesliga ans Limit gehen muss.

Die Abwehr ist wie schon in der vergangenen Saison euer Prunkstück: Auch Neuzugang Nikola Manojlovic hat sofort eingeschlagen.

Gudmundsson: Nikolas Qualitäten sind unbestritten, deswegen haben wir ihn auch verpflichtet. Schon als er in der Saison 2009/2010 das erste Mal bei den Löwen war, hat er einen richtig starken Job gemacht. Er passt gut in unser System – und wir mussten ihn gleich am ersten Spieltag ins kalte Wasser werfen, obwohl er in der Vorbereitung auch zwischendurch fehlte. Aber nach Oliver Roggischs Verletzung blieb uns gar nichts anderes übrig, als Nikola zu bringen.

Und der spielte dann beim Sieg in Balingen, als sei er nie weg gewesen.

Gudmundsson: Das stimmt. Auf ihn konnte man sich sofort verlassen, was mich aber nicht wirklich verwunderte. Mit ihm, Oliver Roggisch und Gedeón Guardiola haben wir jetzt drei starke Leute für den Innenblock, Bjarte Myrhol kann da auch noch spielen. Es freut mich, dass wir jetzt so flexibel sind.

Gerade Gedeón Guardiola ist aus der Mannschaft nicht mehr wegzudenken.

Gudmundsson: Er ist zu einer Schlüsselfigur gereift und nicht nur ein vorbildlicher Kämpfer, sondern auch ein sehr intelligenter Abwehrspieler. Es freut mich sehr, wie Gedeón sich hier Stück für Stück weiterentwickelt und in die Mannschaft gespielt hat. Niemand hatte ihn auf der Rechnung, als wir ihn vor eineinhalb Jahren von SDC San Antonio geholt haben. Jetzt ist er der Abwehrchef der spanischen Weltmeister-Mannschaft und gehört zu den drei besten Defensivspielern der Welt. Das sagt alles über seine Entwicklung.