Veröffentlichung:

An die Grenze des Machbaren

Hamburg. Es werden zwei Tage am Limit, auf einem Handball-Niveau der Extraklasse. Das ist die eine Seite des Final Fours, die schöne, die mitreißende. Aber da ist auch noch eine andere. Und die ist vor allem mit einem verbunden: Schmerzen. Zwei Spiele in zwei Tagen, das geht an die Substanz. Gerade im Handball, der vielleicht härtesten Mannschaftssportart der Welt. Klammern, Reißen, Stoßen – erlaubt ist viel, untersagt wenig. Verletzungen sind an der Tagesordnung. Schwere und leichte.

Beim Final Four, einer Veranstaltung, bei der es innerhalb von rund 30 Stunden um Alles oder Nichts geht, ist der Verschleiß besonders groß. So groß, dass Thorsten Storm, der Manager der Rhein-Neckar Löwen, für ein Umdenken plädiert. Sein Vorschlag: „Zum Schutz der Spieler sollte man wie in der Champions League 16 Spieler pro Partie zulassen, um dadurch jedem einzelnen Akteur mehr Verschnaufspausen geben zu können.“

Dr. Andreas Klonz, 41, sieht es ähnlich. Und der muss es wissen. Er ist der Arzt, dem die Löwen vertrauen, begleitet sie auf Schritt und Tritt. Immer und überall. Er sagt: „Die Spieler treibt ein Turnier wie das Final Four an die Grenzen des Machbaren. Sowohl im mentalen als auch im körperlichen Bereich.“

Doch Final Four hin oder her, müsste nicht der komplette Handballsport überdacht werden? Schließlich ist die Spielfrequenz das ganze Jahr über unglaublich hoch. Ein Termin jagt den nächsten. Nachvollziehbar ist das nicht. Auch für Klonz nicht: „Man muss den Handball nur mal mit dem Fußball vergleichen, da ist solch eine Anhäufung an Spielen undenkbar“, betont er, „aus meiner Sicht ist eine Verringerung der Belastung und eine Reduktion des Spielplans deshalb unbedingt zu fordern.“

Die Auswirkungen der Terminhatz bekommen die Löwen aktuell zu spüren: Ständig ist jemand verletzt. Börge Lund und Bjarte Myrhol, die in Hamburg nun zumindest sporadisch zum Einsatz kommen sollen, machen nach wie vor Sorgen. Myrhol plagt sich mit chronischen Muskelbeschwerden herum, Lund scheint seine Rückenprobleme hingegen überstanden zu haben. Zwei Fälle, die Klonz nicht überraschen: „Der März und der April sind genau die Monate, in denen die Verletzungshäufigkeit zunimmt, sich die großen Belastungen bemerkbar machen.“

Wobei kein falscher Eindruck entstehen darf: Klonz, der in der Heidelberger Atos-Klinik eine Praxis für orthopädische Chirurgie führt, ist ein Handball-Fan durch und durch. Beim Final Four kennt er sich zudem bestens aus. Er ist Wiederholungstäter, seit gestern schon zum vierten Mal vor Ort. Und diesmal könnte es nun endlich klappen mit dem ganz großen Wurf. Klonz hat vor dem heutigen Halbfinal-Duell gegen Flensburg (15.15 Uhr) nämlich so ein Bauchgefühl: „Wir sind jetzt mehrfach knapp gescheitert, doch wir waren wohl auch noch nie so stark wie in diesem Jahr. “

Wie auch immer, Dr. Klonz hat vorgesorgt: Die Sprechstunde am Montagvormittag wurde kurzerhand schon mal auf den Nachmittag verlegt. „Zur Sicherheit“, wie er sagt.

Die Feier kann also kommen. Jetzt fehlt nur noch der Pokal.

Von Daniel Hund

 07.05.2011