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Arbeitertypen wie Myrhol und Manojlovic glänzen

Hamburg. Reden ist Silber, Schweigen ist Gold – nach dieser Devise verfuhr Kreisläufer Bjarte Myrhol nach dem souveränen 31:21 (14:10)_Halbfinalsieg der Rhein-Neckar Löwen über den VfL Gummersbach. Mit schweißnassem Trikot eilte er durch den Kabinengang, nuschelte nur „ich muss mich umziehen“ und verschwand. Dabei hatte der 1,92 Meter große Norweger „eine Weltklasseleistung gezeigt“, wie Peter Karas vom Fachmagazin Handball in Österreich fand.

Der Wiener besuchte das Final Four in Hamburg natürlich nicht wegen der Löwen, sondern um Landsmann Victor Szilagyi (32) im Dress der Oberbergischen agieren zu sehen. Szilagyi aus St. Pölten, Spross eines ungarischen Vaters, stand freilich ziemlich alleine auf weiter Flur – der Traditionsklub VfL Gummersbach wurde vom Löwen-Mittelblock gnadenlos gestoppt.

Von Arbeitertypen eben – wie Myrhol (27) oder auch Nikola Manojlovic (28), die mit ihrem beherzten Auftreten den Finaleinzug der Gelbhemden ermöglichten. „Wenn Bjarte gesund am Ball ist, dann haben wir einen starken Mittelblock“, hob Löwen-Manager Thorsten Storm die zentrale Rolle des „Wikingers“ hervor und blickte voller Zuversicht in die nicht allzu ferne Zukunft: „Nächstes Jahr haben wir zwei von diesem Kaliber.“

Damit war wiederum Robert Gunnarsson (29) gemeint, der Isländer imVfL-Trikot, den es im Sommer nach fünf Jahren zu den Nordbadenern zieht. Kämpfernatur Gunnarsson mühte sich gegen den künftigen Klub redlich, doch nur selten fand der bullige Spieler die Lücke in der gelben Mauer.

Nach 55 Minuten Abwehrmaloche durften Myrhol – der nebenbei noch blitzsaubere, teilweise spektakuläre sieben Tore warf – und Manojlovic runter und die Recken vergangener Jahre kamen. Andrej Klimovets und Oliver Roggisch wurden eingewechselt. Ein Bild mit Symbolcharakter – „Klimo“ verlässt den Fusionsverein und „The Rock“ Roggisch wirkt trotz einer Vertragsverlängerung bis 2012 wie ein „Auslaufmodell“.

Welche Rolle für Roggisch?

Wenn Myrhol und Gunnarsson am Kreis vorne wie hinten mit Verve ihre Aufgabe erledigen, dann wird es schwer für den Defensivspezialisten und „Zeitstrafenkönig“. Welche Rolle bleibt für Roggisch übrig? Tragisch für einen Weltmeister, der weder sich noch den Körper des Gegners schont.

Man blickte am Samstag in rundum zufriedene Löwen-Gesichter. Trainer Ola Lindgren, ohnehin Meister der moderaten Töne, lobte sein kompaktes Kollektiv: „Unsere bewegliche 6:0_Abwehr, ein starker Mittelblock, ein starker Torwart – das war der Grundstein für den Erfolg.“ Man habe „60 Minuten toll gespielt“.

Das sahen auch die Löwen-Fans so. Auf die „Kasa“-Rufe für Hexer Slawomir Smal folgte der deutsche Ohrwurm „Oh, wie ist das schön …“ in der Schlussphase für eine insgesamt beeindruckende, nahezu makellose Vorstellung. Entschlossen, homogen, diszipliniert operierten sie – die als unbequem und unorthodox geltenden Gummersbacher hatten nicht den Hauch einer Chance.

„Dass sie ein bisschen aufgegeben haben, war unser Leistung geschuldet“, erklärte Uwe Gensheimer die Zehn-Tore-Differenz und brüllte zum Schein: „Auslaufen, Männer! Morgen ist das nächste Spiel.“ Thorsten Storm wagte den dezenten Vorausblick auf das vom DSF postulierte „Traumfinale“ gegen den HSV. „Wenn wir so wie gegen Gummersbach spielen, dann haben wir die Chance richtig anzugreifen“, so Storm, der geschickt die Zauberworte Titel oder Pokal vermied.

Nicht gerade in Zurückhaltung übten sich die Hamburger. „Wir werden den Pott gewinnen“, hatte HSV-Boss Andreas Rudolph der Hamburger Morgenpost in die Notizblöcke diktiert. Trainer Martin Schwalb versuchte nach dem 37:32 (17:13) über TuS N-Lübbecke mit dem überragenden Ex-HSVler Arne Niemeyer (12 Würfe/11 Treffer) korrigierend einzugreifen: „Die Löwen und wir sind auf Augenhöhe.“

Diese Sicht der Dinge bestätigte Handball-Punk Stefan Kretzschmar. Und auch Olafur Stefansson, cleverer Denker und Lenker der Löwen, reihte sich in diese Expertenrunde ein. „Wir dürfen nicht reden, sondern müssen es im Finale zeigen“, zog sich Stefansson zum 22-stündigen Vitaltraining zurück.

Derweil notierte sich Kollege Karas fleißig Namen. Zum Beispiel die von Myrhol und Manojlovic. Echten Arbeitertypen, die einem Halbfinale Glanz gaben.

Von Joachim Klaehn

 12.04.2010