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Auch Flensburg war keine Reise wert (RNZ)

Flensburg/Heidelberg. Anderer Ort, gleiches Bild: Verschwitzte Männer in kurzen Hosen und gelben Trikots, mit leeren Blicken und hängenden Schultern. Na, wer könnte das gewesen sein? Richtig, die Rhein-Neckar Löwen. Denn eigentlich war es am Samstag in der Flensburger Campushalle genau wie drei Tage zuvor in der Mannheimer SAP Arena: Am Ende jubelten die Anderen, diesmal die Flensburger. Über einen 37:34 (17:18)- Erfolg, über einen Big Point im Kampf um die Champions-League-Ränge.

Nur eines waren sie nicht, die Nordmänner: besser. Und genau das macht es erneut so bitter: Die Badener kämpften, glänzten, ja, sie zauberten phasenweise sogar. Leider jedoch nur 45 Minuten lang. Dann kam der Einbruch. Die Kräfte ließen nach, die Konzentration schwand. Darf nicht sein, kann aber mal sein: Wer am Mittwoch siebzig Minuten gegen den HSV Hamburg auf der Platte steht, diese nach einem Handball-Drama auch noch als Verlierer verlässt, der kann samstags nicht schon wieder bei 100 Prozent sein. Der Trainer will das nicht als Ausrede gelten lassen, sieht es aber ähnlich. Gudmundur Gudmundsson: „Das HSV-Spiel und die Reisestrapazen haben uns viel Kraft gekostet. Unsere Männer waren noch nicht wieder voll da.“

Zudem spielte mit Krzysztof Lijewski einer, der im Normalfall noch gar nicht gespielt hätte. Der Pole mit dem starken linken Arm litt in Flensburg noch unter den Nachwirkungen seiner Mandelentzündung. Gekämpft hat er trotzdem. Wie alle. Und das zeigte sich in der ersten Halbzeit. Vor allem in der Offensive lief es. Immer wieder schwärmten die Gelben aus, schossen 18 Tore.

Unmittelbar nach dem Pausenplausch deutete dann vieles auf ein dickes badisches Ausrufezeichen im hohen Norden hin: 21:18 (35.) für die Löwen, gegen die Flensburger stand es da. Ehe man sich wieder selbst auf die Verliererstraße brachte. Es folgte eine doppelte Unterzahl, die völlig unnötig war. „Zwei Minuten okay, aber nicht wegen Meckerns. Durch solche Aktionen haben wir den Faden verloren“, grantelte Gudmundsson ohne Namen zu nennen. Nachvollziehbar war sein Ärger. Insbesondere dann, wenn man die Statistik zum Nord-Süd- Knaller mal ein wenig genau studierte. Satte 18 Strafminuten – in den Schluss- Sekunden holte sich Oliver Roggisch zudem noch die Rote Karte ab – kassierten die Löwen. Der Ex-Meister dagegen nur acht. Doch waren die Zwangspausen auch berechtigt? Manche ja, einige nicht. Aber wie heißt es doch so schön: Foul ist, wenn der Schiedsrichter pfeift. Dumm nur, dass die Herren in schwarz bei den Löwen aktuell besonders gerne zu pfeifen scheinen. Das war gegen Hamburg so und nun auch in Flensburg. Und warum beschweren sich die Löwen dann nicht mal? Weil sie es nicht dürfen! Handball- Schiedsrichter bewegen sich mittlerweile nämlich in einer kritikfreien Zone, stehen unter Artenschutz: Erst 48 Stunden nach der Schluss-Sirene dürfen sich Verantwortliche und Trainer zu Wort melden, Kritik üben. Verrückte Zeiten sind das…

Zu Erfreulicherem: Patrick Groetzki, der schon gegen Hamburg ein Kurz- Comeback gegeben hatte, meldete sich endgültig zurück. Der Rechtsaußen legte einen begeisternden Auftritt hin: Neun Versuche, acht Tore. Da verdient man sich ein Sonderlob. Gudmundsson: „Patrick war nicht nur stark, er war überragend!“

Thorsten Storm ist das nicht entgangen. Der Manager hatte den perfekten Blick. Eingepackt in einen dicken Schal lehnte der Löwen-Macher an einem Geländer, verfolgte jeden Wurf, jeden Pass. Am Ende war er enttäuscht. Sein Fazit: „Hätten wir uns auch nach der 40. Minute noch an den Plan gehalten, wäre mehr drin gewesen. In der Crunchtime haben wir zu viele individuelle Fehler gemacht.“ Und weiter: „In den entscheidenden Phasen fallen wir leider in alte Fehler zurück. Das müssen wir ändern.“

Genau wie die Ausrichtung in der Defensive. Gegen Hüttenberg (Mittwoch, 20.15 Uhr, SAP Arena) muss Gudmundsson wohl auf Abwehr-Fels Roggisch verzichten. Der lange Blonde soll Flensburgs Kreismann Michael Knudsen kurz vor Schluss niedergeschlagen haben. „Gesehen habe ich das nicht“, grübelte Gudmundsson, „nun ist es jedoch so entschieden worden und wird sicher Konsequenzen haben.“

Für Irritationen sorgte zuletzt auch eine Meldung aus der Bildzeitung Hamburg. Dort hieß es, dass Krzysztof Lijewski vor einer Rückkehr zum HSV stehen würde. Der Grund: den Löwen fehle das Geld. Storm dazu: „Die Hamburger haben uns gefragt, ob die Möglichkeit besteht, Lijewski zurückzuholen. Wir haben jedoch einen langfristigen Vertrag mit ihm und langfristige Finanzierungsverträge mit Jesper Nielsen. Ohne Nielsen wäre er gar nicht bei uns, weil unser Budget das nicht hergibt. Alles Weitere ist Spekulation.“

Von Daniel Hund