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Aus dem Schatten zurück ins Rampenlicht

Mannheim. Sein Platz war noch nicht einmal die Bank. Grzegorz Tkaczyk musste auf einem Stuhl sitzen, ohne Trikot – und ohne Aussicht auf einen Einsatz. Bei den Rhein-Neckar Löwen, die heute (19 Uhr/SAP Arena) im Achtelfinal-Rückspiel der Champions League auf Croatia Zagreb treffen, stand der Handballer auf dem Abstellgleis. Er wurde nicht mehr gebraucht, weil beim Bundesligisten die Verletzten in den Kader zurückkehrten – und er den Klub am Saisonende sowieso verlässt. „Es ist doch klar, dass unser Trainer Gudmundur Gudmundsson eher auf die Leute setzt, die im kommenden Jahr noch bei uns sind“, sagte Manager Thorsten Storm im Februar.

Doch die Zeiten haben sich geändert. Und zwar gewaltig. Tkaczyk ist wieder eine feste Größe bei den Löwen, seine Treffer sind unverzichtbar geworden. Der 30-Jährige nutzte seine Chance, als er vor vier Wochen seine Mannschaft in der Champions League mit blitzsauberen sechs Toren und starker Leistung fast im Alleingang zum 29:27-Sieg über seinen zukünftigen Arbeitgeber Vive Kielce führte.

Der Pole war damals Gudmundssons letzter Joker, nachdem Zarko Sesum und Karol Bielecki auf der halblinken Position nichts gelungen war. „Diese Leistung hat mich glücklich gemacht, auch wenn es gegen meinen neuen Klub ging, vor dem ich großen Respekt habe. Aber ich bin Profi und werde bis zum Schluss alles für die Löwen geben“, sagt Tkaczyk, der im Saisonendspurt immer wichtiger für die Badener wird. Zuletzt avancierte er von einer Rand- zu einer Hauptfigur, der gebürtige Warschauer kehrte aus dem Schatten zurück ins Rampenlicht. Gudmundsson weiß, was er am Rechtshänder hat. „Grzegorz präsentiert sich sehr gut“, lobt der Isländer, dem nach der Rückkehr aller Verletzten 17 Spieler zur Verfügung stehen: „Diesen großen Kader müssen wir zu unserem Vorteil nutzen.“

„Jeder will spielen“

Allerdings wird es immer wieder unzufriedene Profis geben, wenn sie nur zuschauen dürfen. Auch Tkaczyk konnte sich mit dem Reservistendasein nicht anfreunden. „Jeder will spielen. Mir hat es wehgetan, dass ich nur auf der Tribüne saß, weil ich den Klub verlasse“, gesteht der Pole, „aber glücklicherweise hat sich meine persönliche Situation um 180 Grad gedreht.“

Auch heute wird er wohl wieder auf der Platte stehen – und zwar von Beginn an. Denn beim 31:28-Hinspielsieg in Zagreb zeigte der Mann mit der Nummer 6 auf dem Trikot eine überzeugende Leistung. „Wir haben alle gut gespielt“, will sich der 94-Kilo-Mann nicht in den Vordergrund drängen, „aber wir sind noch lange nicht in der nächsten Runde. Zagreb wird alles tun, um das Ding umzubiegen.“

Tkaczyk will mit den Badenern ins Viertelfinale vorstoßen – und dann den letzten Schritt zum Final Four in der Kölner Lanxess-Arena machen. „Da möchte jeder Handballer hin, das ist wie ein WM-Finale“, sagt der Pole, der ausgerechnet in der Rheinmetropole 2007 das Endspiel der Weltmeisterschaft gegen Deutschland verlor.

Doch das ist vergessen, der Rockmusik-Liebhaber schaut nach vorn – und will sich nach zwei Final-Niederlagen mit den Löwen (2008 Europapokal/ 2010 DHB-Pokal) unbedingt mit einem Titel verabschieden. „Das ist mein größter Traum“, meint der Rückraumspieler, der den Klub nicht im Bösen verlässt: „Meine Frau und ich waren uns einig: Nach neun Jahren in Deutschland ist die Zeit gekommen, zurück nach Hause zu gehen.“

Von Marc Stevermüer

 31.03.2011