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Bauchlandung mit Langzeitwirkung (MM)

Die 23:24-Niederlage beim Bergischen HC ist für die Rhein-Neckar Löwen nicht so schnell gutzumachen / Roggisch vermisst Kampfgeist

WUPPERTAL. Was sollten sie mit so viel Platz und einem Mann mehr auf dem Feld bloß machen? Die hilflosen Rhein-Neckar Löwen wussten es nicht, hatten keinen Plan, keine Struktur und erst recht keine Idee. Also wurde der Ball riskant ins Aus oder zum Gegner gepasst – zwischendurch streute der Vize-Meister auch immer mal wieder einen unvorbereiteten und vor allem ungefährlichen Wurf aus dem Rückraum ein. Dass der Ball einmal schnell zirkulierte und ein Außenspieler freigespielt wurde, kam eher selten vor. Der Ertrag war in diesem Fall allerdings genauso gering. Patrick Groetzki scheiterte an Mario Huhnstock, dem Keeper des Bergischen HC. Uwe Gensheimer sprang bei seinem Versuch im Kreis ab. Keine Frage: Was die Löwen beim Abstiegskandidaten boten, war enttäuschend. Und so ging die unerwartete 23:24 (11:9)-Niederlage vollkommen in Ordnung.

„Wir haben das Spiel in der Überzahl verloren, zu wenig Tore gemacht und dazu noch relativ viele Treffer kassiert“, fasste ein frustrierter Andy Schmid die spielerische Magerkost der Löwen zusammen: „Diese Niederlage ist eine Katastrophe.“ Acht Zeitstrafen kassierte der BHC, der favorisierte Champions-League-Teilnehmer hingegen nur vier. Konkret bedeutet das: Mehr als ein Viertel des Spiels waren die Löwen ein Mann mehr auf dem Feld, doch addiert kam in 16 Minuten Überzahl ein 5:5 heraus. Das ist nicht nur enttäuschend, sondern indiskutabel. Allerdings ist das Problem nicht neu. Schon unter Ex-Trainer Gudmundur Gudmundsson gehörte das Überzahl-Spiel zu den wenigen Schwächen des badischen Ensembles.

In Wuppertal fiel das umso schwerer ins Gewicht, da die Löwen auch aus dem Positionsangriff fast keine Torgefahr entwickelten. Ein Phänomen, das schon in den vorherigen fünf Begegnungen zu beobachten war. Oft waren es der Gegenstoß, Einzelaktionen und die Achse Andy Schmid/Bjarte Myrhol, aus denen die Tore resultierten. „Bis jetzt lief nicht alles rund. Aber es gibt wohl kaum eine Mannschaft, die das von sich in dieser frühen Saisonphase behaupten kann“, sagte Trainer Nikolaj Jacobsen. Er weiß: Die Leistungsschwankungen bei seiner Mannschaft sind noch extrem, nur ein einziges Mal überzeugte sein Team über 60 Minuten – gegen den HC Erlangen.

Serie gerissen

Doch das sieglose Tabellenschlusslicht darf kein Maßstab für die ambitionierten Löwen sein, von denen – trotz des Trainerwechsels – durchaus erwartet werden durfte, mit 12:0 Punkten zu starten. Doch ausgerechnet beim Bergischen HC endete die Erfolgsserie, nach 22 Liga-Siegen in Serie wurden die Badener zum ersten Mal 2014 bezwungen. Noch ärgerlicher macht die Niederlage, dass der Titelrivale THW Kiel mit seinen vier Minuspunkten nun wieder Tuchfühlung zu den Löwen hat. „Wenn man weiß, wie eng die Meisterschaft in der vergangenen Saison war, ist dieses Ergebnis umso bitterer. Das ist auf lange Sicht gesehen ein herber Rückschlag“, wusste Kapitän Uwe Gensheimer, dass diese Niederlage nicht schnell gutzumachen ist. Genauso sah es Kim Ekdahl du Rietz: „In solch einem Spiel kann die Meisterschaft entschieden werden.“

Trotz durchgehend schwacher Leistung sah es zur Pause sogar noch gut für den Vize-Meister aus, der beim Seitenwechsel 11:9 führte. „Für den Rotz, den wir zusammengespielt haben, war das Ergebnis in Ordnung“, meinte Schmid, während Jacobsen den Vorsprung zum Seitenwechsel als „Wunder“ bezeichnete. Doch das Polster war schnell aufgebraucht, weil die Löwen einfach nie ins Spiel fanden. „So etwas habe ich nicht erwartet“, wirkte Jacobsen gleichermaßen fassungs- und ratlos. Der Trainer vermisste die richtige Einstellung, offensichtlicher waren allerdings die gravierenden spielerischen Mängel. Kopf- und ideenlos sei der Auftritt im Angriff gewesen, monierte Teammanager Oliver Roggisch.

Das gab es in der Vergangenheit zwar auch ab und zu, doch dann entschieden die Löwen diese Partien gegen Gegner der Kragenweite BHC meistens über Kampf, Kondition und Kraft für sich. Doch auch im athletischen Bereich hatte der Abstiegskandidat die größeren Reserven. „Der Gegner war kämpferisch besser als wir. Darüber müssen wir uns Gedanken machen“, akzeptierte Roggisch zwar die Probleme in der Offensive – aber nicht die fehlende Leidenschaft, die zu einem unnötigen Rückschlag führte: „Ich dachte, wir sind weiter.“

Von Marc Stevermüer