Veröffentlichung:

Bei den Löwen saß der Schock tief (RNZ)

Hamburg. Nikola Manojlovic hatte auf der Bank sitzend sein Gesicht längst in einem Handtuch vergraben. Uwe Gensheimer, ebenfalls ausgewechselt, starrte ins Nichts. Zwanzig Meter daneben hüpfte Martin Schwalb, Trainer des HSV Hamburg, wie ein Gummiball vor der Bank umher. Als das Topspiel der Handball-Bundesliga zwischen den Hamburgern und den Rhein-Neckar Löwen noch lief, machten die Bilder der Protagonisten deutlich, wer die Oberhand gewonnen hatte. Mit 38:25 (19:13) überrollte der HSV die Badener und drängte die dadurch auf den fünften Platz der Tabelle ab. Mögliche Titelambitionen haben sich für die Löwen damit erst einmal erledigt.

„Das tut den Jungs richtig weh“, sagte Manager Thorsten Storm in den Katakomben der Arena, als die 60 zum Schluss qualvoll langen Minuten vorüber waren, während die Kabinentür der Gastmannschaft zunächst verschlossen blieb. Es dauerte noch ein paar Minuten, ehe sich zumindest ein paar Spieler gesammelt hatten. „Bei uns ist es total still, aber jetzt hat auch niemand was zu sagen“, gab Kim Ekdahl du Rietz einen kleinen Einblick ins Innenleben der Löwencracks. Der Schock saß tief, nicht nur bei dem Mann aus dem linken Rückraum. Aus dem Gipfel der Glückseligkeit waren sie ins Tal der Tränen gestürzt – ungebremst.

Mit breiter Brust und sichtlich guter Laune waren die Löwen ins Spitzenspiel beim HSV gestartet. Trotz hohem Kräfteverschleiß beim 32:30-Husarenstreich beim THW Kiel nur drei Tage zuvor im DHB-Pokal, sollte die Psyche den Ausschlag für die Löwen geben, doch schon nach knapp vier Minuten deutete sich an, dass es anders laufen würde. Die Hamburger – gefühlt mit dem Messer zwischen den Zähnen auf dem Parkett – überrollten die Löwen ganz einfach. 4:1 hieß es nach dem Blitzstart.

Eine Chance bekam das Team von Gudmundur Gudmundsson aber doch noch, denn aus einem 7:13 machte es bis zur 22. Minute ein 11:13. In dieser Phase wackelte der ansonsten bärenstarke HSV, doch weil die Löwen danach in der Offensive hanebüchene Fehler machten, stürmten die Hamburger bis zur Pause noch auf 19:13 davon. Zwei vergebene Siebenmeter schon vor der Pause standen sinnbildlich für die vergebene Möglichkeit der Badener in Hamburg. Und nachdem der HSV kurz nach dem Seitenwechsel auf 22:14 davongezogen war, fielen die Badener eine Zeit lang komplett in sich zusammen.

Es wunderte nicht, dass sich die Müdigkeit just in der Phase bei den Löwenspielern meldete, als die Niederlage unabwendbar war. Der Akku bei jedem einzelnen mit einem gelben Trikot über den Schultern war leer. „Wir waren immer einen Schritt langsamer als die Hamburger“, hatte Ekdahl du Rietz festgestellt. Und weil das so war, kehrte sich der normale Spielverlauf bei einem Match der Löwen einfach um. Diesmal waren es die Badener, die an der HSV-Abwehr abprallten und so in einen Gegenstoß nach dem anderen liefen. Zwischenzeitlich musste man eine noch deutlichere Niederlage fürchten.

Wehrlos ergaben sich die Gudmundsson-Schützlinge trotzdem nicht, auch wenn das Endergebnis etwas anderes vermuten lässt. Es war nur einfach so, dass „alle neben sich standen“, wie es Spielmacher Andy Schmid umschrieb. Alles, was beim Pokalsieg in Kiel am Mittwoch funktionierte, ging schief. „Heute sind wir in einen riesengroßen Hammer gelaufen“, sagte Schmid und dieses Bild gab die Situation auf dem Parkett treffend wieder.

Immerhin verhindert der eng gestrickte Spielplan, dass die Löwen in ein allzu großes seelisches Tief fallen können. Schon am Mittwoch (20.15 Uhr) geht es mit dem Heimspiel gegen den HBW Balingen-Weilstetten weiter. Eine gute Gelegenheit, sich den Frust aus den Gliedern zu spielen.

HSV Hamburg: Pfahl 3, Duvnjak 8, Hens 4, Lindberg 8/5, Jansen 2, Toft Hansen 4, Flohr 1, Lackovic 4, Canellas 3, , Dominikovic 1

Rhein-Neckar Löwen: Petersson 1, Schmid 1, Ekdahl du Rietz 2, Groetzki 4, Gensheimer 3/2, Myrhol 8, Manojlovic 1, Sigurmansson 1, Gorbok 1, Gedeon Guardiola 3

Stenogramm: 4:1 (4.), 9:6 (10.), 13:7 (14.), 13:11 (22.), 19:13 (Hz.), 22:14 (34.), 25:15 (39.), 28:16 (42.), 32:19 (47.), 34:25 (55.), 38:25 (Endstand).

Zuschauer: 10 251 

Von Michael Wilkening