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Bescheiden und ein bisschen frech (MM)

Die Rhein-Neckar Löwen setzen vermehrt auf die Jugend. Das ist die Chance für Kevin Bitz und Marius Steinhauser – die beiden Toptalente wollen in der Handball-Bundesliga Fuß fassen.

Der eine kommt aus St. Leon. Der andere aus Rot. Da drängt sich zwangsläufig die Frage nach der Rivalität auf. Doch Kevin Bitz und Marius Steinhauser lassen gar keine Irritationen aufkommen, ihre Freundschaft hält. Wer etwas anderes hören will, der wird enttäuscht. „Da gibt es keine Probleme“, versichert Steinhauser und lacht: „Wir verstehen uns gut.“ Wirklich? Offensichtlich ja! „Wir sind drei Jahre zusammen zu Schule gegangen“, berichtet Bitz. Die gemeinsame Zeit im Klassenzimmer am Johann-Philipp-Bronner-Wirtschaftsgymnasium in Wiesloch hat die beiden Handballer zusammengeschweißt – und jetzt spielen sie in einer Mannschaft. Das Duo lebt seinen Traum, treibt Hand in Hand die Karriere voran. Beim Bundesligisten Rhein-Neckar Löwen wollen die beiden 19-jährigen Abiturienten Fuß fassen.

Bitz stand bereits in der vergangenen Saison ein paar Mal bei den Profis auf der Platte und hinterließ einen nachhaltigen Eindruck. 2006 wechselte er von der SG St. Leon zur Nachwuchsabteilung der Löwen. Der Rückraumspieler kennt den Klub, kennt die Abläufe, kennt den Großteil seiner Mitspieler. Für Steinhauser ist hingegen alles neu. Plötzlich fährt der Rechtsaußen aus Rot mit Nationalspieler Oliver Roggisch in einem Auto, sitzt mit Löwen-Legende Uwe Gensheimer in einer Kabine, wirft sich mit einem prominenten Weltklasse-Profi wie Bjarte Myrhol locker im Training die Bälle zu. Er saugt alles auf, was die Stars ihm sagen. „Ich kannte die Jungs nur aus dem Fernsehen, jetzt spiele ich mit denen in einer Mannschaft. Jeder Tag ist ein Erlebnis, das finde ich richtig cool“, kann der Linkshänder seine Euphorie kaum in Worte fassen. Seine Begeisterung ist spürbar.

Da lassen sich die Anstrengungen der vergangenen Wochen gut verkraften. Die Saisonvorbereitung ist hart, sehr hart sogar. „Wir sind alle müde“, gibt Bitz unumwunden zu. Im Sommer 2011 bereitete er sich noch mit der der SG Kronau/Östringen auf die BW-Oberliga-Runde vor, jetzt beißt sich der 1,89-Meter-Mann bei den Profis durch. „Vor einem Jahr bestand die Saisonvorbereitung aus drei bis vier Einheiten in der Woche, jetzt sind es zwölf“, zieht Bitz einen Vergleich und atmet kräftig durch: „Wir laufen wirklich sehr viel.“

Er sagt das allerdings ohne ein Wort des Klagens, denn der Rückraummann weiß, dass nur harte Arbeit zum Erfolg führt. Der 19-Jährige steckt die Strapazen gut weg, auch Steinhauser ist nicht kleinzukriegen – im Gegenteil. „Ich laufe mit Bjarte Myrhol vorneweg und fühle mich richtig gut“, unterstreicht der Neuzugang seine einwandfreie Fitness und verrät sein Erfolgsrezept: „Bevor ich bei den Löwen eingestiegen bin, hatte ich schon drei Wochen mit der zweiten Mannschaft trainiert. Das hilft mir jetzt natürlich.“

Hinter dem Torjäger vom rechten Flügel liegt eine rasante Entwicklung. Erst 2011 war Steinhauser vom Landesligisten TSV Rot zur HG Oftersheim/Schwetzingen gewechselt. Bei der HG spielte er sowohl bei den Oberliga-Herren als auch in der A-Jugend-Bundesliga, in der er sogar Torschützenkönig wurde. Jetzt kommt bei den Löwen der nächste große Karriere-Sprung. Wird ihm da schwindelig? Oder bekommt er sogar ein wenig Angst? „Nein“, sagt Steinhauser: „Angst habe ich keine. Ich weiß allerdings, dass der Sprung recht groß ist. Bis vor wenigen Monaten habe ich es überhaupt nicht für möglich gehalten, in der Bundesliga einen Klub zu finden.“

Doch nun ist er da – und der Linkshänder geht die Sache bei aller Bescheidenheit auch mit Selbstbewusstsein an. Beim ersten Testspiel in Osthofen schnappte er sich frech den Ball beim Siebenmeter und warf den Ball cool ins Tor, nach der Partie musste der Youngster Autogramme schreiben – ein völlig neues Gefühl für den 19-Jährigen, der über beide Ohren strahlt: „Gänsehaut, einfach nur Gänsehaut.“ Für die nächsten Monate setzt er sich kleine Ziele. „Ich möchte alles annehmen, was mir gesagt wird. Zwischen Patrick Groetzki und mir gibt es keinen Konkurrenzkampf. Er ist die Nummer eins, von der ich richtig viel lernen kann. Natürlich hoffe ich, dass ich ab und zu zum Einsatz komme. Ich habe jedoch kein Problem damit, mir meine Spielpraxis bei der zweiten Mannschaft zu holen.“

Auch sein Kumpel Bitz hält nichts von flotten Sprüchen oder forschen Kampfansagen. „Ich möchte meine athletischen Grundlagen verbessern, mir einen Platz im Team erarbeiten und regelmäßig spielen“, umreißt der Rechtshänder seine Vorstellungen. Er fühlt sich rundum wohl im Löwen-Rudel, freut sich über die Tipps seiner routinierten Kollegen. Insbesondere Zarko Sesum und Andy Schmid kümmern sich um den Mittelmann. „Von beiden lerne ich unheimlich viel, gerade mit Blick auf das Wurfrepertoire. Wir jungen Spieler spüren zudem alle das Vertrauen von Trainer Gudmundur Gudmundsson“, sagt Bitz, dessen Vorbild der ehemalige Löwen-Spielmacher und 2010 an Krebs gestorbene Oleg Velyky ist: „Seine Spielweise, seine Würfe, sein Antritt – das hat mich begeistert.“

Mit dem Handballvirus infiziert ist er indes schon deutlich länger – was an seinen Eltern liegt. Papa Gerhard war für Leutershausen, Kronau und Östringen am Ball, Mama Ulrike ging für den TSV Malsch auf Torejagd. Da führte für Sohnemann Kevin kein Weg an der Harzkugel vorbei. Steinhauser stammt ebenso aus einer Handball-Familie: „Nur mein Papa kommt vom Fußball.“

Bis 2007 ging der Torjäger dem Lieblingssport des Vaters nach, doch dann setzte ein Sinneswandel ein. „Mein Onkel Bernd war früher für die SG Leutershausen aktiv und meinte, dass ich als Linkshänder Handball spielen solle.“ Er befolgte den Rat, hing die Fußballschuhe an den Nagel, legte innerhalb von fünf Jahren eine nicht für möglichgehaltene Karriere hin – und lernte auch noch einen Kumpel aus St. Leon kennen.

Von Marc Stevermüer