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Bielecki und der Fluch von Kielce
Kielce. Die polnischen Fans feierten ihn. Sie riefen Karol Bieleckis Namen und hielten vor der Partie ein riesiges Banner mit dem Gesicht ihres Idols in die Höhe. Der Rückraumspieler der Rhein-Neckar Löwen ist in seiner Heimat ein Held. Er wird verehrt, erst recht nach seinem sensationellen Comeback auf der großen Handball-Bühne.
Vor knapp vier Monaten verlor der Rechtshänder in einem Länderspiel in Kielce gegen Kroatien bei einem unglücklichen Zweikampf mit seinem Gegner Josip Valcic sein linkes Augenlicht. Gestern kam Bielecki mit den Löwen zurück an den Unglücksort – und erneut hat der Rotschopf die Rückreise nach Deutschland nicht mit allerbesten Erinnerungen angetreten. Irgendwie scheint für ihn ein Fluch über der Hala Legionow zu liegen.
Immerhin holte der Bundesligist beim 23:23 (12:12)-Remis einen Punkt in der Champions League, fast wären die Badener sogar leer ausgegangen. Vier Sekunden vor Schluss parierte Henning Fritz einen Siebenmeter von Rastko Stojkovic, nachdem Bielecki zuvor den enteilten Vitaliy Nat unsanft gestoppt und die Rote Karte bekommen hatte. Einen Vorwurf durfte dem 28-jährigen Löwen für das Foul nicht gemacht werden. Ihn traf keine Schuld, versuchte er nach einem Fehlpass von Børge Lund doch nur noch das 23:24 zu vermeiden, was ihm über den Umweg Fritz dann auch gelang.
„Ich musste etwas machen und mir blieb nur dieses Foulspiel. Hennings Parade beim Siebenmeter war sensationell, ich muss mich bei ihm bedanken“, meinte der Unglücksrabe, der fünf Tore erzielte und ein Lob von Trainer Gudmundur Gudmundsson einheimste: „Das war zum Schluss eine sehr gute Abwehraktion von ihm. Es mag zwar regelkonform sein, dass er dafür eine Rote Karte bekommt und es einen Siebenmeter gibt. Aber ich verstehe diese Regel nicht. Meiner Meinung nach hätten eine Zwei-Minuten-Strafe und ein Freiwurf gereicht.“
180 Sekunden vor dem Abpfiff führten die Gelbhemden noch mit 23:21. Doch KS Vive Kielce kam in Überzahl noch einmal zurück, nachdem Löwe Grzegorz Tkaczyk für eine Attacke gegen seinen ehemaligen Teamkollegen Mariusz Jurasik ebenfalls die Rote Karte (58.) gesehen hatte. „Natürlich müssen wir am Ende über das Unentschieden glücklich sein. Aber eigentlich haben wir einen Punkt verschenkt“, meinte Bielecki und gewährte einen Blick in sein Gefühlsleben: „Im Vorfeld hat die Rückkehr in die Hala Legionow in meinen Gedanken überhaupt keine große Rolle gespielt. Ich wollte einfach gewinnen. Im Nachhinein muss ich aber sagen: Es war ein besonderes Erlebnis, hier aufzulaufen.“
Mit dem Spiel in Kielce hat sich für den 28-Jährigen endgültig der Kreis geschlossen, und immerhin endete die Reise zurück zum Unglücksort mit einem Teilerfolg – trotz einer eher durchwachsenen Löwen-Leistung. „Ein schlechteres Spiel habe ich in diesem Jahr noch nicht gesehen. Beide Teams haben unglaublich viele Fehler gemacht. Wir müssen zufrieden sein mit diesem Punkt“, überwog beim Aufsichtsratsvorsitzenden Jesper Nielsen dann auch eher die Freude.
Die polnischen Fans hingegen waren enttäuscht, weil die große Chance zum Sieg ausgelassen wurde. Löwe Henning Fritz war der Spielverderber – und auch ein wenig Karol Bielecki.
Von Marc Stevermüer
18.10.2010