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„Das ist die alte Jugo-Schule“

Mannheim. Es ist spät, doch im Business Club der SAP Arena tummeln sich auch nach 23 Uhr noch viele Gäste. Sie amüsieren sich, plaudern ausgelassen, sind glücklich. Verantwortlich dafür: die Rhein-Neckar Löwen. Der Handball-Bundesligist hatte zuvor den SC Magdeburg deutlich mit 38:30 besiegt und dabei nicht nur gewonnen, sondern endlich auch einmal überzeugend gespielt. Die Gelbhemden zeigten eine starke Mannschaftsleistung, aus der aber doch ein Mann herausragte: Zarko Sesum.

Der Serbe wird diesen Abend noch lange in besonderer Erinnerung behalten. Denn der 15. Februar ist der Tag, an dem der Neuzugang endgültig bei den Löwen angekommen ist. Neun Treffer erzielt der Rechtshänder gegen den SCM, ihm gelingt ein perfektes Spiel. Sesum wirft, wenn er werfen muss. Und er passt genau, wenn der Nebenmann besser postiert ist. Dazu steht der 24-Jährige auch in der Abwehr seinen Mann. Keine Frage: In dieser Verfassung verstärkt der im Oktober gekommene Halblinke die Löwen.

Beifall im Business Club

Schon während der Partie rufen die Fans seinen Namen. Und als Sesum über eine Stunde nach Spielschluss im Business Club auftaucht, kommt leiser Beifall auf, was dem 1,95-Meter-Mann fast peinlich ist. Er schaut ein bisschen verlegen drein, gibt aber später zu, sich wahnsinnig gefreut zu haben. „Ich bin unheimlich glücklich“, gesteht der Rückraumspieler in gutem Deutsch. Wie schon der Kroate Ivan Cupic, der im vergangenen Sommer ein Löwe wurde, beherrscht der Serbe bereits die Sprache seiner neuen Heimat. „Das ist die alte Jugo-Schule. Wir lernen sehr schnell“, scherzt Sesum.

Ihm fällt es nicht schwer, Witze zu machen. Erst recht nach solch einer Leistung. „Das gibt mir Sicherheit für die nächsten Wochen“, meint die Nummer 5 der Löwen: „Ich will meiner Mannschaft helfen. Es war wichtig, dass wir uns nach dem schlechten Spiel gegen Wetzlar alle besser präsentiert haben.“ Zumal die nächste Aufgabe eine echte Herausforderung wird. In der Champions League geht es am Sonntag (15.30 Uhr) in der fast ausverkauften SAP Arena gegen den ruhmreichen FC Barcelona. „Wir treffen auf eine der stärksten Mannschaften der Welt“, sagt der Serbe, der in seinen ersten Monaten nur wenig zum Zug gekommen und dann meistens auch nur im für ihn etwas ungewohnten rechten Rückraum eingesetzt worden war.

Zuletzt durfte er seine Qualitäten aber auf der ihm vertrauten halblinken Königsposition zeigen. „Da fühle ich mich wohler. Aber wenn es nötig ist, spiele ich auf der anderen Seite. Der Trainer hat das letzte Wort“, will Sesum überhaupt keine Ansprüche stellen. Er ist froh, nach der auch für ihn enttäuschenden Weltmeisterschaft im Klub gleich seinen Rhythmus gefunden zu haben. „Die WM verlief nicht nach Wunsch“, meinte der 24-Jährige, „aber ich schaue nicht zurück.“

Diesen Satz sagen viele Sportler, doch keinem nimmt man ihn so sehr ab wie Sesum, der gelernt hat, die Vergangenheit ruhen zu lassen. Vor rund zwei Jahren wurden er und seine damaligen Mannschaftskameraden vom ungarischen Topverein MKB Veszprém in einer Bar grundlos von einer wilden Horde Männer angegriffen. Sein Klubkollege Marian Cozma starb durch Messerstiche, Sesum erlitt nach Tritten gegen seinen Kopf eine Schädelfraktur: „Ich hatte Glück, aber ein Freund von mir wurde aus dem Leben gerissen. Das werde ich nie vergessen. Trotzdem geht das Leben weiter. Ich muss nach vorne schauen, was mir ganz gut gelingt.“ Dazu beigetragen hat sicherlich auch das Spiel gegen Magdeburg. Sesum hat zwar einen Kumpel verloren – aber neuen Mut gefunden.

Von Marc Stevermüer

 18.02.2011