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„Den Deckel draufmachen“ (RNZ)

Heidelberg. Sonntag, kurz nach 13 Uhr. Die Familie sitzt zusammen, isst, unterhält sich. So läuft es in der Regel. Aber eben nicht überall: Im Hause Gudmundsson zum Beispiel. Dort saß das Familien-Oberhaupt gestern mal wieder am Laptop. Arbeiten war angesagt, analysieren, volle Konzentration auf den TV Neuhausen.

Gudmundur Gudmundsson, 53, der Trainer der Rhein-Neckar Löwen, war in seinem Element, machte das, was er am besten kann. Sein Fazit: „Die können auch Handball spielen und zwar richtig gut.“ Auch, weil man das so eigentlich nicht unbedingt erwartet. Der Turnverein ist im Keller zu Hause. Ein Abstiegskandidat, nur Vorletzter derzeit. Gute Leistungen haben sie aber trotzdem schon gezeigt. Unter anderem gegen Flensburg und Lemgo.

Am Dienstag sollen nun auch die Löwen in Bedrängnis gebracht werden. Ab 20.15 Uhr (live auf Sport1) gastieren die Gelben in Neuhausen. Unbequemer Gegner hin oder her – die Löwen reisen selbstbewusst an. Wollen siegen, egal wie. Dann stünde für den frisch gebackenen EHF-Cup-Sieger nämlich sofort die nächste Feier an: Platz drei und damit die direkte Champions-League-Qualifikation hätte man schon am vorletzten Spieltag gesichert. „Das wäre natürlich eine Super-Sache“, erklärt Manager Thorsten Storm: „Wir werden deshalb alles daran setzen, vorzeitig den Deckel draufzumachen.“

Was noch einen anderen Vorteil hätte: Im letzten Heimspiel gegen die HBW Balingen-Weilstetten (8. Juni), die extrem unbequem zu spielen ist, hätten Patrick Groetzki und Co. keinen Druck mehr, könnten befreit aufspielen. Denn von hinten droht Gefahr. Die Berliner Füchse, die aktuell drei Punkte hinter den Löwen liegen, lauern, hoffen auf Ausrutscher der Gudmi-Sieben, um auf der Zielgeraden noch vorbeiziehen zu können. Für die Besten aus dem Südwesten wäre es ein Horror-Szenario.

Wie auch immer, personell gehen die Löwen auf dem Zahnfleisch. Zarko Sesum, das Rückraum-Ass, ist das neuste Opfer. Und auch Uwe Gensheimer wird im Endspurt wohl eher in die Rolle des „Edeljokers“ schlüpfen. Gudmi: „Uwe werden wir nach seiner schweren Verletzung weiter schonen. Ich werde das entsprechend dosieren.“

Entspannt hört er sich dabei an. Sobald die neue Saison in den Fokus rückt, ändert sich das jedoch schlagartig. Dann wird er nachdenklich, der kleine Isländer mit dem großen Handball-Sachverstand. Die Aussichten sind nämlich alles andere als rosig: Die Löwen haben ein Rückraum-Problem. Sesum wird noch auf unbestimmte Zeit fehlen und Alexander Petersson muss möglicherweise unters Messer: Die Schulter, immer wieder die Schulter. „Noch ist da zwar nichts entschieden“, grübelt Gudmundsson, „aber eine Operation ist nicht unwahrscheinlich.“

Fakt ist: Als Königsklassen-Teilnehmer muss der Kader vergrößert werden. So oder so, unabhängig von Sesum und Petersson. Gudmundsson sieht es ähnlich. Er sagt: „Wir sind schon die ganze Saison zu dünn besetzt.“ Das Problem: „Der Markt gibt aktuell keine Spieler her.“

Ein heißer Sommer steht bevor.

Von Daniel Hund