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Den Hexenkessel überstanden (RNZ)

Velenje. Es war schon spät, kurz vor 22 Uhr, als Gudmundur Gudmundsson am Samstagabend ein zufriedenes „was für ein Spiel“ in den Nachthimmel über Velenje hauchte. Vier Worte, in denen vor allem eines mitschwang: Erleichterung. Der Trainer der Rhein-Neckar Löwen war happy, schmunzelte über einen 27:25 (14:13)-Sieg im Viertelfinal-Hinspiel des EHF-Cups über Gorenje Velenje: „Ich muss meinen Spielern ein Kompliment machen. Jeder hat gekämpft bis zum Umfallen, das war eine große Leistung.“

Sprach’ s und war plötzlich wie ausgewechselt: Ganz und gar nicht mehr euphorisch, eher nachdenklich, ja fast schon ein wenig ängstlich. Schuld am Gefühlschaos war Velenje. Ein Gegner, der den Gelben alles abverlangte, sich Respekt erarbeitete. Durch Können und noch mehr Kampf. Gudmi, der Nachdenkliche: „Dieses Viertelfinale ist noch lange nicht entschieden. Was sind im Handball schon zwei Tore? Nichts!“

Doch bei all der Vorsicht, das Schlimmste scheint überstanden zu sein: der Hexenkessel „Rdeca dvorana“ ist nämlich Geschichte. Dort, wo Gorenje Velenje in dieser Saison bislang noch kein Spiel verloren hat, wo unter anderem auch die Spanier von Valladolid eine Klatsche mit zehn Toren Differenz kassiert hatten. Und das liegt nicht nur an den Helden vom Spielfeld. „Was hier los war“, pustet Gudmundsson tief durch, „muss man erlebt haben.“ Selbst der Hallensprecher spielte mit. „Ruhig war er nie“, grantelte der Isländer. Unfair noch dazu: Immer, wenn sich die Löwen im Angriff befanden, begann er zu zählen, versuchte die Unparteiischen zu beeinflussen, wollte das Zeitspiel vorzeitig erzwingen. Mit Erfolg: „Der Arm der Schiedsrichter ging ständig hoch, teilweise bereits nach dem ersten Pass. Eigentlich unglaublich.“

Die Badener ließen sich jedoch nicht aus der Ruhe bringen und drückten dem Spiel ihren Stempel auf. Zur Pause stand es 14:13 – nur 14:13. „Normalerweise müssen wir da schon mit drei, vier Treffern führen“, analysiert Gudmundsson, „aber wir haben leider zu viele technische Fehler produziert.“

Nach der Pause wurde es dann hektisch. Velenje biss sich fest, lag in der 47. Minute plötzlich sogar mit zwei Toren vorne (20:22) und hatte zudem noch einen Mann mehr auf der Platte. Doch die Slowenen hatten die Rechnung ohne Goran Stojanovic gemacht. Der Löwen-Keeper hexte sich in einen Rausch, entschärfte etliche „Hundertprozentige“. Eine Gala zwischen den Pfosten, mit der nicht jeder umgehen konnte: Niko Medved zum Beispiel. Der Linksaußen feuerte Stojanovic einen Siebenmeter direkt ins Gesicht (53.). Kein Schlag, auch kein Tritt, aber im Handball eben – je nach Auslegungssache – trotzdem eine Tätlichkeit. Die Schiedsrichter zögerten jedenfalls keine Sekunde, zückten Rot, glatt Rot.

Und Stojanovic? Der machte weiter – und wie er weiter machte. Plötzlich war er nahezu unbezwingbar, ein Superheld mit ganz schnellen Beinen und Armen. Von Gudmundsson gab es dafür ein Sonderlob. Der Trainer: „Goran hat uns in der Schlussphase den Sieg festgehalten.“ Zeit zum Feiern blieb nicht. Der Reisestress verhinderte das: Bereits um 5.30 Uhr ging es am Sonntag per Bus zum Flughafen. Man hatte es eilig, wollte keine Zeit verlieren. Die ist derzeit kostbar: Schon am Dienstag um 20.45 Uhr steigt das Landesderby bei Frisch Auf Göppingen, ehe am Samstag ab 19 Uhr in der Mannheimer MWS Halle das zu Ende gebracht werden soll, was im Hinspiel in Velenje begonnen wurde. Gudmundsson freut sich drauf, hofft zugleich aber auch auf die Unterstützung der Fans: „Wir brauchen eine volle Halle. Der achte Mann kann entscheidend sein.“

Von Daniel Hund