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Der Briefkopf bleibt weiter leer (SOAK)

Die Rhein-Neckar Löwen wollten endlich den ersten Titel. Und nach dem Scheitern in der Qualifikation für die Champions League schien die Chance im EHF-Cup so groß wie nie. Doch nach dem 29:33 im Halbfinal-Rückspiel bei Titelverteidiger Frisch Auf Göppingen steht fest: Der Briefkopf der Löwen bleibt weiter leer. Und sollte in der Liga erneut die Königsklasse verpasst werden, droht der ganz große Frust.

Die Spieler der Rhein-Neckar Löwen waren nicht zu beneiden. Während aus dem Inneren der EWS Arena noch immer die Freudengesänge der Göppinger Fans lautstark zu vernehmen waren, mussten sich die Badener am Freitagabend auf dem Weg zum Bus sogar noch ein paar hämische Kommentare anhören. Nicht jeder der Löwen-Profis wird sie wahrgenommen haben, einzeln und in Gedanken versunken trudelten die Handballer am Mannschaftsbus ein. „Das ist bitter. Aber damit müssen wir nun leben“, verabschiedete sich Kapitän Uwe Gensheimer leise ins gelbe Gefährt. Selbst der Einsatz des Linksaußens trotz schmerzenden Knöchels wurde nicht belohnt. Auch Gensheimer bleibt einer der Unvollendeten im Löwen-Trikot.

Warum sich die Badener vom Titelverteidiger in der Anfangsphase so überrennen ließen, obwohl genau das zu verhindern war, blieb das große Rätsel dieses Halbfinal-Rückspiels. „Wir haben mehrmals darüber gesprochen. Das ist ja das Enttäuschende“, blickte Trainer Gudmundur Gudmundsson ungläubig auf das wohl entscheidende erste Drittel der Partie, in dem Göppingen vor seinen 5100 fanatischen Fans wie ein grün-weißer Hochgeschwindigkeitszug bis zum 13:5 (18.) über die Löwen ratterte. Für Geschäftsführer Thorsten Storm fühlte es sich sogar noch schlimmer an: „Wir haben in 15 Minuten 14 Tore bekommen.“ Damit lag der Manager zwar etwas neben dem Spielprotokoll – aber sein Eindruck war nachvollziehbar, während Frisch-Auf-Coach Velimir Petkovic angesichts dieses Starts schon nach einem fähigen Schreiber suchte: „Das ist unglaublich. Was da in den ersten 20 Minuten geschehen ist, muss in ein Buch.“

Bei der ersten Ursachenforschung kristallisierten sich dann ein paar Details heraus. „Wir waren zu weit auseinander gestanden“, meinte Krzysztof Lijewski. „Wir sind nie in die Zweikämpfe gekommen und haben Tore aus teilweise sieben Metern kassiert“, ergänzte Michael Müller, der im Angriffsspiel immerhin eine der wenigen Konstanten war, angesichts des löchrigen Abwehrverbunds. Sieben Treffer standen beim Linkshänder letztlich zu Buche, während das Duell auf der halblinken Königsposition klar an Göppingen ging. Hier netzte Pavel Horak zehnmal mit Urgewalt ein, während seinem Pendant Karol Bielecki kein einziger Treffer gelang. Auch der Torwart-Vergleich ging wie schon im Hinspiel an die Schwaben. Und überhaupt das Hinspiel: „Wenn wir das mit vier Toren für uns entscheiden, geht das hier ganz anders aus“, trauerte nicht nur Müller den vergebenen Chancen aus dem Hinspiel nach, das die Löwen deutlicher als 33:32 hätten gestalten können.

Was blieb, war das zweischneidige Lob für die kämpferische Einstellung, mit der nach dem fast aussichtslosen Acht-Tore-Rückstand nochmals der 15:16- und 18:19-Anschluss hergestellt wurde (37.). Doch da die Löwen nach dem 19:21 einmal mehr überhastet abschlossen und selbst noch in doppelter Überzahl Tore kassierten, war beim 24:19 die Vorentscheidung gefallen. Die ganze Leidenschaft war damit letztlich umsonst.

Die Löwen konnten Göppingen deshalb nur zum dritten Endspiel-Einzug in Folge gratulieren. „Die bessere Mannschaft hat gewonnen“, brachte es Trainer Gudmundsson auf den Punkt, der nun am Mittwoch (20.15 Uhr) die ganze Konzentration auf das Spiel gegen die Berliner Füchse lenken muss – damit mit Blick auf einen Qualifikationsplatz für die Champions League nicht der nächste Alptraum früher als gefürchtet wahr wird.

Von Thorsten Hof