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„Der erste Titel der Vereinsgeschichte ist historisch“

Thorsten Storm ist seit 2007 Manager bei den Rhein-Neckar Löwen und hat in dieser Zeit bereits einige Aufs und Abs erlebt. Er gilt als akribischer Arbeiter, der nun mit seinem Team den erhofften Erfolg einfuhr: EHF-Cup-Sieger 2013. „Dieser Titel ist wie eine Befreiung“, sagt Storm vor dem letzten Heimspiel der Saison am Samstag (16.30 Uhr) gegen den HBW Balingen-Weilstetten. Die Halle öffnet um 15 Uhr, es gibt noch Tickets an der Tageskasse. Wir sprachen vor dem Duell mit Thorsten Storm.

Thorsten, wie bewertest du die Saison 2012/2013?

THORSTEN STORM: Sie ist einzigartig. Der erste Titel der Vereinsgeschichte ist historisch. Unsere Gesamtsituation mit diesem enormen, ständigen Druck und dem täglichen Überlebenskampf hat unglaublich viel Kraft gekostet.

In Nantes haben die Löwen ihren ersten Titel gewonnen: Wie wichtig war dieser Erfolg für den ganzen Klub?

STORM: Es ist wie gesagt ein historischer Titel. Er wurde erstmalig ausgespielt und es ist der erste in unserer Klubgeschichte. Dieser Erfolg ist wie eine Befreiung und er tut unseren Fans unheimlich gut.

Vor der Saison hast du vom entscheidenden Jahr für die Zukunft der Löwen gesprochen. Die Runde ist fast vorbei, welche Zukunft hat der Klub?

STORM: Das wird sich zeigen. Erstmalig bleibt die Truppe komplett zusammen, aber mit Zarko Sesum und Alexander Petersson werden zwei Eckpfeiler der Mannschaft wegen Verletzungen lange fehlen. Zudem müssen wir schauen, wie sich die Suche nach neuen Investoren gestaltet. Davon wird alles abhängen.

Etwa 8000 Zuschauer strömten im Schnitt in die SAP Arena. Wie wird das neue Gesicht der Löwen in der Metropolregion Rhein-Neckar deiner Meinung nach angenommen?

STORM: Das ist eine tolle Entwicklung. Der sportliche Erfolg und die sehr gute Medienstrategie haben das ermöglicht.

Seit der WM-Pause im Januar verloren die Löwen alle Topspiele und ließen dazu noch den einen oder anderen Punkt liegen. Wie sehr übertünchten die bärenstarke Hinrunde und die Tabellenführung zum Jahreswechsel das wahre Leistungsvermögen der Mannschaft und muss man sich ernsthafte Sorgen mit Blick auf die nächste Saison machen?

STORM: Alexander Petersson hat sich voll in den Dienst der Mannschaft gestellt und hat mit starken Schmerzen durchgehalten. Uwe Gensheimer wurde von Stefan Sigurmannsson gut vertreten. Aber Uwe ist eben nie ganz zu ersetzen. Dazu kamen die Verletzungen von Kim Ekdahl du Rietz, Oliver Roggisch, Goran Stojanovic und Marius Steinhauser. Das war alles viel zu viel für diesen kleinen Kader.

Die Löwen mussten in dieser Saison viele personelle Rückschläge hinnehmen. Wie schwer fielen diese Ausfälle ins Gewicht?

STORM: Im EHF-Cup-Finale hat man gesehen, was Uwe Gensheimer und seine Tore für die Mannschaft bedeuten. Ein gesunder Alexander Petersson ist zudem ein Führungsspieler mit Sogwirkung für alle anderen. Kim Ekdahl du Rietz hat die leichten Tore von hinten gemacht. Das alles hat zu lange gefehlt. Aber ich bin sehr zufrieden mit dieser Saison.

Du hast in den vergangenen Monaten mehrmals die fehlende Breite im Kader angesprochen, doch gerade in der nächsten Saison wird die Belastung durch die Champions League noch größer. Kann die Königsklasse plötzlich zum Problem werden?

STORM: Wenn wir eine gute Rolle spielen wollen, müssen wir noch zwei Spieler für den Rückraum verpflichten. Jetzt fallen zunächst aber mit Petersson und Sesum wieder zwei Spieler länger aus. Das sind die Fakten. Und zunächst müssen die Altlasten bezahlt werden. Aber auch hier werden wir Lösungen finden.

Was gibt es denn Neues bei der Suche nach neuen Rückraumspielern und was macht diese Suche so schwer?

STORM: Die Saison ist fast vorbei und es ist sehr spät für Verpflichtungen. Die wirtschaftlichen Rahmendaten müssen passen. Da muss klar sein, wer wie lange ausfällt. Das macht es schwerer.

Im Jahr eins nach dem Umbruch bekamen die Löwen die Bundesliga-Lizenz vor wenigen Wochen ohne Auflagen und Bedingungen. Wie stolz macht dich das und wie war das möglich?

STORM: Durch tägliche harte Arbeit, die man von außen gar nicht sieht. Auch hier gibt es ein gutes Team, das anpacken kann und den Mut hatte, den Kampf anzunehmen. Die AG Kopenhagen hat Insolvenz angemeldet und auch bei uns hätte es ganz anders laufen können. Aber wir sind noch lange nicht über dem Berg. Es liegt noch sehr viel Arbeit vor uns.

Du gibst offen zu, dass die Löwen nicht mehr die Gehälter früherer Jahre zahlen können. Warum sind sie trotzdem eine attraktive Adresse in Europa?

STORM: Kein Handballverein kann mehr die Gehälter früherer Jahre zahlen. Die Vermarktungssituation unseres Sports hat sich nicht gut entwickelt. Seit 2007 ging es stetig weiter runter. Und zu uns als attraktive Adresse: Wir sind ein junger Klub mit einem tollen Umfeld, einer optimalen Infrastruktur für jeden Profi und das in der besten Liga der Welt. Unsere Mannschaft hat eine tolle Perspektive, wenn man sie zusammenhalten kann und möglicherweise ergänzt.

Ist der große Handball-Boom vorbei und wie lässt sich Handball besser vermarkten?

STORM: Alle dachten 2007 mit dem WM-Titel für Deutschland in der Tasche: Jetzt geht es los. Aber das war der Höhepunkt. Wir haben einiges im medialen Bereich versäumt und stattdessen immer mit dem Finger auf den anderen gezeigt. Es muss mehr zusammen als gegeneinander gearbeitet werden, zum Beispiel zwischen dem Deutschen Handball-Bund und der Handball-Bundesliga.

Was gibt es deiner Meinung nach für Möglichkeiten, um mehr Einnahmen zu generieren?

STORM: Wir müssen uns in der Liga über ein Play-off-System Gedanken machen. Und am Ende vielleicht auch ein Endspiel mit einem Handballtag für ganz Deutschland andenken. Wir brauchen mehr Aufmerksamkeit. Aber das geht. Und dann profitieren alle, auch die kleinen Klubs.

 Im letzten Saisonspiel geht es für die Löwen gegen Balingen. Was erwartest du von deiner Mannschaft und was erhoffst du dir nach dem Spiel?

STORM: Ich würde mich freuen, wenn beide Mannschaften befreit aufspielen. Balingen hat eine gute Saison gespielt und wir auch. Ich freue mich auf tollen Handball vor einer tollen Kulisse und hinterher feiern wir mit Balingen sowie unseren Fans zusammen.

Der Löwen-Kader bleibt zusammen, was ist euch 2013/2014 zuzutrauen?

STORM: Bei uns wird vieles davon abhängen, ob wir von Verletzungen verschont bleiben und wie schnell Alex Petersson zurückkommt.

Und wer ist der Titelfavorit?

STORM: Für mich ist der THW nach wie vor der Titelkandidat Nummer 1. Sie stehen zwar vor einem Umbruch, aber wenn es für die Zebras vorher eine 95-prozentige Chance auf den Titel gab, dann liegt sie jetzt immer noch bei 70 Prozent.