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Der Gruppensieg ist zum Greifen nahe

Kielce. Die Erleichterung war beiden anzusehen: Kent-Harry Andersson, 60, pustete tief durch, als er am Mittelkreis auf Ola Lindgren, 45, zusteuerte. Das Trainer-Duo der Rhein-Neckar Löwen gratulierte sich gegenseitig zum 35:32 (15:19)-Sieg über Vive Kielce, klatschte sich ab und schmunzelte über einen gelungenen Champions-League-Abstecher zum polnischen Meister. Thorsten Storm, 45, reckte derweil die Siegerfaust: „Das war ein Erfolg der Moral, einfach toll wie sich die Mannschaft nach der unglücklichen Niederlage gegen Kiel zurückgemeldet hat.“ Gelassen wirkte er, der Löwen-Manager, völlig entspannt. Ein Blick auf die Tabelle der Vorrunden-Gruppe B verdeutlicht warum: Das Rudel krallte sich durch den Erfolg in Kielce oben fest, dribbelt weiterhin um den Gruppensieg mit. Storm sagt: „Da steigt jetzt wohl in Veszprèm ein Endspiel.“

Die Löwen sind bereit: Denn die „Generalprobe“ in Kielce konnte sich sehen lassen. Man kämpfte, man brillierte und viel wichtiger: man kam zurück, bewies Nehmer-Qualitäten. Ende der ersten Halbzeit lag die Lindgren-Sieben bereits mit fünf Toren hinten (14:19). „Diese Aufholjagd verdeutlicht, dass unser Team lebt, dass jeder für den anderen da ist“, freute sich Storm. Doch auch die sportliche Kommandobrücke darf nicht vergessen werden. Lindgren und Andersson präsentierten sich als Taktikfüchse, stellten den anfangs etwas wackligen Abwehrblock um, setzten fortan auf eine 5:1-Formation. Gerade ein Mann hatte zuvor nämlich immer wieder riesige Löcher in den 6:0-Abwehr gerissen: Mariusz Jurasik, der trickreiche Kunstschütze, der Ex-Löwe im Kader der Hausherren, fackelte nicht lange, traf und traf.

Am Ende brachte es der 33-Jährige auf sieben Tore. Dass es trotzdem nicht gereicht hat, lag aus seiner Sicht an den Flügelflitzern: „Auf den Außenpositionen haben die Löwen klare Vorteile“, analysierte Jurasik. Doch das ahnte er wohl auch schon im Vorfeld. Schließlich ist er noch ganz nah dran am Löwen-Puls. Mit Karol Bielecki, 28, und Kasa Szmal, 31, tauscht er sich regelmäßig aus. Seine Telefonrechnung lässt grüßen. Apropos Bielecki und Szmal, für das kurpfälzische „Polska_Duo“ war es quasi ein Heimspiel: Kasa- und Karol-Sprechchöre schallten beim Warmlaufen durch die Halle. Phasenweise schien es so, als wolle man die beiden gar nicht mehr gehen lassen. Doch über kurz oder lang werden sie wohl ohnehin die Seiten wechseln. Jurasik ist davon überzeugt. Er grinst: „Wir sind dabei, hier in Kielce etwas ganz Großes aufzubauen. Und da dürfen diese Zwei natürlich nicht fehlen.“

Bielecki machte am Samstag Werbung in eigener Sache. Das Rückraum-Ass schenkte seinem Heimatverein – der Rotschopf begann 1999 in Kielce seine Karriere – sechs Treffer ein. Szmal mimte hingegen den Bankangestellten: Nach 17 Minuten musste er raus, Platz machen für Henning Fritz, 35. Ein Wechsel, der sich auszahlte. „Fritze“ hielt seinen Kasten sauber, kam immer besser in Fahrt. Storm war begeistert: „Henning spielte genauso gut wie zuletzt gegen Kiel.“

Kann man so stehen lassen. Und auch ein weiterer samstäglicher Hauptdarsteller war ein Wiederholungstäter: Uwe Gensheimer, 23, befindet sich derzeit auf der Überholspur. Im Viertelfinale des DHB-Pokals in Göppingen traf der Friedrichsfelder zwölf Mal, gegen Kiel acht Mal und in Kielce nun zehn Mal. „Uwe ist in einer atemberaubenden Form“, lobte Storm, der diesmal aber noch einen Matchwinner ausgemacht hatte: „Andrej Klimovets gefiel mir sehr gut.“

Der gebürtige Weißrusse mit dem deutschen Pass ist bekanntlich auf Abschiedstour. Er sucht einen neuen Arbeitgeber. Derweil tischte das dänische Internetportal „TV 2 Sporten“ zwei potenzielle Löwen-Neuzugänge auf. Dabei handelt es sich um die beiden Norweger Börge Lund, 30, vom THW Kiel und Erlend Mamelund, 25, vomFCK Handbold. Lindgren scheint große Stücke auf das Duo zu halten. Storm ebenfalls – zumindest auf Mamelund: „Wir benötigen einen Ersatz für Siarhei Harbok und da wäre er einer, der ins Raster passen könnte.“ Und Lund? Ist er eine Alternative als Strippenzieher, als Denker und Lenker? Storm mit Nachdruck: „Wir haben momentan Mittelmänner unter Vertrag, die sich für weitere Aufgaben bei uns empfehlen können und das auch sollen.“

Von Daniel Hund

 15.02.2010