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Der Mann auf der Königsposition

Mannheim. Der Stemmsprung ist sein Markenzeichen. Den kann er, den nutzt er, um sich in die Höhe zu schrauben. So hoch, dass er den gegnerischen Abwehrblock überragt. Oben angekommen geht dann alles ganz schnell: Grzegorz Tkaczyk, 29, schaut, nimmt Maß und ballert drauf los. So kennen sie ihn, die Fans der Rhein-Neckar Löwen, so schätzen sie ihn. Vor allem in den letzten Wochen, in seinen Wochen. Denn eigentlich war der Pole immer da, wenn es darauf ankam, wenn es galt, wichtige Tore zu erzielen. Seine Bilanz: In elf Begegnungen traf er 50 Mal. Das macht 4,5 Tore pro Partie. Und zwar alle aus dem Spiel heraus, nicht vom Siebenmeterpunkt. In der Bundesliga liegt er damit unter den Top 20.

Ausgerechnet Tkaczyk, ausgerechnet der Mann, den viele bereits abgeschrieben hatten. Ihn, der Monate lang an Krücken durch die Gegend humpelte. Selbst normales Laufen war nicht drin. Nicht mit diesem Knie, seinem linken. Ein Knorpelschadenmit anschließender Operation setzte ihn außer Gefecht. Eswar eine harte Zeit. Entbehrungsreich und frustrierend. Doch Tkaczyk ist keiner, der in der Vergangenheit lebt. Er schaut nach vorne, glaubt an sich: „Ich denke, dass ich meine gesundheitlichen Probleme endlich hinter mir gelassen habe. Auch weil mein Knie mittlerweile überhaupt nicht mehr schmerzt.“ Der Rückraum-Mann wirkt erleichtert, als er das sagt, wie befreit vom Fluch des Dauer-Patienten, von den ständigen Sorgen ums vorzeitige Karriereende.

Auch der Wechsel aus der Mitte auf Halblinks, die Ablösung durch Börge Lund und Andy Schmid, stört ihn nicht. Für ihn ist das keine Degradierung. Warum auch? Tkaczyk spielt beides, kann beides. Das hat er schon in Magdeburg bewiesen. Er mag beide Positionen, kennt die Unterschiede: „Als Mittelmann bist du der Kopf, denkst für alle mit, musst Ruhe ausstrahlen.“ Und auf Halblinks? „Na, da bist Du der Shooter, der vor allem eines machen muss: treffen!“ Stimmt. Schließlich ist es nicht irgendeine Position. Es ist die Königsposition.

Doch wie ein König gibt er sich nicht. Zumindest abseits der Platte. Da ist er bescheiden, bodenständig. Angesprochen auf seine starken Leistungen, ist ihm nur ein kurzes „zuletzt haben sie gestimmt“, zu entlocken. Er nimmt sich selbst nicht so wichtig, redet weniger von sich, mehr von den anderen, vom Rest des Rudels. Von Neuzugängen, die eingeschlagen haben wie eine Bombe, von einer deutlich verbesserten Abwehr, von einer tollen Kameradschaft und von einem Trainer, der ein sehr guter Taktiker ist.

Apropos Trainer, sein Kontakt zu Gudmundur Gudmundsson sei sehr gut, sagt er: „Ich fühle mich wohl unter ihm. Wir sprechen häufig.“ Und bald werden beide ein richtungsweisendes, ein ganz wichtiges Gespräch führen. Dann geht es um seine Zukunft, um eine Verlängerung seines im Sommer auslaufenden Vertrags. Momentan ist unklar, wie es weitergeht. Tkaczyk: „Mir liegt noch kein offizielles Angebot vor.“ Was nicht überrascht. Denn laut Löwen-Manager  Thorsten Storm gehört genau das zum Plan: „Wir wollen die schweren Spiele im November abwarten, in denen sich unser Trainer ein genaues Bild von den Spielern machen will, deren Verträge auslaufen. Wobei wir derzeit mit den Leistungen von Grzegorz zufrieden sind.“

Tkaczyk muss sich also beweisen, zeigen, dass er auch die ganz Großen aus Kiel und Hamburg ärgern kann. Versagensangst verspürt er nicht. Im Gegenteil. Er ist heiß auf den Großangriff auf die Spitze, auf die Duelle mit der deutschen Elite: „Danach und wirklich erst danach, wissen wir, wo wir stehen, wie gut wir wirklich sind.“

Am nötigen Selbstbewusstsein mangelt es nicht. Die Löwen-Brust ist breit, breiter als je zuvor. Und dafür gibt es einen Grund. Tkaczyk umschreibt ihn so: „Wir befinden uns mittlerweile auf einem anderen Level. Die Zeiten, in denen wir 15 Minuten geglänzt haben, um dann wieder in eine mehrminütige Krise zu stürzen, sind vorbei.“

Endgültig? Das werden die schweren nächsten Wochen zeigen.

Von Daniel Hund

 08.11.2010