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Weckruf zur rechten Zeit

Mannheim. Als die Fans der Rhein-Neckar Löwen in den letzten beiden Spielminuten die Mannschaft von Trainer Gudmundur Gudmundsson mit stehenden Ovationen feierten, war der katastrophale Start im Kräftemessen mit dem TV Großwallstadt längst vergessen. „Das war eine verrückte Partie“, fasste Andy Schmid, der Spielmacher des badischen Handball-Bundesligisten, den Auftritt in der Mannheimer SAP-Arena zusammen. Nach 60 packenden Minuten stand ein 31:23 (14:12)-Erfolg für die Löwen zu Buche, mit dem die Badener zumindest vorübergehend die Tabellenführung im deutschen Handball-Oberhaus übernahmen.

„Ich hatte vor dem Anpfiff schon ein schwaches Ziehen in der Magengegend“, gab Thorsten Storm zu. „Wir mussten uns ganz schön lang machen, um die Punkte zu behalten. Klar ist, dass wir in Flensburg die ersten Minuten nicht so verschlafen dürfen“, sagte der Löwen-Manager, der sich gemeinsam mit den 9 185 Zuschauern zunächst verwundert die Augen rieb. Nach acht Minuten und 20 Sekunden knallte Gudmundsson die Grüne Karte auf den Zeitnehmertisch und bat seine Schützlinge zu einer Aussprache. Die bis dato uninspiriert agierenden Hausherren lagen mit 1:5 im Hintertreffen. „Der Trainer hat uns in dieser Auszeit einen Weckruf verpasst“, berichtete Schmid. „Wir haben zu langsam und ohne Biss gespielt“, urteilte Gudmundsson und fügte an: „Erst nach zehn Minuten sind wir besser ins Spiel gekommen. Die Torhüter-Leistung war dann einfach überragend.“

Vor den Augen der Weltmeister-Mannschaft von 1978 kämpften sich die Löwen stückchenweise ins Spiel zurück und schafften durch einen Kracher von Karol Bielecki in der 17. Minute beim 7:7 erstmals den Ausgleich – mit 102 Stundenkilometern donnerte der Pole die Harzkugel in die Maschen und gab so den Startschuss für die dann beeindruckende Leistung. „Wir sind ab der Mitte der ersten Halbzeit viel besser in der Abwehr gestanden. Das macht es dann auch dem Torhüter leichter“, erklärte Slawomir Szmal. Der Welthandballer des Jahres 2009 lief zu Höchstform auf, parierte 24 Würfe und hatte mit dieser Weltklasseleistung großen Anteil am Sprung an die Tabellenspitze.

„Wir sind froh, dass wir ihn haben“, meinte Schmid. „Kaza hat in den letzten Spielen einfach überragend gehalten“, pflichtete Patrick Groetzki bei. Nachdem der polnische Nationalkeeper seinen Kasten nahezu vernagelte, kamen die Badener immer besser in Fahrt und hatten beim Seitenwechsel schon knapp die Nase vorn. Zwar gaben sich die Gäste nie auf, nach der Pause hatte der TVG den wie entfesselt auftrumpfenden Löwen aber nichts mehr entgegenzusetzen. „Den freien Montag haben wir uns richtig verdient“, befand Groetzki.

Rhein-Neckar Löwen: Gensheimer 7/1, Bielecki 4, Myrhol 4, Schmid 3, Tkaczyk 3, Lund 3, Stefansson 3, Groetzki 3, Gunnarsson 1.
HSG Wetzlar: Spatz 6/5, Kneer 4, Kunz 3, Weinhold 2, Tiedtke 2, Larsson 2, Szücs 2, Schäpsmeier 1, Kossler 1.

Von Christof Bindschädel

 08.11.2010