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Der Traum wird zum Alptraum

So ein Dreck, eine Saison ohne Champions League –Thorsten Storm, dem Manager der Rhein-Neckar Löwen, kam das gestern nicht über die Lippen. Aber er dachte es, verpackte es nur anders. In längeren, verschachtelten Sätzen. Hinter denen sich jedoch nur eines verbarg: die totale Enttäuschung. Und der Frust natürlich. Der Ärger über den Absturz aus dem Handball-Himmel, über das verpasste Ticket für die königliche Tour durch Europa. Diesmal fährt der Königsklassen- Express nämlich ohne die Gelben ab. Vive Kielce springt für die Löwen auf, wird von Harzball-Tempel zu Harzball-Tempel reisen. Und das im Nachsitzen: Erst nach 70 Minuten war der 32:30 (27:27, 13:11)-Finalsieg beim Champions-League-Qualifikationsturnier in Kielce unter Dach und Fach.

Unmittelbar nach dem Ausscheiden stand Storm in den Katakomben. In der Hand ein weißes Blatt Papier. Viele Zahlen waren darauf. Zahlen, die die Niederlage erklärbar machten: „Unser Rückraum war heute leider nicht stark  genug. Von 39 Würfen landeten nur 12 imTor, das entspricht einer Quote von 30 Prozent“, grübelte der Nordmann.

Zu wenig, vor allem für die Liga der Besten. Dort muss mehr kommen. Storm weiß das, packte aber nicht die Peitsche aus. Ganz sachlich wirkte er, verteilte sogar ein Sonderlob. An alle: „Wie die Mannschaft heute aufgetreten ist, wie sie gekämpft hat, wie sie immer wieder zurückgekommen ist, das hat mich schon beeindruckt.“

So weit, so gut, doch was ist mit dem Traum von der Champions League. Schließlich wurde er gestern zum Albtraum. Storm:„Dann hängen wir uns jetzt eben voll in den EHF Cup rein und versuchen den zu gewinnen.“ Dass es schwer werden würde, zeichnete sich gestern schnell ab: Nach anfänglichem Abtasten war es Kielce, das sich fing, das beim 11:8 erstmals drei Tore vorlegte.

Zur Pause stand’s 13:11 für die Hausherren, die gerade mit einem Mann so ihre Probleme hatten: Goran Stojanovic. Der Torwart-Routinier der Löwen parierte glänzend, brachte trotz Bandscheibenproblemen immer wieder einen Arm oder ein Bein zwischen Torlinie und Ball. Nach dem Seitenwechsel ging es dann gut los für Oliver Roggisch und Co.: Der letztjährige Halbfinalist drehte auf, stellte die Fehler ab und setzte sich durch einen Doppelschlag von Patrick Groetzki und Uwe Gensheimer, der badischen Flügelzange, mit 19:17 ab. In der „Hala Legionów“ wurde es ruhig – aber nur kurz, ganz kurz. Denn Kielce schlug zurück, hatte im Ex-Löwen Grzegorz Tkaczyk und Rastko Stojkovic zwei wichtige Stützen.

Und so kam es, wie es kommen musste: Verlängerung, Nervenkitzel pur, akute Fingernagel-Kau-Gefahr. Doch all das Daumendrücken nützte nichts. In der Verlängerung gab es auf die Pfoten. Storm, der Nachdenkliche: „Eigentlich“, pustete er tief durch, „eigentlich hätten wir es schon in der regulären Spielzeit für uns entscheiden können.“

Keine glückliche Figur machten übrigens auch die Schiedsrichter. Mehrfach pfiffen sie die Löwen zurück, entschieden auf Zeitspiel. „Auf der anderen Seite war das irgendwie anders“, grantelte Storm.

Wie auch immer, schon im Halbfinale wackelte das Rudel, schrammte nur haarscharf am Aus vorbei: Dunkerque schoss sich in die Verlängerung, wurde erst dort mit 36:30 erlegt.

Von Daniel Hund