Veröffentlichung:

Die Angriffe liefen, die Abwehr stand

Magdeburg. Eine Reise in die Vergangenheit war’s, die Rückkehr in den wilden Osten. Für Olafur Stefansson, für Henning Fritz, für Karol Bielecki, für Grzegorz Tkaczyk. Und auch für Oliver Roggisch. Alle spielten sie schon mal für den SC Magdeburg, den Altmeister, den Champions-League-Sieger von einst. Mittlerweile sind sie Rhein-Neckar Löwen, jagen im Rudel, das gestern in der Magdeburger Bördelandhalle auf die Beutezug gingen.

Letztlich war es eine ungefährdete Jagd, phasenweise glich sie sogar eher einem Spaziergang. Die „Besten aus dem Südwesten“ krallten sich die zwei Punkte problemlos, mühelos. Abgezockt trat man auf: 35:24 (17:11) hieß es nach 60 einseitigen Handball-Minuten. Thorsten Storm, der Löwen-Manager, hatte im Vorfeld einen Arbeitssieg gefordert, hoffte, dass sein Personal den Schlüssel findet. Enttäuscht wurde er nicht. Im Gegenteil: „Wir haben das souverän gemacht“, lobte der Chef, „phasenweise haben wir sogar richtig starke Spiezüge gezeigt.“

Die Badener legten los wie die Feuerwehr, zogen rasch auf 3:0 davon (8.). Die Abwehr stand, der Ball lief, die Angriffe rollten, die Tore fielen. Jeder, der wollte, durfte mal: Aus dem Rückraum, vom Kreis, von der Außenbahn. Und ganz hinten drin breitete einer die Pranken aus, der in Magdeburg eine Art Volksheld ist: Henning Fritz, der Weltmeister von 2007, der „Hexer“ im Tor der Löwen. Egal, ob vom Siebenmeterpunkt oder aus dem Rückraum: „Fritze“ war meistens zur Stelle, entschärfte so manche Rakete und leitete dadurch einen Tempogegenstoß nach dem anderen ein. Den Abstecher in die Heimat – der 36-Jährige ist gebürtiger Magdeburger – genoss Fritz übrigens in vollen Zügen. „Für mich ist das immer wieder eine tolle Sache, wenn ich hier her zurückkehre“, schmunzelt er, „das ist mit vielen Emotionen verbunden.“

Glücksgefühle, die Karol Bielecki nicht teilt. Der Rückraum-Bomber im Kader der Lindgren-Sieben kommt nicht so gerne zurück, wirkt gehemmt, völlig verunsichert. „Schuld“ sind die Fans des SC Magdeburg. Sie pfeifen ihn gnadenlos aus. Bei jedem Ballkontakt, bei jeder Szene. Und der Plan geht auf. Bielecki, der als äußerst sensibel gilt, traut sich plötzlich nichts mehr zu, wird von der bissigen Raubkatze zum Stubentiger. Auf seine gefürchteten Rückraum-Knaller wartete man gestern jedenfalls vergeblich. Storm nimmt ihn in Schutz: „Karol hat hier viel erlebt.“

Ein anderer blühte dagegen regelrecht auf. Gemeint ist Michael Müller. Der Ex-Großwallstädter kommt immer besser in Fahrt. In Magdeburg erzielte er vier Tore und stand auch in der Defensive seinen Mann. Storm beeindruckte er: „Michi hat ein Super-Spiel gemacht. Mich freut das sehr für ihn.“

Doch bei all der Euphorie: gewonnen ist noch nichts. Drei Siege fehlen noch, dann hätte man den 4. Platz sicher, wäre dabei beim Qualifikationsturnier für die Champions League. Gleichzeitig drücken die Badener diesbezüglich auch dem THW Kiel die Daumen. Warum, erklärt Löwen-Aufsichtsratschef Jesper Nielsen: „Falls Kiel in diesem Jahr die Königsklasse gewinnt, findet das Quali-Turnier in der Mannheimer SAP Arena statt. Das wäre natürlich ein riesiger Vorteil für uns.“

Momentan sind Nielsen und Storm bekanntlich dabei die Verträge mit einigen Spielern zu verlängern. Und auch Storm (Vertrag bis 2012) soll langfristig im Süden gehalten werden. Nielsen sagt: „Ich möchte Thorsten bis 2015 an uns binden. Er ist eine der Schlüsselfiguren.“

Von Daniel Hund

 17.05.2010