Veröffentlichung:

Die Löwen ohne Biss (RNZ)

Flensburg. Manche schlichen wortlos von der Platte, andere murmelten, schimpften leise vor sich hin. Gemeinsam hatten aber alle eines: Die Schultern hingen, die Körperspannung fehlte komplett. Es waren Bilder, die man so noch nicht gesehen hatte. Nicht in dieser Saison, nicht von den neuen Löwen. Bilder der Enttäuschung, des totalen Frusts. Der Pokal-K.o. hatte bei den Rhein-Neckar Löwen Spuren hinterlassen.

Bei jedem, auch beim Trainer. Gudmundur Gudmundsson wirkte konsterniert, war erwacht aus dem Traum vom Hamburger Final Four. Denn seit Dienstagabend, seit der Viertelfinal-Pleite in Flensburg, ist es amtlich: Auch 2013 findet das Pokal-Gipfeltreffen ohne die Gelben statt. Aus Dauergästen sind mittlerweile Zuschauer geworden.

Am Mittwoch war Rückreisetag. Mit dem Bus ging es von Flensburg nach Hamburg und von dort mit dem Flieger weiter nach Frankfurt. Da blieb viel Zeit zum Trauern, zum Ärgern, aber vor allem zum Grübeln. Über zwei Halbzeiten, die unterschiedlicher nicht hätten sein können. Vor der Pause war’s zum Zunge schnalzen, danach zum Heulen.

Wie kann das sein? „Eine gute Frage“, grummelte Löwen-Trainer Gudmundur Gudmundsson. Die richtige Antwort hatte er gestern früh noch nicht parat. Aber viele Ansätze. Gudmi, der Nachdenkliche: „Nach dem Wechsel hat einiges bei uns gefehlt: Die Konzentration, die Einstellung, die Aggressivität. Da war irgendwie kein Biss mehr.“

Vor der Pause war all das da. Die Löwen waren besser. Glänzten und zauberten phasenweise sogar. Trotzdem fehlte etwas zur Perfektion. Ein Tore-Polster, das dem Verlauf entsprochen hätte. Gudmundsson nickte: „Das sehe ich ähnlich. Wir hätten eigentlich mindestens mit einem Vorsprung von drei oder vier Toren in die Pause gehen müssen.“

Hört sich vorwurfsvoll an, doch das täuscht. Der Isländer stellt sich vor sein Personal, verweist auf eine Vorbereitung, die schlechter kaum hätte laufen können: „Durch die WM haben uns sechs Wochen sechs Spieler gefehlt und auch ein abschließendes Testspiel kam leider nicht zustande.“

Bleibt zu hoffen, dass der dreißig minütige Blackout im hohen Norden keine negative Nachwirkungen hat. Denn noch ist die perfekte Saison drin: Die Löwen führen die Bundesliga-Tabelle an und haben auch im EHF-Cup sehr gute Karten. Zumindest der Titel im europäischen Wettbewerb scheint machbar zu sein. Und in der Bundesliga? Da muss Gudmundsson schmunzeln: „Es ist wichtig, jetzt realistisch zu bleiben und unsere Mannschaft richtig einzuschätzen. Denn wir waren auch in Flensburg nicht der Favorit.“

Zeit zum Schmollen bleibt ohnehin nicht. Der Handball fliegt weiter. Für die Löwen zunächst bei Tatran Presov. Dort starten die Badener am Samstag ab 20.30 Uhr in die Gruppenphase des EHF-Cups. Presov, das klingt irgendwie nach einem Selbstläufer, ist es aber nicht. Keiner weiß das besser als Gudmundsson, der überlässt nämlich nie etwas dem Zufall. Er sagt: „Wir müssen in Presov höllisch aufpassen. Das ist eine Mannschaft, die man nicht unterschätzen darf.“

Beim ruhmreichen SC Magdeburg können sie ein Lied davon singen: Die Gladiators kamen dort letztes Jahr nicht über ein 29:29-Remis hinaus.

Von Daniel Hund