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Viel Weiß, viel Schwarz, kein Grau (MM)

Beim 20:24 in Flensburg zeigen die Rhein-Neckar Löwen innerhalb eines Spiels extreme Leistungsschwankung

MANNHEIM. Die Niederlage schmerzte. Weil sie unnötig war. Weil sie selbst verschuldet war. Und vor allem, weil sie nach guter erster Halbzeit irgendwie unerwartet kam – zumindest in dieser Deutlichkeit. Die Rhein-Neckar Löwen erlebten beim 20:24 (12:11) im Pokalviertelfinale bei der SG Flensburg-Handewitt kein Debakel, sie verloren auch nicht knapp. Und doch fühlte sich das Aus im Viertelfinale nach beidem an. Denn so chancenlos die Gelhemden nach dem Seitenwechsel auch waren, so gut agierten sie in den ersten 30 Minuten.

„Wir hätten zur Halbzeit höher führen müssen“, meinte Trainer Gudmundur Gudmundsson und hatte dabei sicherlich den einen oder anderen technischen Fehler im Hinterkopf. Manager Thorsten Storm stimmte dem Isländer zu: „Wir haben in der ersten Halbzeit eine schläfrige SG nicht eiskalt bestraft. Nach dem Seitenwechsel haben wir Fehler gemacht – und Flensburg hat das genutzt.“

Wendepunkt Halbzeitsirene

Außer Frage steht: Der Wendepunkt in diesem packenden Duell war die Halbzeitsirene. Irgendetwas muss dann in der zehnminütigen Pause mit den Löwen passiert sein. Denn ganz eindeutig standen nach dem Seitenwechsel nicht mehr die Badener auf dem Feld, die zuvor mit einer 12:11-Führung die Kabine gegangen waren. 30 Minuten lang agierten die Löwen diszipliniert, sie schalteten schnell um, warteten geduldig auf ihre Chance. Doch dann suchten sie plötzlich das Risiko, spielten mit zu wenig Tempo, nahmen sich unvorbereitete Würfe. „Es ist schwierig, dazu etwas zu sagen. Das war wie Schwarz und Weiß. Einer sehr guten ersten Halbzeit folgte eine schwache zweite“, suchte Gudmundsson nach Worten für diese kuriose Begegnung.

Doch warum spielten die Gelbhemden auf einmal zu langsam? „Das weiß ich auch nicht“, sagte der Trainer nach einigem Zögern und runzelte die Stirn. Er musste erst einmal tief durchatmen, die richtigen Worte finden. „Vielleicht hat meine Mannschaft teilweise zu locker agiert. Es gab allerdings keinen Grund, mehr zu riskieren. Diese Niederlage ist unsere eigene Schuld, denn wir haben dem Gegner den Ball geschenkt. Für uns war viel mehr drin, deswegen ist diese Niederlage so schade. Ich bin enttäuscht darüber, dass meine Jungs nach der Halbzeit nicht mehr das gespielt haben, was wir besprochen hatten.“

Ekdahl du Rietz schwächelt

Insbesondere im Angriff agierten die Gelbhemden vogelwild und machten es so der SG extrem einfach. „Nach dem Seitenwechsel kam nichts mehr aus dem Rückraum. Drei Tore von der 30. bis zur 50. Minute sind zu wenig. Das ist schade, weil wir uns hier selbst um die Teilnahme am Final Four gebracht haben. Flensburg hat keine Bäume ausgerissen“, meinte Storm, der mit Sorgen den Auftritt von Kim Ekdahl du Rietz beäugte. Eigentlich hofften die Löwen, dass beim Schweden nach starkem Saisonstart und einem Durchhänger gegen Jahresende nun wieder die Leistungskurve nach oben zeigen würde. Immerhin nahm der Halblinke nicht an der Weltmeisterschaft teil und konnte zu Kräften kommen. Doch in Flensburg war von einem wiedererstarkten Ekdahl du Rietz, der wenig Torgefahr ausstrahlte und einige Fehler produzierte, nichts zu sehen. „Keine Frage, da muss mehr kommen“, sagte Storm kurz und knapp.

Trainer Gudmundsson weigerte sich unterdessen, nur das Negative zu sehen: „Wir dürfen jetzt nicht alles schlecht reden. Mit der Abwehr- und der Torhüterleistung bin ich zufrieden.“ Am Samstag im EHF-Cup bei Tatran Presov würde er aber fraglos wieder gerne etwas mehr Weiß von seiner Mannschaft sehen. Sogar ein wenig Grau würde es für den Anfang wahrscheinlich schon tun.

Von Marc Stevermüer