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„Die Löwen sind die Mannschaft der Stunde“

Der neue Trainer von KS Vive Targi Kielce, Talant Dushebajew, im Interview / Am Samstag wird das Achtelfinal-Hinspiel der VELUX EHF Champions League in Polen ausgetragen

Talant Dushebajew hat als Spieler und Trainer so ziemlich alles gewonnen, was es im Handball an Titeln gibt: Olympiasieger mit der GUS 1992, Weltmeister mit Russland 1993, zweimal Vize-Europameister mit Spanien 1996 und 1998, zweimal Welthandballer des Jahres (1994 und 1996), als Trainer dreimal Champions-League-Sieger mit Ciudad Real (2006, 2008, 2009), insgesamt sechsmal als Trainer von Ciudad Real und dem Nachfolgeverein Atletico Madrid in Champions-League-Finals, je fünfmal spanischer Meister und Pokalsieger.

Mit dem finanziellen Aus von Atletico im Sommer 2013 rankten sich die Gerüchte um die Zukunft des Erfolgstrainers – Paris, Skopje, Katar wurden genannt. Anfang Januar dann die überraschende Nachricht: Dushebajew unterschrieb einen Dreieinhalb-Jahres-Vertrag beim polnischen Meister Vive Targi Kielce, ersetzte Bogdan Wenta, der seitdem Sportdirektor ist.

Unter Dushebajew ist Kielce national und international ungeschlagen, errang unter anderem ein Remis beim THW Kiel in der CL-Gruppenphase. Am Samstag (16.10 Uhr, live auf Eurosport) treffen Dushebajew und Vive Targi Kielce im Achtelfinal-Hinspiel der VELUX EHF Champions League auf die Rhein-Neckar Löwen (Rückspiel: Montag 31. März, 19 Uhr in der SAP Arena).

Wie sich Dushebajew in Polen eingelebt hat, was er von den Löwen hält und wie die Ziele des Klubs sind, verriet der 45-Jährige im folgenden Interview.

Seit zwei Monaten sind Sie nun bei Vive Targi Kielce im Amt – wie fällt Ihre Zwischenbilanz aus?

Talant Dushebajew: Ich bin sehr zufrieden, alles läuft super! Die beiden kleinen Schwierigkeiten, die ich habe, sind erstens die Sprache und zweitens die Zeit zum Trainieren. Aber ich lerne fleißig polnisch und Kommunikationsprobleme in dem Sinne gibt es nicht. Eher macht mir die fehlende Zeit zu schaffen. Ich zog während der EM in Dänemark nach Kielce, fast alle Spieler von uns waren in Dänemark im Einsatz. Nun haben wir – wie jeder große Verein – viele Reisen und viele Spiele. Da bleibt nicht viel Zeit, alles im Training umzusetzen, was ich gerne umsetzen würde.

Sie waren Spieler in der Bundesliga und dann viele Jahre Spieler und Trainer in Spanien. Wo steht die polnische Liga im Vergleich?

Dushebajew: Die Liga hat sich sehr gut entwickelt, man kann sie schon fast mit der spanischen Liga vergleichen – wobei in Spanien natürlich die Finanzkrise einen erheblichen Negativ-Einfluss hatte. Aber mit den Ligen zum Beispiel in Frankreich und Deutschland kann sich Polen bei weitem nicht vergleichen, da gibt es in Sachen Qualität der gesamten Liga noch einen großen Unterschied.

Wie ist in Kielce das Interesse an Ihrer Person, aber auch am Verein?

Dushebajew: Das kann man natürlich mit Madrid nicht vergleichen. Dort gab es die Fußballklubs Real und Atletico und 5,5 Millionen Einwohner, hier in Kielce sind wir klare Nummer 1, was den Sport betrifft und es gibt rund 200.000 Einwohner. Daher herrscht hier ein riesiges Interesse an allem, was Vive Targi betrifft – sowohl, was die Zuschauer, aber auch die Medien angeht.

Wie war Ihre Reaktion, als Vive Targi im Achtelfinale der VELUX EHF Champions League gegen die Rhein-Neckar Löwen gelost wurde?

Dushebajew: Es war ja schon vor der Auslosung klar, dass wir gegen eine Weltklassemannschaft spielen würden – zur Auswahl standen Paris, Flensburg oder die Löwen. Alle drei Teams repräsentieren höchstes Niveau. Zudem haben wir ja auch noch den Nachteil, dass wir das Rückspiel auswärts austragen müssen. Die Löwen sind für mich die Mannschaft der Stunde in Deutschland. Sie spielen eine phänomenale Saison in der Liga, stehen im Pokal-Halbfinale und haben sich in der Champions League bislang sehr gut geschlagen. Daher müssen wir ehrlich anerkennen, dass die Löwen der Favorit aufs Weiterkommen sind.

Wie muss also das Hinspiel ausgehen, damit Kielce noch eine Chance aufs Viertelfinale hat?

Dushebajew: Ich schaue nicht auf das Hinspiel, sondern auf beide Partien. Wir haben 120 Minuten Zeit, um am Ende ein Tor mehr erzielt zu haben als die Löwen. Wir wollen natürlich unser Hinspiel gewinnen, aber abgerechnet wird erst in Mannheim.                                                     

Fünf ehemalige Löwen-Spieler stehen in Ihrem Kader – ein Vorteil für Kielce, weil sie die Löwen kennen, oder ein Vorteil für die Badener, die Ihre Spieler kennen?

Dushebajew: Beides ist richtig. Natürlich sind unsere fünf Ex-Löwen ganz besonders motiviert, aber auf der anderen Seite wissen die Löwen genau, was diese fünf machen werden. Generell ist es doch immer ein tolles Wiedersehen für die Fans, wenn ehemalige Topstars wieder an die alte Wirkungsstätte zurückkehren.

Sie sind in Kielce mit dem Ziel angetreten, Ihre Mannschaft wieder zum VELUX EHF FINAL4 nach Köln zu führen. Ist dieses Ziel noch realistisch?

Dushebajew: Wirklich einfach zu erreichen ist es nicht. Wir haben leider eine bessere Ausgangslage dadurch verpasst, dass wir die Gruppenphase als Dritter abgeschlossen hatten. Wir haben ein gutes Team und ich will unbedingt wieder nach Köln – aber die Domstadt ist derzeit sehr, sehr weit weg. Warten wir doch einfach erst einmal ab, wie das Achtelfinale läuft!