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Die Löwen von A bis Z: Tomas Svensson

Seit 2011 ist Tomas Svensson bei den Rhein-Neckar Löwen – zunächst als Torwart, dann als Torwarttrainer. Mittlerweile ist er zum „Co“ aufgestiegen – uns erklärt er seine Sicht auf den Handball von A bis Z.

A wie Assistenztrainer: Bin ich seit 2011 bei den Löwen, wobei sich meine Rolle verändert hat. Im ersten Jahr war ich eher Torwart und Torwarttrainer. Danach wurde ich mehr und mehr zum Assistenztrainer: Gudmundur Gudmundsson hat die Tür für mich langsam geöffnet, und ich habe viel von ihm gelernt. Die Zeit mit ihm ist eine riesengroße Ausbildung. Ich hatte immer Angst vor der Phase nach meiner Karriere, deswegen habe ich so lange aktiv gespielt. Ich wusste einfach nicht, wann ich aufhören sollte – und dann kam die Anfrage von den Löwen. Das war das richtige Signal, um Schluss zu machen.

B wie Barcelona: Dort habe ich riesige Erfolge als Handballer gefeiert. Aber die Stadt hat auch in privater Hinsicht eine große Bedeutung für mich. Meine Frau Montse sowie meine Kinder Max, Teo und Julia leben dort. Barcelona ist eine wundervolle Stadt. Dort hat man einen Strand und wenn man zwei Stunden mit dem Auto fährt, befindet man sich in einem Skigebiet. Das ist perfekt.

C wie Comeback: Ich habe so viele unglaublich schöne Stunden auf dem Feld erlebt, deswegen kribbelt es, wenn die großen Spiele kommen. Aber die Bundesliga ist kein Zuckerschlecken. Ein Freund hat mir mal gesagt: Wenn du aufgehört hast mit deiner Profikarriere, ist ein Comeback nur noch innerhalb von zwei, drei Wochen möglich (lacht). Physisch würde ich es kurzfristig noch einmal schaffen, Handball auf hohem Niveau zu spielen. Aber langfristig nicht. Ich denke darüber allerdings auch nicht nach.

D wie Deutschland: Ich habe erst in Schweden, dann in Spanien gelebt. Es folgte Deutschland. Ich habe unheimlich viele Freunde hier und erst als 34-Jähriger die Sprache gelernt, als ich damals zum HSV Hamburg gewechselt bin.

E wie Eskilstuna: Meine schwedische Heimat. Dort hatte ich eine schöne Kindheit und dem dortigen Verein Eskilstuna Guif habe ich im Prinzip alles zu verdanken. Ohne diesen Klub hätte ich nicht diese Karriere gemacht. In letzter Zeit bin ich leider nicht mehr so häufig nach Hause gekommen.

F wie Familie: Meine Frau und meine Kinder haben Verständnis dafür, dass ich diese Chance bei den Löwen ergriffen habe. Ich sehe diese Zeit hier wie gesagt als Ausbildung. Klar ist aber auch, dass meine Familie in Barcelona lebt und viel auf mich verzichten muss. Das ist unglaublich schwierig. Aber ich vergleiche das immer mit Fischern. Die fahren mit ihren Booten raus aufs Meer, sind drei, vier Monate weg und kommen dann wieder. Wie schaffen die das? Ich nutze auf jeden Fall jede Möglichkeit, um nach Barcelona zu fliegen. Gudmundur hat dafür viel Verständnis. Aber in dieser Saison spielen wir in der Champions League, da bleibt nicht mehr so viel Zeit.

G wie Gitarre: Sie ist ein wichtiger Teil meines Lebens. Ich hatte früher drei Hobbys: Skifahren, Golf und Gitarre. Als ich Profisportler wurde, musste ich mit dem Skifahren aufhören. Dieser Sport hat mir viel bedeutet, aber er war zu gefährlich. Je größer dann die Familie wurde, umso weniger kam ich zum Golf spielen. Das dauert einfach zu lange. Und so ist mir die Gitarre als letztes Hobby geblieben: Ich nehme sie in die Hand, wenn ich Zeit habe. Vor allem, wenn die dunklen Monate kommen. Da ist meine Gitarre wie eine Therapie für mich.

H wie HSV Hamburg: Ich bin ein Teil des Anfangs gewesen, denn ich war der erste Spieler, der für das Projekt HSV Handball einen Vertrag unterzeichnete. Das war 2002 und nach zwölf Jahren Spanien war es genau der richtige Schritt. Ich bin stolz darauf, ein Teil des Anfangs gewesen zu sein. Die ersten Jahre waren mit den wirtschaftlichen Problemen allerdings auch nicht ganz einfach.

I wie Ikea: Als ich klein war, gab es zwei IKEA-Geschäfte in Schweden, eines davon in der Nähe von Eskilstuna. Wenn ich heutzutage in irgendeine große Metropole auf der Welt komme, sehe ich zwei IKEA pro Stadt. Keine Frage, dieses Unternehmen hat in den vergangenen 40 Jahren eine unglaubliche Entwicklung genommen und die Firmen-Idee finde ich super. Allerdings zahlt dieser Konzern kaum Steuern in Schweden – und das finde ich sehr schade, denn mit dem Geld könnte man sehr gut junge Sportler unterstützen.

J wie Johansson: Bengt Johansson, einer der besten Trainer aller Zeiten. Er führte uns mit der schwedischen Nationalmannschaft zu WM- und EM-Titeln und zu drei Olympischen Silbermedaillen. Bengt ist ein ganz toller Mensch. Ihn hätte ich gerne als Papa gehabt, wenn ich nicht meinen Vater gehabt hätte. Er hat uns nämlich nicht nur handballerisch ausgebildet, sondern auch persönlich. Unsere großen Erfolge haben wir in erster Linie seiner Gabe zu verdanken, wie er eine Mannschaft führte.

K wie Königsklasse: Auf Vereinsebene habe ich in diesem Wettbewerb meine größten Erfolge gefeiert. Ich finde die Champions League unglaublich attraktiv und es war damals eine gute Idee, eine Art Europaliga als Nachfolger des Europapokals der Landesmeister zu gründen. Dieser Wettbewerb hat den ganzen Handball nach vorne gebracht.

L wie Lizenz: Ich mache gerade meinen Trainerschein in Schweden, zwei Drittel der Ausbildung habe ich hinter mir. Ich möchte jetzt so schnell wie möglich die A-Lizenz fertig machen. Für ehemalige schwedische Nationalspieler besteht auch die Möglichkeit, direkt die A-Lizenz zu machen. Immer vorausgesetzt, man hat genug Länderspiele gemacht. Aber für mich kam das nicht infrage, ich will den ganzen Weg gehen – und es war sehr interessant bislang. Ich hatte viele Dinge vergessen, die mir jetzt wieder neu erklärt wurden. Zum Beispiel: Wie trainiert man einen Sechsjährigen? Das wusste ich nicht mehr. In der Profiwelt kenne ich mich aus, aber nicht mit Kinder-Training. Und deswegen finde ich es schön, jetzt zurück zu meinen Anfängen zu gelangen.

M wie Midsommar: Einer der größten Feiertage in Schweden. Midsommar gilt als Sommeranfang – und die ganze Nation fiebert immer diesem Fest entgegen. Der Winter ist in meiner Heimat nämlich traditionell sehr hart. Umso größer ist dann die Freude, wenn das Wetter besser wird und vermehrt die Sonne scheint.

N wie Niklas Landin Jacobsen: Er ist ein unglaublich talentierter Torwart und ich habe die Hoffnung, dass er sich noch mehr entwickelt. Ein Torwart ist auf jeden Fall nie fertig und kann immer besser werden. Bei Niklas bin ich mir sicher, dass er noch einige Grenzen überwinden kann. Er hat alle Möglichkeiten und das Talent, neue Maßstäbe zu setzen. Denn sein riesiges Potenzial hat Niklas noch lange nicht ausgeschöpft.

O wie Olympische Spiele: Das größte Erlebnis für einen Sportler und ein schönes Turnier für Handballer, weil die Vorbereitungszeit deutlich länger ist als bei Welt- oder Europameisterschaften. Ich habe drei Mal die Silbermedaille gewonnen und stelle nicht die drei Final-Niederlagen in den Vordergrund, sondern unsere drei Halbfinal-Siege. Ich akzeptiere, dass in drei Olympia-Endspielen jeweils der Gegner besser war. Dafür lief es bei Welt- und Europameisterschaften ganz gut für uns (lacht).

P wie Portland San Antonio: Von 2005 bis 2009 habe ich für diesen Verein aus Pamplona gespielt. Mich stimmt es traurig, was aus diesem Klub geworden ist. Er gehörte zu den besten Adressen in Europa, gewann 2001 die Champions League sowie 2002 und 2005 den Meistertitel. Und jetzt gibt es den Verein nicht mehr, er wurde von der Schuldenlast erdrückt. Leider erging es vielen anderen Traditionsvereinen in der spanischen Liga ähnlich. Naturhouse La Rioja ist mittlerweile die Nummer zwei hinter Barcelona. Vor wenigen Jahren wäre dieser Verein vielleicht Zehnter in der Tabelle gewesen.

Q wie Qual: Ich bin fit, aber mein rechtes Knie ist eine Baustelle. Ich kann nicht mehr so lange stehen, dann tut es weh. Aber es macht mir immer noch Spaß, ab und zu im Training ein bisschen im Tor zu spielen. Ich habe damit als Vierjähriger angefangen – das ist mein Leben.

R wie Roxette: Keine Frage, Per Gessle und Marie Fredriksson haben Musikgeschichte geschrieben. Ich habe sie einmal etwa 200 Meter entfernt von meinem Elternhaus gesehen, das war 1987. Es ist eine überragende Leistung von Roxette gewesen, sich so lange Zeit ganz oben zu halten. Wenn Marie Fredriksson nicht an Krebs erkrankt wäre, hätten sie noch mehr Erfolge gefeiert.

S wie Silvia von Schweden: Unsere Königin, geboren in Heidelberg. Sie ist sehr beliebt in meiner Heimat und ein großes Vorbild. Mit ihr hatten wir großes Glück.

T wie Torwart: Im Handball die wichtigste Position, weil ein Torwart immer alle Möglichkeiten hat, ein Spiel allein zu drehen. Ein Schlussmann hat immer das letzte Wort – und nicht umsonst sagen die Trainer immer, dass sie eine gute Torwartleistung brauchen, um ein Spiel zu gewinnen.

U wie Urlaub: In Barcelona seinen Lebensmittelpunkt zu haben, ist ja wie Urlaub (lacht). Wenn wir Urlaub machen, dann oft in unserem Sommerhaus in Schweden, wo wir ab und an auch zu Weihnachten und Silvester sind. Sicherlich würde ich gerne auch einmal woanders hinreisen. New York hat mich bei meinen zwei Besuchen fasziniert. Aber da ich in Deutschland arbeite, bin ich froh, wenn ich mal in Barcelona oder Schweden sein kann.

V wie Valero Rivera: Bengt Johansson ist der beste Verbandstrainer aller Zeiten, auf Klubebene gilt das für Valero Rivera. Er hat etwa 60 Titel gewonnen und war mein Trainer in Barcelona. Er war als Mensch ganz anders als Bengt, legte besonders viel Wert auf Professionalität und Disziplin. Er war hart, sehr hart sogar. Und wenn er schlecht gelaunt war, war er sehr schlecht gelaunt. Gleichzeitig war die Zusammenarbeit mit ihm aber auch traumhaft schön, weil Valero rückblickend fast immer richtig lag und so erst viele Titel möglich wurden.

W wie Wislander: Magnus Wislander war neben Bengt Johansson die Schlüsselfigur für unsere Erfolge mit der schwedischen Nationalmannschaft. Er ist zum Jahrhundert-Handballer gekürt worden – und das völlig verdient. Ich habe mit keinem besseren Spielmacher und keinem besseren Abwehrspieler zusammen in einer Mannschaft gestanden, später kam Magnus dann auch noch am Kreis zum Einsatz. Er war also ein kompletter Handballer und hat bewiesen, dass er alles kann. Besonders imponiert haben mir auch seine Jahre bei Redbergslids IK Göteborg, als er zurück vom THW Kiel in die Heimat kam. Alle dachten, jetzt dreht er noch in Ruhe eine Ehrenrunde. Aber dem war nicht so – Magnus hat weiter Vollgas gegeben und ist vor allem immer ein sehr bodenständiger Mensch geblieben.

X wie X-Strahlen: Ich habe viel erlebt in meiner Karriere, aber keine großen Sportverletzungen. Klar, mein Knie macht Probleme, das Bein war gebrochen. Der wahrscheinlich größte Eingriff war allerdings eine Herzoperation. Ich hatte einen kleinen Herzfehler und spielte damit von 1990 bis 2002. Bei der Weltmeisterschaft 2001 im Halbfinale gegen Jugoslawien bekam ich dann riesige Herzprobleme – und da beschloss ich, mich operieren zu lassen. Außerdem machte mir einmal eine Appendizitis zu schaffen. Das war in meinem ersten Jahr in Madrid. Nach der Operation wurde ich wach und der Arzt rauchte mir direkt ins Gesicht – das war ein Erlebnis (lacht).

Y wie Ystad: Eine kleine Gemeinde in Südschweden. Dort ermittelt Kommissar Kurt Wallander in den Krimis von Henning Mankell. Ich habe fast all seine Bücher gelesen, ohnehin ist die schwedische Literatur auf dem Vormarsch. Man denke nur an Stig Larsson und seine „Millennium-Trilogie“. Ich lese abwechselnd schwedische und spanische Bücher. Ein deutsches Buch hatte ich angefangen, aber es war mir zu langweilig und ich habe es wieder weggelegt (lacht).

Z wie Zlatan Ibrahimovic: Ich habe lange überlegt: Ist Zlatan wirklich der beste schwedische Fußballer aller Zeiten? Jetzt glaube ich: Ja, das ist er. Zlatan hat einen ziemlichen harten Charakter, aber man muss auch sehen, wo er in Malmö aufgewachsen ist. Ich war einmal in diesem Viertel und habe dort in einer Schule ein Training für Kinder gemacht. Keines dieser Kinder konnte Schwedisch. Wer aus diesem Viertel kommt, für den geht es erst einmal nur ums Überleben. Und da kann man nur sagen, dass Zlatan das Beste aus seiner Kindheit gemacht hat.