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Die neue Sicht der Wirklichkeit

MANNHEIM. „Ich möchte anderen Menschen, die auch Probleme mit den Augen haben, zeigen, dass es geht.“ Karol Bielecki sagte dies gestern abschließend bei einer Pressekonferenz in Mannheim. Karol Bielecki ist Handball-Profi. Er verlor bei einem Testspiel seiner polnischen Nationalmannschaft gegen Kroatien das linke Auge.

Das war vor knapp sieben Wochen, im Laufe der vergangenen wies er nach, was wenige geglaubt hatten: Er bestritt 30 Minuten bei einem Testspiel gegen den Regionalligisten HN-Horkheim im Trikot der Rhein-Neckar-Löwen und erzielte auch das erste Tor.

„Ich war erstaunt, wie gefasst er einerseits war und andererseits niedergeschlagen, weil das Karriereende drohte“, erklärte Mannschaftsarzt Andreas Klonz rückblickend auf jenen Tag, als er Bielecki in Stuttgart in Empfang nahm und nach Tübingen in eine Spezialklinik brachte. „Er musste sich auf der Treppe überall festhalten“, fügte Klonz an. „Doch Karol hat gleich nach der zweiten Operation, als klar wurde, dass das Augenlicht verloren ist, auf Reha umgeschaltet.“

Die begann mit vielen Gesprächen in denen Bielecki deutlich gemacht wurde, „dass die Rhein-Neckar-Löwen nicht nur ein Verein, sondern auch ein Zuhause und eine Familie sind“, erklärte Manager Thorsten Storm. Parallel dazu begann früh die körperliche Arbeit. „Eine solche Verletzung war auch für uns eine neue Situation, aber wir hatten gute Informationen“, sagte Bernd Herbeck.

Der Physiotherapeur nahm Bielecki bei Sportomed in Mannheim unter seine Fittiche. Mit der Bewegungskoordination begann es. „Anfangs waren Sprünge nicht erlaubt, das musste nach und nach aufgebaut werden, wir haben geübt, einen Softball zu fangen, mit ihm zu laufen und ihn zu werfen. Es ist erstaunlich, dass das alles so schnell geklappt hat“, erklärte Herbeck.

Schon nach drei Wochen war Bielecki mit viel Freude wieder bei seinem ersten Training. „Ich muss einfach mehr Kopfbewegungen machen und mehr denken“, sagt der 2,02-Meter-Mann, der als einer der weltbesten Spieler auf der linken Rückraumposition gilt. Der 28-Jährige beweist ohne große Worte seine Willensstärke und er erstaunt das Publikum: „Ich möchte genauso spielen wie vorher, und ich möchte eine noch bessere Leistung bringen als in der vergangenen Saison.“

Mit Josip Valcic hat er keinen Kontakt. „Er konnte nichts dafür, es war ein Unfall“, sagt Bielecki, der künftig mit einer speziellen Schutzbrille spielen muss. „Sie ist weniger zum Schutz des linken Auges da, als vielmehr dem des gesunden rechten“, sagte Augenarzt Thomas Katlun, der es als wichtigen Schritt ansieht, dass Bielecki „wieder einen Ball in die Hand genommen hat“.

„Dass Karol Handballspielen kann, wissen wir, er wird es wieder tun und er wird es bei uns tun“, unterstrich Thorsten Storm den familiären Gedanken.

Gestern stand der „willensstarke Kämpfer, der keine Extrawurst und kein Mitleid wollte“ (Pressechefin Ute Krebs), beim Benefizspiel für Oleg Velyky auf der Platte. Schön!

Von Dietmar Einzmann

 27.07.2010