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Die Rückkehr des isländischen „Eiskriegers“ (MM)

Ex-Löwe Gudjon Valur Sigurdsson kreuzt heute mit dem THW Kiel in Mannheim auf / Angeblich ist Sigurmansson ein Thema als Ersatz für Gensheimer

MANNHEIM. Nein, ein normales Spiel sei das nicht für ihn, gesteht Gudjon Valur Sigurdsson. „So etwas zu behaupten, wäre Quatsch“, sagt der Linksaußen des THW Kiel vor dem heutigen Gipfeltreffen (20.15 Uhr/SAP Arena) der Handball-Bundesliga bei den Rhein-Neckar Löwen. Das liegt zum einen an der Tabellenkonstellation, zum anderen aber auch an seiner Vergangenheit. Denn es stehen sich nicht nur der Spitzenreiter und der Tabellenzweite gegenüber. Sigurdsson trifft auch auf seinen Ex-Klub.

Drei Jahre (2008-2011) trug der bei den Fans beliebte Isländer das gelbe Trikot. Er wurde Kapitän der Löwen und für seinen feinen Charakter geschätzt. Aufrichtig und ehrlich stellte sich der Blondschopf stets den Medien, vertrat die Interessen des Teams gegenüber der Klubführung, verausgabte sich in jedem Spiel. Nicht umsonst wird der Rechtshänder auch als „Eiskrieger“ bezeichnet. Der Vorzeige-Profi hatte bei den Badenern allerdings auch mit Verletzungen zu kämpfen. „Ich habe bei den Löwen viel über meinen Körper gelernt und bin allen Leuten ewig dankbar, dass sie mir geholfen haben, wieder auf die Beine zu kommen“, sagte er im Mai gegenüber dieser Zeitung.

Als sich 2011 die Wege trennten, obwohl der 33-Jährige noch einen gültigen Vertrag besaß, ging er nicht im Groll zu AG Kopenhagen. Nach dem Rückzug von Mäzen Jesper Nielsen konnten die Löwen ihn nicht mehr finanzieren: „Ich habe meine größten Erfahrungen in diesem Verein gemacht: gute und schlechte, in sportlicher und menschlicher Hinsicht. Es war nicht immer alles Friede, Freude, Eierkuchen – aber mir ist es wichtig, immer ehrlich gegenüber den Leuten zu sein. Denn wenn man sich trifft, sollte man sich die Hand geben und sich in die Augen schauen können. Das ist uns gelungen.“

Einen wie ihn könnten die Löwen jetzt nach Uwe Gensheimers Verletzung gut gebrauchen. „Uwe tut mir leid“, sagt Sigurdsson, der in der Verletzung des Löwen-Anführers, der gestern in Basel operiert wurde, nicht unbedingt einen Vorteil für den THW sieht: „Wenn ein Team solch einen Schock verkraften muss, rückt es oft noch enger zusammen.“ Möglicherweise wird sein Landsmann Stefan Rafn Sigurmansson (Haukar Hafnarfjördur) der Gensheimer-Ersatz bei den Löwen. Er soll ein Kandidat sein, wird in Island gemunkelt. Obwohl Löwen-Manager Thorsten Storm das zunächst ausgeschlossen hatte („Das ist ein Witz“), war auch Lars Christiansen ein Thema. Der Däne bestätigte eine Anfrage, die er aber abgelehnt habe.

Der Mythos Kiel

All das verfolgt Sigurdsson nur aus der Ferne, der Rechtshänder verließ Kopenhagen in diesem Sommer und ging nach Kiel. Was die Faszination dieses Vereins ausmache, sei schwer zu beschreiben, sagt der 33-Jährige. Er versucht es mit einem Satz: „Das ist der größte Klub im Welt-Handball.“ Ein Mythos eben.

Mittlerweile habe er sich im Norden gut mit seiner Familie eingelebt. „Es war ein bisschen stressig zu Beginn, die Kinder mussten zu einer neuen Schule. Wir hatten nach Olympia nicht viel Zeit, alles zu organisieren. Der THW hat uns aber geholfen und die Mannschaft mich gut aufgenommen. Es war ein Vorteil, dass wir alle Deutsch sprechen“, berichtet „Goggi“, der in der Bundesliga vor seinen drei Jahren bei den Löwen in Essen und Gummersbach spielte. Auch dort liebte und schätzte man ihn, nicht zuletzt wegen seiner Sprüche: „In Kiel gefällt mir das Wetter fast so gut ist wie in Island!“

Sigurdsson kam beim THW in ein Team, das 2011/2012 das Triple holte – und das diesen dreifachen Erfolg in dieser Runde gerne wiederholen würde. Woher kommt diese unglaubliche Gier? „Die Jungs hier reden nicht über das, was war, sondern nur über das nächste Spiel – und das soll gewonnen werden“, berichtet der Linksaußen, dass ihm das THW-Sieger-Gen schnell eingepflanzt wurde. Dass die Kieler in der Champions League schon zwei Spiele verloren, nimmt er mit Gelassenheit: „Die Saison ist noch lang, lass uns im Juni darüber reden.“ Soll heißen: Noch sind alle drei Titel möglich.

Von Marc Stevermüer