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Die Tabelle hängt über dem Bett (RNZ)

Hamburg/Mannheim. Er sprach leise. In kurzen, abgehackten Sätzen. Völlig emotionslos. Aber so ist er halt, der kleine Isländer. Die Rede ist von Gudmundur Gudmundsson, dem Trainer der Rhein-Neckar Löwen, dem Baumeister des gelben Höhenflugs. Am Mittwochabend war das, gegen 23 Uhr. Dem Abend, an dem das badische Handball-Flaggschiff an der Elbe fette Beute machte. In der O2-World, dem schicken Heimspiel-Tempel des HSV Hamburg, ließen es Uwe Gensheimer und Co. krachen. Überfallartig fielen die Löwen über den Ex-Meister her, gewannen mit 30:23, sorgten für das nächste ganz dicke Ausrufezeichen.

Gudmundsson hatte also eigentlich allen Grund mal aus sich raus zu gehen, stolz zu sein. Schließlich war es der zehnte Sieg im zehnten Spiel. Macht 20:0-Punkte, die Tabellenführung. Und was tat Gudmundsson? Der tat das, was er immer tut. Er sagte: „Wichtig ist, dass wir weiterhin den Ball flach halten.“

Klar, das wäre ratsam, aber nach so einer Gala muss feiern doch mal erlaubt sein. Komm Gudmi. „Nein, nein, so ist das nicht. Für uns geht es schon am Samstag in Gummersbach weiter.“ Schmunzelt der Trainer. Und beginnt plötzlich zu schwärmen. Von seinem Torhüter, dem jungen Dänen mit den fantastischen Reflexen. „Für mich war es ein Erlebnis zu sehen, was Niklas Landin in Hamburg geboten hat.“ Was er meinte? Na, die 27 Paraden, die unglaublichen Reflexe. „So etwas ist nicht normal, wobei ich die ganze Mannschaft loben muss. Jeder hat seinen Anteil am Sieg in Hamburg.“

Wie auch immer, langsam aber sicher werden sie unheimlich, diese Löwen. Denn immer, wenn man denkt, jetzt sind sie reif für die erste Saisonniederlage, packen die Badener wieder einen aus. Die Löwen haben sich gewandelt. Aus der Wundertüte, in der meist böse Überraschungen steckten, wurde eine Einheit, ein verschworener Haufen, der das Sieger-Gen in sich trägt. Vieles scheint möglich in dieser Saison. Eigentlich alles, selbst der Titel. Denn auch der ruhmreiche THW Kiel, der sich in Hamburg kürzlich zu einem 33:30-Sieg gemüht hatte, wird sich mittlerweile Gedanken machen.

Insbesondere die Defensive der Besten aus dem Südwesten verbreitet Angst und Schrecken. Auch der Löwen-Manager ist angetan vom badischen Bollwerk. Thorsten Storm, der Stolze: „Das geht eigentlich nicht besser als in Hamburg. Gerade die Abwehrarbeit und Niklas Landin waren überragend.“

Was bleibt ist die Frage, was macht die Löwen in dieser Saison so stark? Hat Gudmundsson vielleicht einen Zaubertrank gemixt, macht es wie Miraculix mit Asterix und Obelix? „Nein“, lacht der Löwen-Dompteur, „unser Erfolgrezept ist ganz simpel: wir kämpfen, spielen mit Herz, mit Leidenschaft, geben immer alles.“ Storm nickt, sagt: „In dieser Mannschaft steckt ein guter Geist. Es ist eben ein großer Unterschied im Profisport, wenn man zur Arbeit geht und sich auf die Kollegen freut.“

Der Manager freut sich eher im Hintergrund, ballt am Spielfeldrand die Fäuste. Und hat mittlerweile ein Ritual. Nach jedem Spiel hängt er sich die aktuelle Tabelle übers Bett, versüßt sich die Träume. Gudmundsson ist da anders. Er hat stets den Laptop neben dem Bett liegen. Zum Analysieren des nächsten Gegners. Der heißt nun Gummersbach.

Richtig, wieder Gummersbach. Erst Ende Oktober schossen sich die Löwen dort zu einem 32:25-Erfolg und zogen ins Achtelfinale des DHB-Pokals ein. Am Samstag, ab 15 Uhr, sollen bei den Oberbergischen auch zwei Ligapunkte her. Leicht wird’s nicht. Storm warnt schon mal: „Es ist für jeden Spieler schwierig, sich nach einem solchen sportlichen Highlight wie in Hamburg sofort auf Gummersbach zu konzentrieren.

Von Daniel Hund