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Die Vollendeten

Ein Blick auf den Pokalsieger-Kader der Rhein-Neckar Löwen und seine Protagonisten

Die Vollendeten: Ein Blick auf den Pokalsieger-Kader der Rhein-Neckar Löwen und seine entscheidenden Protagonisten.
Völlig losgelöst: Uwe Gensheimer feiert ein Tor.

Die Vollendeten: Es ist noch nicht lange her, da war die aktuelle Mannschaft der Rhein-Neckar Löwen totgesagt. Von den Experten. Von Teilen der eigenen Fans. Ja, sogar von sich selbst. Nach dem Wahnsinns-Wochenende von Köln hat sich diese Ansicht in ihr Gegenteil verkehrt. Voller Respekt spricht Handball-Deutschland von dieser Truppe, in der die meisten ihren allerersten Titel mit den Löwen eingefahren haben. Wir gehen den Kader von Köln einmal durch und stellen sie im Einzelnen vor, die DHB-Pokalsieger 2023.

Mikael Appelgren: Bis auf den EHF-Cup-Sieg 2013 hat Apfel alle Titel mit den Löwen miterlebt. Beim Pokalsieg 2018 wurde er mit dem Preis für den besten Torwart ausgezeichnet. Dieses Mal spielte der Weltklasse-Keeper auf dem Feld eher eine Nebenrolle. Von unschätzbarem Wert hingegen seine Bedeutung für die Mannschaft als Führungsspieler und Stimmungsmacher.

David Späth: Pokal-Held mit 20 Jahren? Und das bei „meinem Verein“, wie das Ausnahmetalent stets betont. Klingt gar nicht so schlecht. Im Halbfinale kam er für einen Siebenmeter, hielt diesen direkt. Im Finale parierte er die ersten sieben Würfe auf sein Tor, drei davon Siebenmeter, lag lange bei einer Paradenquote von 100 Prozent. Im Finale! Die Gratulationskur hinterher hatte sich der gebürtige Kaiserslauterer damit redlich verdient.

Joel Birlehm: „Ich habe einfach das kleine X gemacht und bin froh, dass es funktioniert hat.“ Der super-ehrgeizige Löwen-Keeper parierte den Siebenmeter von Magdeburgs Gisli Kristjansson mit einer recht standardmäßigen Torwartbewegung. Das Ergebnis dieser Parade war dann alles andere als gewöhnlich: Nach Albin Lagergrens Treffer zum 36:34 waren die Löwen Pokalsieger und Joel wurde beim Feiern seiner Eigenschaft als „Veranstaltungswart“ absolut gerecht.

Die Vollendeten: die späte Krönung des Uwe Gensheimer

Uwe Gensheimer: Zwei Löwen-Titel verpasste der Weltklasse-Linksaußen. Die Meisterschaft 2017 –dafür hatte er die von 2016. Und den Pokal 2018. Dafür wiederum hatte er zunächst nichts. Bis zu diesem historischen 16. April 2023. Im Finale zitterten ihm die Hände, Sinnbild für alles, was ihm dieser Titel bedeutete. Jetzt kann er seinen Frieden machen mit dem DHB-Pokal. Sein erster Treffer im Siebenmeterwerfen, als er Magdeburgs Mike Jensen eine Granate zentimetergenau über den nicht vorhandenen Scheitel zog, war DAS Zeichen der Unaufhaltsamkeit, das seine Kollegen in diesem Moment brauchten.

Niclas Kirkeløkke: Der Mann für alle Fälle. Wie in der dänischen Nationalmannschaft übernahm der eigentliche Rückraum-Rechte die Position auf dem Flügel, weil Kollege Groetzki kurzfristig krank geworden war. Zudem deckte Niclas in der Abwehr überwiegend auf halb – und machte dort genauso wie vorne einen Mega-Job. Eine weitere Sternstunde hatte der „Dynamit-Arm“ im Siebenmeterwerfen. An vierter Stelle trat der Schlacks aus Ringe an – und verwandelte eiskalt.

Die Vollendeten: Ein Blick auf den Pokalsieger-Kader der Rhein-Neckar Löwen und seine entscheidenden Protagonisten.
Juri Knorr im Halbfinale gegen Johannes Golla.

Robert Timmermeister: 2019 kam der gebürtige Niedersachse auf Initiative von Junglöwen-Koordinator Daniel Haase ins Löwen-Internat nach Kronau. Seine Bilanz kann sich jetzt schon sehen lassen: 2022 A-Jugend-Meister, 2023 Beförderung zu den Profis und auf Anhieb Pokalsieger. Wenngleich sich sein direkter sportlicher Anteil in Grenzen hält: Mit seinem professionellen und unterstützenden Auftreten, seinem Trainingsfleiß und als wertvolle Option auf halblinks und im Innenblock darf sich der 2,02-Meter-Hüne absolut zu Recht Pokalsieger nennen.

Juri Knorr: „MVP! MVP!“, so schallte es nach dem triumphalen Kölner Pokalsieg-Sonntag immer wieder durch die Löwen-Reihen. Nicht nur war der 22-Jährige der absolute Chef im Angriff. Auch in der Abwehr stand er, sofern er musste, seinen Mann. Dabei kassierte er auf beiden Seiten des Spielfelds gleich mehrere Wirkungstreffer, biss sich durch und versenkte Wurf Nummer drei im Siebenmeterschießen. Über seine Wahl zum wertvollsten Spieler des REWE Final4 2023 darf es nur eine Meinung geben: völlig verdient! Schöner kann ein Kindheitstraum nicht in Erfüllung gehen.

Die Vollendeten: Auch Albin Lagergren hätte MVP werden können

Benjamin Helander: Der finnische Flügelflitzer freute sich wie ein Schneekönig über seinen ersten Löwen-Titel. Damit krönte er nicht nur seine beiden Jahre in Gelb, bevor er zurückgeht in die schwedische Liga. Er fuhr damit auch die verdiente Ernte ein für seinen unermüdlichen Einsatz sowie seine Bedeutung für die positive Stimmung in der Mannschaft.

Albin Lagergren: Da steht er an der Siebenmeter-Linie in der LANXESS Arena. Vor ihm: der entscheidende Siebenmeter im Pokalfinale, und das ausgerechnet gegen seinen alten und künftigen Klub, den SC Magdeburg. Wie cool bleibt Albin Lagergren? Jaaaaaaaa! Nach seinem Treffer zum 36:34 sind die Löwen Pokalsieger. Und einer ihrer Helden ist zugleich ein ganz, ganz leiser. Laut sind einzig seine Aktionen auf dem Feld, von denen es ganz viele wichtige gab an diesem Wochenende. In Sachen MVP wäre auch der Mann mit der Nummer 23 ein logischer Kandidat gewesen.  

Patrick Groetzki: Erst war er die tragische Figur des Wochenendes. Krank im Bett statt mit den Jungs auf der Mission Pokalsieg. Brutal! Im Morgengrauen des Final-Sonntags machte er sich von Heidelberg aus auf den Weg nach Kölle, es ging gerade so. Er machte sich auch warm – aber an Spielen war nicht zu denken. So war er dann da, als es wirklich wichtig wurde: Als Kapitän stemmte er den Pokal als erster in die Höhe. So feierte er den fünften großen Löwen-Titel in zehn Jahren, als einziger aus dem Kader.

Olle Forsell Schefvert: Auf Anhieb Pokalsieger – dieses Kunststück gelingt nicht vielen. Verdienter als für den schwedischen Vorzeige-Arbeiter, der erst im Sommer 2022 von Wetzlar zu den Löwen kam, kann es kaum sein. Übersäht von zahlreichen Blessuren, beißt Olle seit Wochen auf die Zähne. Der Lohn dafür: der erste große Titel in Gelb! Im Finale übernahm der Abwehr-Chef Verantwortung, versenkte Siebenmeter Nummer zwei eiskalt. Hut ab, Olle, Hut ab!

Lukas Nilsson verblüfft alle

Die Vollendeten: Ein Blick auf den Pokalsieger-Kader der Rhein-Neckar Löwen und seine entscheidenden Protagonisten.
Lukas Nilsson bejubelt ein Tor im Halbfinale.

Niklas Michalski: „Unfassbar“, wiederholte der Löwen-Youngster mehrmals, als der Finalsieg in den Katakomben der Kölner Arena besprochen wurde. Dass dies der größte Moment in der noch sehr jungen Karriere des Rechtsaußen war, muss man nicht erklären. „Er hat große Schritte gemacht in dieser Saison“, attestiert u.a. Kollege Appelgren dem Mann mit der Nummer 26 eine starke Saison und großes Potenzial für weitere Erfolge.

Kristjan Horžen: 2021 zu den Löwen gekommen, hat sich die slowenische Kreisläufer-Maschine kontinuierlich entwickelt. Auf dem Höhepunkt dieser Entwicklung gab es nun den Pokalsieg, und man sah völlig zu Recht einen tagelang nur noch strahlenden Kristjan Horžen. Wenn auch sein direkter sportlicher Anteil als eher klein zu bezeichnen ist, so war es nicht zuletzt seine positive Ausstrahlung, die den Kollegen Mut und Kraft zusprach. Noch wichtiger: Im Fall der Fälle hätten sie gewusst: Auf das blonde Kraftpaket ist Verlass.

Ymir Örn Gislason: Für den Wikinger im Löwen-Innenblock war dies ein ganz besonderer Triumph. Seit 2020 rackert und schuftet er in der Abwehrzentrale, kassiert ständig Schläge, teilt aber auch ordentlich aus. Nun also der Lohn für all die Leiden. Zumal ihm durch die frühe Verletzung von Halil Jaganjac eine sehr große Rolle zukam in dieser Saison. Ymir füllt diese Rolle in exzellenter Art und Weise aus.

Lukas Nilsson: Vielleicht musste ja alles so kommen. Die meist weniger glücklichen Auftritte der vergangenen Monate, die Verletzungen und Blessuren, die Zweifel und der Frust. Vielleicht musste sich das alles so weit anstauen, bis es dann zur Entladung kam – und das in genau dem richtigen Moment. Lukas Nilsson ist definitiv eine der positivsten Überraschungen in Köln gewesen, einer der Garanten für den Erfolg. Hinterher wollte er den Pokal gar nicht mehr aus der Hand geben. Und alle Löwen haben es ihm gegönnt.

Die Vollendeten: x-Faktor Jannik Kohlbacher

Fabian Schwarzer: Der Löwen-Youngster rückte für den erkrankten Patrick Groetzki in den Halbfinal-Kader und unterstützte seine Kollegen mit Feuereifer von der Bank aus. Die Kader-Nominierung ist für den jungen Rechtsaußen die größtmögliche Auszeichnung gewesen, vor allem für starke Leistungen bei den Junglöwen sowie im Profi-Training. Nun darf er sich zudem auch noch Pokalsieger nennen.

Jannik Kohlbacher: Der x-Faktor in Köln. Coach Sebastian Hinze stellte die Odenwälder Schrankwand in den Innenblock, womit ihm der taktische Kniff des gesamten Wochenendes gelang. In beiden Spielen machte Kohli mit seinen Nebenleuten das zuletzt in der Liga so wackelige Zentrum wieder dicht. Vorne galt wie immer: Aufhalten kann man diesen Menschen nicht. Auch für Jannik ist es der erste Löwen-Titel – und Handball-Deutschland gönnt es ihm von ganzem Herzen.

Halil Jaganjac: Keiner wird zurückgelassen! Schon gar nicht die tragischste Figur im Löwen-Kader. Nach überragendem Saisonstart verletzte sich Halil beim Spiel in Erlangen schwer an der Schulter, wird in dieser Spielzeit wohl nicht mehr auflaufen. So sitzt er bei jedem Spiel hinter der Löwen-Bank, feuert an wie es nur geht. Und darf sich, wie alle anderen auch, völlig zu Recht Pokalsieger nennen.