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„Die zurückliegenden Monate haben sehr viel Energie gekostet“

Geschäftsführer Thorsten Storm zieht Bilanz

Geschäftsführer Thorsten Storm zieht Bilanz und blickt zufrieden auf die zurückliegenden Wochen. Sportlich könnte es kaum besser laufen: „Gute Handballer hatten wir auch vorher, aber jetzt marschieren alle in eine Richtung“, lobt der Löwen-Macher das Team.

Herr Storm, 19 Spieltage liegen hinter den Rhein-Neckar Löwen und die Mannschaft überwintert als Tabellenführer der Handball-Bundesliga. Wie stolz sind Sie auf dieses Team?

THORSTEN STORM: Sehr stolz. Wir haben bei uns schließlich fast alles reduziert – außer die sportliche Leistung. Die haben wir gesteigert. Natürlich freuen wir uns über unsere Entwicklung bei den Löwen. Die zurückliegenden Monate haben aber bei allen Beteiligten Spuren hinterlassen und sehr viel Energie gekostet. Ich möchte mich deshalb erst einmal bei allen bedanken, die uns in dieser schwierigen Situation unterstützen.

Mit Blick auf die knappe Vorbereitung und den personellen Umbruch war das so sicher nicht zu erwarten. Was waren für Sie die Erfolgsfaktoren für diesen Coup?

STORM: Bestimmte Schlüsselspieler haben wir mit Weitblick sehr frühzeitig an uns gebunden. Und die kurzfristigen Verpflichtungen passen sowohl menschlich als auch von der Einstellung her. Gute Handballer hatten wir auch vorher, aber jetzt marschieren alle in eine Richtung.

Kann es in der Rückrunde so weitergehen oder ist der Kader vielleicht doch zu eng?

STORM: Der jetzige Kader ist natürlich sehr dünn besetzt. Ausfälle wie Alex Petersson und Uwe Gensheimer gleichzeitig kann keine Mannschaft so einfach wegstecken. Unsere Besetzung schon gar nicht.

Die Veränderungen waren nach dem Ausstieg von Jesper Nielsen nicht zuletzt der wirtschaftlichen Situation geschuldet. Teilweise wurde sogar über den Fortbestand der Löwen spekuliert. Wie dramatisch war die Lage wirklich?

STORM: Wir müssen nach wie vor aufpassen und ganz eng zusammenstehen. Der Handball geht allgemein überall ganz anderen Zeiten entgegen. Auch der Profisport hängt an Konjunktur und der wirtschaftlichen Gesamtsituation. Aber wir hatten hier zusätzlich einen Fast-Totalschaden zu reparieren. Da hat man gesehen, dass wir alle Kämpfer sind. Wir haben einen großen wirtschaftlichen Einschnitt hinter uns und noch sehr viel Arbeit vor uns. Kommen die Fans und unterstützt uns die Wirtschaft in der Region, werden wir Schritt für Schritt wieder gesunden.

Und wo steht der Verein jetzt nach sechs Monaten? Muss auch in der Zukunft weiter gespart werden?

STORM: Wir werden den Etat weiter reduzieren müssen. Aber das wird überall in der Handballwelt der Fall sein.

Selbst Spitzenklubs wie Hamburg müssen drastisch sparen. Sind die goldenen Jahre endgültig vorbei?

STORM: Hier werden an den Stellschrauben der Handballwelt große Fehler gemacht. Wir haben einen tollen Sport und gerade in Deutschland riesiges Potenzial. Der Welthandball, also eine Weltmeisterschaft oder das Champions-League-Viertelfinale oder eine EM, spielt sich aber im Grunde auf den Rücken von immer den gleichen Spielern ab. Davon stehen die meisten auch in Deutschland unter Vertrag, die in den Wettbewerben regelmäßig weit kommen. Die Bundesliga muss den Weg vorgeben. Sonst ist das Vermarktungspotenzial nie nutzbar und wir spielen uns mit einem überfüllten Terminkalender kaputt.

Wenn die Liga wieder auf Normalmaß läuft, scheint das Feld hinter dem THW Kiel breiter zu werden. Klubs wie Hannover, Wetzlar oder Melsungen bringen sich in Position. Wo finden sich da die Löwen wieder?

STORM: Wir müssen unsere Hausaufgaben weiterhin machen. Den großen personellen Umbruch haben wir bei den Löwen bereits hinter uns und eine sehr junge Mannschaft mit großem Potenzial. Wollen wir diese Spieler halten und uns zudem noch verstärken, müssen wir den Klub alle zusammen weiterentwickeln.

Auf europäischer Ebene sind die Löwen weiter im EHF-Cup am Ball. Was ist nach dem Aus gegen Göppingen im Vorjahr in diesem Wettbewerb möglich?

STORM: Es wird sehr wichtig sein, in den entscheidenden Momenten alle Mann an Bord zu haben und von Verletzungen verschont zu bleiben. Generell muss man sich allerdings fragen, ob es zurzeit Sinn macht, europäisch dabei zu sein. Wirtschaftlich ist das für uns ein Fiasko. Teure Reisen, müde Spieler und ein zusätzliches Verletzungsrisiko, um am Ende ein Final Four in Nantes zu spielen, bei dem der Sieger der vier Teilnehmer finanziell maximal die Hälfte von dem erreichen kann, was wir einnehmen würden, wenn wir ein Halbfinale in Mannheim austragen würden. Wahnsinn.

Im EHF-Cup wird jetzt auch mit Gruppenphase und Final Four gespielt. Offenbar sieht die EHF noch Luft nach oben, was die Belastung der Spieler angeht?

STORM: Ich denke, dass es gut war, die beiden Wettbewerbe Pokalsieger- und EHF-Cup zusammenzulegen. Aber ein Final Four gibt dieser Wettbewerb nicht her. Der Modus im EHF-Cup ist ein Fehler und die Klubs bezahlen ihn, obwohl die Kassen überall leer sind.

Löwen-Kapitän Uwe Gensheimer fällt lange mit einem Achillessehnenriss aus, Alexander Petersson hatte zuletzt Schulterprobleme und bei einigen anderen Stützen zeigte die Formkurve zwischenzeitlich deutlich nach unten. Sehen Sie hier einen Zusammenhang mit der Belastung?

STORM: Verletzungen gehören zum Handball und zum Sport allgemein dazu. Das passiert. Aber wenn ich zu viel Sport treibe oder meinen Körper ständig überlaste, ist das Verletzungsrisiko deutlich größer. Unsere Spieler werden verheizt. Was meinen Sie, wie wir alle zittern, wenn Patrick Groetzki nach seiner langen Verletzungspause jetzt im Januar für Deutschland eine WM spielt.

Zwischen Weltverband, europäischem Verband und den Ligen wird die Diskussion schon seit Jahren ergebnislos geführt. Sehen Sie Licht am Ende des Tunnels?

STORM: Nein. Es ist keine Einigung in Sicht. Dafür sind die Interessen einfach grundsätzlich zu verschieden. Die Klubs außerhalb Deutschlands wollen eine Europaliga. Die haben wir mit der Champions League eigentlich bereits. In Deutschland müssen Bundesliga und Nationalmannschaft ihre Kräfte bündeln. In Deutschland steckt das größte Potenzial, was Vermarktung und Wertschöpfung unserer Sportart betrifft. Wir müssen die Bundesliga schützen und hier die Regeln festlegen, wann wir unsere Spieler an anderen Wettbewerben teilnehmen lassen. Dann geht es den Klubs wieder besser, weil mehr Geld in die Kassen fließt und die Spieler verdienen ordentliches Geld. Ansonsten bricht das System zusammen.

Bundestrainer Martin Heuberger hat zuletzt angeregt, die Ligen zu verkleinern oder in den Olympia-Jahren auf eine WM/EM zu verzichten. Können Sie mit diesen Vorschlägen etwas anfangen?

STORM: Alle Wettbewerbe müssen reduziert werden. Eventuell auch die Bundesliga. Wichtig ist, dass hier weniger Quantität mehr Qualität bedeutet, das gibt uns auch neue Möglichkeiten in der Vermarktung.

Der Jahreswechsel ist immer auch die Zeit für Wünsche und gute Vorsätze. Wie sieht es da bei Ihnen aus?

STORM: Gesundheit, Glück und Ehrlichkeit sowie den Mut, wichtige und längst überfällige Dinge zu verändern – das wünsche ich uns allen.