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„Dieses Jahr werde ich nie vergessen“ (MM)

Löwen-Trainer Gudmundur Gudmundsson über die vergangene Saison und das Potenzial des EHF-Cup-Siegers

MANNHEIM. Seit September 2010 steht Trainer Gudmundur Gudmundsson bei den Rhein-Neckar Löwen auf der Kommandobrücke. Aber erst in der zurückliegenden Spielzeit konnte der Isländer eine Mannschaft aufs Parkett schicken, die weitgehend seinen persönlichen Vorstellungen entsprach. Der Erfolg gab dem 52-Jährigen recht, der nach dem 35:22-Abschlusssieg gegen Balingen-Weilstetten in folgendem Interview auf die erfolgreichste Löwen-Saison seit deren Bundesliga-Zugehörigkeit zurückblickt und sich bereits Gedanken über die nächste Spielzeit macht.

Herr Gudmundsson, den EHF-Cup gewonnen, Platz drei in der Bundesliga mit dem Löwen-Rekord von 54 Punkten und in der nächsten Saison wieder in der Champions League dabei – diese Saison wird auch Ihnen in Erinnerung bleiben, oder?

Gudmundur Gudmundsson: Dieses Jahr werde ich nie vergessen. Vor dieser Runde wussten wir nach dem personellen Umbruch nicht, wo wir stehen. Aber nach einem sehr guten Start ging es immer weiter – bis zu diesen Erfolgen. Was dieses Team trotz der vielen Verletzten geschafft hat, ist absolut beeindruckend.

Wann hatten Sie das Gefühl, dass mit diesem Team mehr als nur ein gutes Übergangsjahr drin ist?

Gudmundsson: Um ehrlich zu sein: relativ früh. Wir hatten trotz der Tatsache, dass einige unserer Neuzugänge direkt von Olympia kamen, eine optimale Vorbereitung. Ich habe schon bei den Turnieren in Sindelfingen und in Wernigerode gesehen, dass wir ein tolles Torhüter-Duo haben und dass diese Mannschaft eine gute Abwehr spielen kann. Darauf konnten wir aufbauen und das hat uns auch den tollen Start in die Saison ermöglicht.

Dass die Löwen lange dem THW Kiel Paroli boten und Halbzeitmeister wurden, war dann aber doch überraschend . . . 

Gudmundsson: Natürlich. Mit unserem Selbstbewusstsein hat sich dann einiges verselbstständigt. So etwas kann man nicht planen. Schade war dann, dass wir es im ersten direkten Duell mit Kiel nicht geschafft haben, an unsere vorherigen Leistungen anzuknüpfen. Das war sehr enttäuschend.

In der Rückrunde folgte das Aus im DHB-Pokal und auch die Spiele gegen die Top-Teams wie Hamburg, Flensburg, Kiel und Berlin gingen allesamt verloren. Hatten die Löwen zuvor über ihre Verhältnisse gespielt?

Gudmundsson: Wir mussten natürlich dem Kräfteverschleiß durch die Gruppenphase im EHF-Cup und den vielen Verletzungen Tribut zollen. Teilweise hatten wir überhaupt keine personellen Alternativen mehr. Aber über die gesamte Saison haben wir abgesehen von den Spielen gegen Kiel die Duelle gegen die Top-Teams ausgeglichen gestalten können. Der Unterschied zur Vorsaison war zudem, dass wir uns weniger Ausrutscher geleistet haben und immer wieder auch Spiele aus dem Feuer gerissen haben, die schon verloren schienen. Das hat auch viel mit dem Charakter dieser Mannschaft zu tun.

Wann haben Sie die Zielsetzung offiziell korrigiert?

Gudmundsson: Nachdem wir als Tabellenführer in die WM-Pause gegangen sind, wussten wir, dass wir die Champions League tatsächlich erreichen können. Auch das Final-Four-Turnier um den EHF-Cup war da schon ein klares Ziel. Aber noch einmal: Unsere Herangehensweise von Spiel zu Spiel war am Beginn der Saison kein leeres Gerede. Wir wussten schließlich wirklich nicht, wo wir stehen.

Was hätte noch besser laufen können?

Gudmundsson: Dass wir gegen Kiel zweimal so chancenlos waren, war schade. Auch die Punktverluste in Lübbecke oder zu Hause gegen Göppingen waren unnötig. Aber ich denke, nach so einer Saison können wir das verschmerzen, wir hatten in anderen Phasen schließlich auch etwas Glück.

Im nächsten Jahr muss Serienmeister Kiel seine Mannschaft umbauen. Gibt das der Liga die Chance, den Primus anzugreifen und welche Rolle können die Rhein-Neckar Löwen dabei spielen?

Gudmundsson: Auch wenn in Kiel einige Leistungsträger gehen, kommen auch wieder Weltklassespieler hinzu. Der THW wird wieder eine sehr, sehr starke Mannschaft haben. Aber für einige Klubs wird sich vielleicht tatsächlich die Möglichkeit ergeben, zu attackieren. Die SG Flensburg-Handewitt oder auch Hamburg gehören für mich dazu. Auch die Füchse Berlin, Magdeburg oder Hannover können sicher eine gute Rolle spielen.

Und die Löwen?

Gudmundsson: Unser Vorteil ist, dass wir eine eingespielte Mannschaft haben, aber wir müssen auch ohne Leistungsträger wie Alexander Petersson oder Zarko Sesum in die neue Spielzeit starten. Deshalb hängt es davon ab, mit wem wir uns verstärken können. Bevor das nicht feststeht, bringt es nicht viel, über unsere Aussichten zu spekulieren.

Wie lautet hier der Zeitplan?

Gudmundsson: Wir haben bereits Kontakte geknüpft, vielleicht können wir Mitte Juni schon etwas vermelden.

Wie verbringen Sie persönlich die Pause bis zur Vorbereitung?

Gudmundsson: Ich freue mich auf meine Heimat Island.

 

Von Thorsten Hof