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„Dort, wo jeder Handballer hin will“

Heidelberg. Es war wohl d e r Tiefpunkt bin der bisherigen Saison. Die kürzliche Leistung beim VfL Gummersbach ging gar nicht. Da war keine Bewegung, kein Einsatz, kein Glanz. Nichts! Bei den Oberbergischen blamierten sich die Rhein-Neckar Löwen, die Handball-Stars aus dem Kronauer Trainingszentrum bis auf die Knochen. Und ausgerechnet auf diesen Tiefpunkt soll nun am Wochenende ein historischer Höhepunkt folgen: der erste Titel, das Ausrufezeichen beim Final Four der Champions League. Im Halbfinale wartet in der Kölner Lanxess Arena zunächst der FC Barcelona. Am Samstag um 15.15 Uhr wird es angepfiffen. Klar ist: Will man die Riesen aus Katalonien tatsächlich ins Wanken bringen, muss vieles passen, kaum etwas schiefgehen. Ein Sahnetag sollte es sein. So einen wie sie ihn schon häufiger hatten, die Löwen. Und zwar meist dann, wenn es gegen die vermeintlich Großen, die Schwergewichte ging.

Genau das ist es auch, was zuversichtlich stimmt, was gegen ein neuerliches Desaster spricht. Dementsprechend locker bleibt der Trainer. Gudmundur Gudmundsson, 50, ist die Ruhe selbst. Er sagt: „Andere Aufgabe, anderer Wettbewerb. Wir werden andere Löwen sehen, ganz klar!“ Zu entlocken war ihm das gestern. Auf der Autobahn. Im Bus. Während der Anreise nach Köln. Richtig gesprächig war er, voller Vorfreude auf seine erste berufliche Mission beim Gipfeltreffen um die europäische Handball-Krone.

> Gudmundur Gudmundsson, die Leistung in Gummersbach dämpft die Final-Four-Euphorie erheblich. Was war dort eigentlich los?

Ich denke, dass der eine oder andere im Hinterkopf schon zu sehr mit dem Final Four beschäftigt war. Was natürlich nicht sein darf. Aber nun ist es eben passiert. Es ist deshalb wichtig, dass wir nach vorne schauen und insbesondere unsere Defensivarbeit verbessern. Aber ich mache mich nicht verrückt, schließlich hatten wir derartige Spiele schon häufiger und konnten sie dann wegstecken.

> Werden die Fans am Wochenende andere Löwen erleben?

Natürlich, das ist keine Frage. Man merkt einfach, wie heiß alle sind. Denn wir sind dort, wo jeder Handballer hin will. Es ist ein einzigartiges Erlebnis, eine Traumaufgabe, die wir natürlich bestmöglich lösen möchten. Dass wir das können haben wir in dieser Saison bereits häufiger gezeigt, gerade gegen die Topteams.

> Es ist Ihr erstes Final Four in der Königsklasse.

Ja, zumindest aus beruflicher Sicht. In der letzten Saison war ich als Zuschauer vor Ort. Das ist ein richtiges Fest. Doch daran denke ich derzeit ehrlich gesagt nicht. Für mich stehen andere Dinge im Fokus. Zum Beispiel, dass ich meine Mannschaft optimal auf dieses Ereignis einstimme und vorbereite. Nichts soll dem Zufall überlassen werden. Selbst das Training haben wir an unseren Rhythmus angepasst: Am Freitag um15.15 Uhr, also exakt 24 Stunden vor dem Semifinale gegen Barcelona, werden wir in der Lanxess Arena trainieren.

> Wie stark ist Barcelona einzuschätzen?

Schwer zu sagen.Wir mussten in der Vorrunde zwei Mal gegen sie antreten, haben ein Mal gewonnen und ein Mal unentschieden gespielt. Trotzdem sind wir sicher nicht der Favorit. Doch ich bin da_ von überzeugt, dass sie großen Respekt vor uns haben werden. Und das zu Recht: Wir haben 17 Spiele hinter uns, gegen große Mannschaften gewonnen: unsere Teilnahme am Final Four ist deshalb kein Zufall, sondern verdient.

> Wo liegen die Stärken der Spanier?

Es wäre einfacher die Schwächen aufzuzählen, da gibt es nämlich kaum welche. Sie sind auf allen Positionen doppelt besetzt. Der Schlüssel zum Erfolg könnte sein, dass wir hinten ordentlich decken. Dadurch kommen wir zu schnellen Gegenstößen und genau die brauchst du, wenn du die Großen schlagen willst. Und natürlich noch etwas: Bloß nicht so viele technische Fehler wie gegen Gummersbach.

> Personell sah es zuletzt nicht gut aus. Und jetzt?

Deutlich besser. Ivan Cupic und Börge Lund werden uns wohl beide wieder zur Verfügung stehen. Selbst Michael Müller wird nach seiner Knieverletzung wieder auf der Bank sitzen. Das ist schon ein kleines Wunder.

Von Daniel Hund

 27.05.2011