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Ein Rückfall, der ein Einzelfall bleiben soll
Mannheim. Es herrschte Katerstimmung bei den Löwen. Lange Gesichter sah man, Frustrierte überall. Egal, ob Spieler oder Verantwortliche, sie zerstreuten sich am Dienstagabend schnell in alle Himmelsrichtungen. Kaum einer kreuzte noch im Business-Club, oben in der zweiten Etage der SAP Arena auf. Kein Schlummertrunk, kein Mitternachts-Happen. Gestrichen, kurz und schmerzlos.
Oliver Roggisch, Abwehr-Spezialist von Beruf, war einer der ersten, die durch den Pressebereich in Richtung Ausgang schlenderten. Frisch geduscht war er, die Sporttasche baumelte lässig über der Schulter, wippte hin und her: „Feierabend“, seufzte der Nationalspieler, „jetzt ist Feierabend!“ Doch eins fehlte: die Feierabend-Laune, die gute. Die war beim besten Willen nicht erkennbar. Das sah man, das spürte man: „Solche Spiele“, grummelte Roggisch, „solche Spiele machen keinem Spaß. Uns nicht und den Zuschauern nicht.“
Dem DHC Rheinland hingegen schon. Denn der hielt tatsächlich mit. Der krasse Außenseiter erkämpfte sich in der Höhle der Löwen ein respektables 28:31. Aber kann sich der DHC darauf tatsächlich etwas einbilden? Patrick Groetzki, das Löwen-Juwel, meint nein. Seine Analyse, seine vernichtende Analyse: „Wir haben uns heute dem Niveau des Gegners angepasst, dem Niveau eines Abstiegskandidaten!“ Selbstkritisch ist er, dieser Groetzki. Wobei er selbst diesmal alles richtig machte. Er spielte die erste Halbzeit durch, bekam kaum Bälle, aber die, die er bekam, verwertete der Pforzheimer eiskalt. Neben dem bärenstarken Kasa Szmal und Bjarte Myrhol war Groetzki einer der wenigen Lichtblicke an diesem tristen Arena-Abend.
Trainer Gudmundur Gudmundsson wird es registriert haben, hat seit Dienstagabend, seit dem ersten wirklich schlechten Spiel unter seiner Regie, aber andere Sorgen. Wer Gudmundsson, den akribischen Arbeiter, näher kennt, weiß, dass die Nacht auf Mittwoch für ihn wohl zu einer langen und unruhigen wurde. „Ich bin enttäuscht von meinen Jungs. Sie haben einfach zu viele leichte Fehler produziert“, grübelte der Isländer noch auf dem Pressepodium, bevor er sich auf den Heimweg machte.
Doch bei all dem Frust, bei all der Kritik am glanzlosen Auftritt: Gewonnen ist gewonnen. Zwei Punkte sind zwei Punkte. Die nimmt ihnen keiner mehr. Wenigstens ein bisschen Freude musste deshalb doch drin sein, zumindest ein klitzekleines, ganz kurzes Siegerlächeln. Nicht mit Gudmundsson: „Mit solch einem Spiel darfst du nie zufrieden sein. Sieg hin oder her.“ Ein Perfektionist durch und durch. Und das färbt ab. Auf Grzegorz Tkaczyk zum Beispiel. Der Rückraum-Schütze: „So etwas darf nicht passieren. Wir müssen schleunigst besser werden.“
Stimmt. Denn schon am Sonntag wird es schwerer, härter. Es ist Champions-League-Zeit. Die Löwen wollen, müssen bei Vive Kielce die Krallen ausfahren. Tkaczyk fiebert dem Gastspiel in seiner polnischen Heimat bereits entgegen: „Vor meinen Landsleuten zu spielen, motiviert mich sehr.“ Zu verschenken hat er aber nichts. Es soll ein erfolgreicher, ein siegreicher Königsklassen-Abstecher werden. So ist der Plan, das Ziel. Aber dazu muss sich einiges ändern. Eine Steigerung des Rudels ist Pflicht. Gudmundsson warnt schon: „Kielce hat sich zuletzt deutlich gesteigert.“ Der THW Kiel kann ein Lied davon singen. Die ersatzgeschwächten „Zebras“ mühten sich am letzten Wochenende zu einem 33:29_Sieg. Und ein Kielce-Ass wird am Sonntag möglicherweise besonders motiviert sein: Mariusz Jurasik, der Ex-Löwe.
Von Daniel Hund
14.10.2010