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Ein Schwabe in Baden? „Warum nicht?“

Von Anspannung keine Spur: In der Handball-Bundesliga trifft der TBV Lemgo heute (20.15 Uhr) im Spitzenspiel auf die Rhein-Neckar Löwen. TBV-Spielmacher und Nationalmannschafts-Kapitän Michael Kraus nahm sich gestern Zeit für ein Interview.

Herr Kraus, mit Lemgo haben Sie einen 46:23-Kantersieg im EHF-Cup gegen Buducnost Podgorica eingefahren. Wie sehr schmerzt es, dass Sie nicht in der Champions League spielen?

Michael Kraus: Natürlich macht solch eine Partie nicht viel Spaß. Aber der EHF-Cup ist in dieser Saison gut besetzt, wenn ich da nur an unsere Bundesliga-Rivalen Flensburg und Göppingen denke. Aber auch Celje und Aragon darf man nicht unterschätzen. Nichtsdestotrotz schmerzt es, dass wir nicht in der Champions League dabei sind.

Nach dem geplatzten Traum von der Königsklasse musste Trainer Markus Baur gehen. Bedauern Sie seinen Abgang?

Kraus: Wir hatten hier einen Dreijahres-Plan und in Baur einen jungen Trainer. Das wusste jeder. Doch ihm wurde nicht die Zeit gegeben, die er vielleicht gebraucht hätte. Allerdings ist auch klar, dass der Trainer immer das schwächste Glied ist. Und wir haben wirklich katastrophale Leistungen in der Saison-Vorbereitung gezeigt und dazu die Champions League verpasst. Da blieb der Klubführung fast keine andere Wahl. Und mit Volker Mudrow ist der Erfolg zurückgekehrt.

Bei den Löwen könnten Sie in der Königsklasse spielen. Warum haben Sie ihr Arbeitspapier in Lemgo bis 2012 verlängert?

Kraus: Als ich den neuen Vertrag unterschrieben habe, bin ich davon ausgegangen, dass wir die Champions League erreichen. Das war ein ganz wichtiger Aspekt für mich. Leider haben wir unser Ziel nicht erreicht, jetzt nehme ich mit dem TBV einen neuen Anlauf. Wenn es am Ende wieder nicht reicht, wird man sich sicher einmal zusammensetzen und alle Möglichkeiten ausdiskutieren müssen. Mein Anspruch als Kapitän der Nationalmannschaft muss es sein, in der Champions League zu spielen. Das werde ich mir nicht nehmen lassen.

Den Löwen würden Sie gut zu Gesicht stehen.

Kraus: Natürlich verfolge ich die Entwicklung dieses Klubs ganz aufmerksam. Ich komme schließlich als gebürtiger Göppinger aus dem Süden.

Entschuldigung, aber Sie sind Schwabe. Kann man da in Nordbaden glücklich werden?

Kraus (lacht): Warum denn nicht? Es heißt schließlich Baden-Württemberg. Und außerdem käme ich ja aus Lemgo und somit als Ostwestfale nach Mannheim.

Ihnen haftet das Lebemann-Image an. Nervt Sie das?

Kraus: Überhaupt nicht. Ich bin ein extrovertierter Typ, stehe gerne vor der Kamera und habe überhaupt kein Problem damit, Fotos von mir schießen zu lassen.

Sie brauchen allerdings ab und zu einen tritt in den Hintern.

Kraus: Nein, eigentlich überhaupt nicht.

Aber der Bundestrainer hat Sie nach dem Supercup kritisiert. Und 2008 hat er Sie schon einmal aus dem Kader verbannt.

Kraus: Damals war es ein Schuss vor den Bug zur richtigen Zeit. Ich hatte meine Ziele aus den Augen verloren, aber der Rummel nach dem WM-Titel 2007 war für mich jungen Kerl auch nicht ganz so einfach. Aber das ist eine uralte Geschichte. Ich bin zu 100 Prozent Profi-Handballer. Und dass der Bundestrainer mich nach einer schlechten Leistung mal kritisiert, ist doch normal.

Mit der Nationalmannschaft haben Sie den Supercup gewonnen. Gehört die DHB-Auswahl schon wieder zur Weltspitze?

Kraus: Wir haben auf jeden Fall ein Ausrufezeichen gesetzt, wenngleich der Supercup nicht überbewertet werden darf. Bei der Europameisterschaft werden wir noch besser spielen müssen, um erfolgreich zu sein.

Ist der Halbfinaleinzug realistisch?

Kraus: Es wird schwierig. Aber wenn man von einer erfolgreichen EM sprechen möchte, muss das Halbfinale das Ziel sein.

Wer werden die zwei Linksaußen im deutschen Kader sein? Schafft es der Löwe Uwe Gensheimer?

Kraus: Gute Frage: Ich denke, dass Torsten Jansen gesetzt ist. Den zweiten Platz werden Dominik Klein und Gensheimer unter sich ausmachen. Dieses Luxusproblem hätte der Bundestrainer sicherlich lieber im Rückraum.

Sie wurden als einziger deutscher Feldspieler für die Weltauswahl nominiert. Das Spiel gegen Kroatien findet zwar nicht mehr statt, aber sind Sie neben Torwart Johannes Bitter der einzige deutsche Weltklasse-Mann?

Kraus: Nein, ganz bestimmt nicht. Es gibt mehrere deutsche Weltklasse-Spieler, zum Beispiel Jansen, Pascal Hens, Holger Glandorf und Oliver Roggisch. Er tritt als Abwehrchef eben nicht groß in Erscheinung.

Von Marc Stevermüer