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Ein Titel brächte mehr Ruhe und Gelassenheit

Henning Fritz (35) ist neben Olafur Stefansson der Titeljäger bei den Rhein-Neckar Löwen. 2007 Weltmeister, 2004 Europameister, Champions-League-Sieger 2007, fünfmaliger deutscher Meister (2001 mit Magdeburg, 2002, 2005, 2006, 2007 mit Kiel), zweifacher Pokalsieger (1996 mit dem SCM, 2007 mit den „Zebras“) – die Liste ist lang, 14 Titel hat „Fritze“ gesammelt. Vor dem heutigen Halbfinale (13.15 Uhr) sprach die RNZ mit dem gebürtigen Magdeburger übers Final Four, den Status quo und die Zukunftsperspektiven der noch titellosen Löwen.

Henning Fritz, Sie kennen das Gefühl, Pokalsieger zu sein. 1996 wurden Sie es mit dem SC Magdeburg, 2007 mit dem THW Kiel. Welche Erinnerungen sind mit diesen beiden Erfolgen verbunden?
Sie sind unterschiedlich. 1996 war etwas ganz Besonderes, denn es war der erste Titel überhaupt und der erste Erfolg in der Bundesliga für Magdeburg. 2007 mit dem THW Kiel (33:31 im Finale gegen die Löwen, Anm. der Red.) war alles ganz anders, weil ich auf Grund einer Verletzung gar nicht eingreifen konnte. Es ist nicht schön, wenn man nicht daran teilgenommen hat.

Was macht diese ganz spezielle Atmosphäre des Final Four in Hamburg für Spieler wie Fans eigentlich aus?
Es ist ein Ereignis, zu dem jeder gerne hin möchte. Entscheidend ist, wie man gelost wird. Wir hatten mit Göppingen eine hohe Hürde zu überwinden. Wichtig ist in Hamburg, in einer kurzen Zeit die bestmöglichste Leistung abzurufen. Das macht den Reiz aus. Auch die Fans sind sehr heiß aufs Final Four und beides zusammen ergibt eben das besondere Flair.

Die Löwen treffen heute im Halbfinale auf den VfL Gummersbach. Kein Selbstläufer, oder?
Das stimmt. Gummersbach ist eine sehr unbequeme Mannschaft. Sie haben 2009 Hamburg in deren eigener Halle besiegt und gehen gegen uns nicht als Favorit ins Spiel.Wir müssen sie sehr, sehr ernst nehmen, zumal sie den THW Kiel aus dem Pokal geworfen haben. Wir denken erst mal nicht weiter als an Gummersbach.

Dennoch werden der HSV Hamburg und die Löwen als Favoriten gehandelt…
Das ist die Papierform, doch wir dürfen uns von so etwas nicht blenden lassen. Wir hatten in dieser Saison nicht immer die nötige Konstanz. Dennoch bin ich wegen der Qualität unserer letzten Spiele optimistisch.

Wie erklären Sie sich die Leistungsschwankungen Ihres Klubs?
Es ist eine Frage des Kopfes. Wir spielen besser, wenn wir nicht in der Favoritenrolle sind. Gegen vermeintlich schwächere Kontrahenten stehen wir unter Druck. Ein Teil der Mannschaft scheint mit dieser Drucksituation nicht immer klar zu kommen.

Gerade auch die Torhüter wie Sie oder „Kasa“ Szmal standen in der Kritik. War dies berechtigt?
Ich denke, das ist stets eine Wechselwirkung mit der Abwehr. Unser Spiel ist stabiler geworden und davon profitieren auch die Torhüter. Das Gesamtbild einer Mannschaft ist letztlich entscheidend – auch wir Torhüter sind konstanter geworden.

Was macht die Deckung aus der Perspektive des letzten Mannes im Handball nun besser?
Wir haben gewisse Dinge verändert, auch personelle Veränderungen haben unserer Defensive ganz gut getan. Jeder hat mal die Chance – ein gewisser interner Wettbewerb wurde eröffnet.

Eine Mannschaft braucht Zeit – auffällig ist bei den Löwen aber eine hohe Fluktuation im Kader. Ist Kontinuität nicht ein zentraler Baustein für Erfolg?
Dieses Thema ist langfristig für den Erfolg wichtig. Wir brauchen einfach ein Grundgerüst in der Mannschaft und dadurch entsteht eine gewisse Harmonie. Seit ich bei den Löwen bin, ist die Fluktuation zu groß. Ich hoffe und wünsche mir, dass es in den nächsten Jahren etwas ruhiger wird.

Die Löwen fahren nun, auch dank des Hauptgesellschafters, des Managers und des Trainers auf der skandinavischen Schiene. Ist das okay?
Flensburg und Kiel machen dies ja auch. Es bringt nichts, sich ausschließlich auf den skandinavischen Markt zu konzentrieren. Neue Spieler dürfen nicht auf bestimmte Nationalitäten reduziert werden. Die Mischung macht’s! Viel entscheidender ist, wie ein Neuzugang sportlich und vom Typ her passt. Ich habe zuletzt in Kiel gute Erfahrungen mit Skandinaviern gemacht.

Was Schlagzeilen anbetrifft, sind die Löwen mitunter das „Bayern München des Handballs“. Ist das förderlich für die Popularität oder manchmal auch eine Hypothek fürs Team?
Sagen wir so: Es wird für uns Spieler nicht unbedingt leichter, wenn Aussagen unsere Gegner provozieren. Verein und Mannschaft sollten eine Sprache sprechen und alle etwas ruhiger werden. Andererseits gehört das zu einem Entwicklungsprozess dazu – alle müssen lernen.

Wie wichtig ist der erste Titel für einen jungen Klub und ein ehrgeiziges Projekt wie die Löwen?
Es reicht dauerhaft nicht, oben dabei zu sein. Am Ende zählt der Titel, der vieles leichter machen würde. Dann würde mehr Gelassenheit einziehen.

Und was könnte er auslösen?
Umfeld, Sponsoren, wir als Mannschaft – alle erwarten viel, weil ja viel ins Projekt investiert wird. Im Spitzenhandball wird man an Titeln gemessen – es würde helfen, dass sich eine breitere Öffentlichkeit noch mehr mit dem Verein identifiziert.

Was stimmt Sie zuversichtlich, dass Ihr Team endlich den „Pott“ holt?
Wir haben leistungsmäßig zugelegt und sind als Mannschaft gewachsen. Außerdem ist mit dem THW Kiel die überragende Mannschaft der letzten Jahre nicht dabei, ohne natürlich einen Gegner in Hamburg unterschätzen zu wollen.

Sie bleiben den Löwen bis 2011, vielleicht sogar bis 2012 erhalten.Warum?
Ja, diese Möglichkeit besteht. Weil ich das Projekt sehr gut finde und weil es immer mein Ziel war, auch hier Titel zu holen. Die Personalpolitik wird ein wichtiger Punkt sein. Auch in Magdeburg haben wir länger gebraucht. Und nach Kiel kam ich in einer Umbruchzeit. Genauso wird es hier sein.

Von Joachim Klaehn