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„Eine Riesen-Katastrophe“

Karlsruhe. In der Mixed-Zone waren sich alle Löwen einig, sprachen von einer deutlichen Leistungssteigerung, einem Spiel das Mut macht. „Für mich war das nahezu eine hundertprozentige Leistungssteigerung im Vergleich zu den letzten Tests“, sagte beispielsweise Neuzugang Michael Müller. Wunschlos glücklich sahen sie dennoch nicht aus, die Gelbhemden. Die 22:27_Niederlage gegen Ciudad Real nagte an ihnen, der Leistungseinbruch in der zweiten Halbzeit dämpfte die Euphorie, ließ keinen Raum für ein zufriedenes Grinsen.

Es war ein Abend der Kontraste. Hinten hui, vorne pfui. Die Defensive war gegen die vermeintlich beste Mannschaft der Welt das Prunkstück. Hier zieht Oliver Roggisch, der „Aggressiv_Leader“, nach wie vor geschickt die Fäden, dirigiert, macht und tut. Am gegnerischen Kreis ist dagegen der Wurm drin. Die zündenden Ideen fehlen, die Präzision sowieso: Etliche Großchancen wurden verballert. Zudem wird ein Typ vom Format eines Mariusz Jurasik schmerzlich vermisst. Ein echter Torjäger, einer, der auch mal aus dem Nichts ein Tor erzielt und Verantwortung übernimmt, fehlt.

Auf der rechten Außenbahn befindet sich die größte Baustelle. Patrick Groetzki allein ist zuwenig. Der Junioren-Weltmeister nickt: „Die ganze Saison kann ich sicher nicht als einziger Rechtsaußen durchspielen. Das ist zu viel.“ Alexis Alvanos taugt längst nicht mehr als Notlösung. Nachdem der sympathische Grieche schon in Friesenheim auf der Bank schmoren musste, schaute der 29-Jährige auch in der Europahalle nur zu. Die Zeichen scheinen mehr denn je auf Abschied zu stehen – falls sich ein Interessent findet. Andernfalls droht die Tribüne. Groetzki verwirrt die Situation derzeit ebenfalls: „Ich weiß nicht, was ich von dem Ganzen halten soll – da muss man abwarten.“

Es dürfte wohl alles auf ein weiteres neues Rudelmitglied hinauslaufen, das auf Rechtsaußen wirbeln kann. Bereits seit dem Winter geistert der Name Ivan Cupic von RK Velenje durch die Medienlandschaft. Momentan wäre er aber keine Alternative. Sein Kreuzbandriss ist noch nicht vollständig auskuriert. Ein weiterer Kandidat für die Außenbahn ist nach RNZ-Informationen Guillaume Joli von Chambery Savoie HB. Aus Frankreich ist zu vernehmen, dass es bereits Gespräche gegeben haben soll. Chambery wäre offenbar nicht abgeneigt. Aus finanziellen Gründen sind Spielerverkäufe unumgänglich. Auch Daniel Narcisse wurde bekanntlich schon nach Kiel transferiert. Für alle, die mit dem Namen Joli nichts anfangen können: Der 24-Jährige ist Frankreichs Nummer zwei hinter Luc Abalo von Ciudad Real. Groetzki hat keine Angst vor großen Namen. Er ist ein Kämpfer: „Egal, wer kommt, ich stelle mich dem Konkurrenzkampf.“

Kopfzerbrechen bereitet Trainer Ola Lindgren auch die Spielmacherposition. Denn auf Grzegorz Tkaczyk wird er möglicherweise noch eine Weile verzichten müssen. „Ich habe schon seit Wochen wieder starke Schmerzen in meinem Knie“, berichtet der polnische Denker und Lenker, „vielleicht muss ich sogar nochmals operiert werden.“ Heute Nachmittag weiß man mehr. Tkaczyk lässt sich am frühen Mittag in Mannheim durchchecken. „Dort gibt es ein neues Gerät, das ganz genaue Diagnosen stellen soll.“ Optimistisch ist er nicht. Im Gegenteil: „Für mich ist das alles eine Riesen-Katastrophe. Ich hatte mir unter dem neuen Trainer eigentlich so viel vorgenommen.“

Von Daniel Hund

 31.08.2009