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Einer, der Spiele alleine entscheiden kann

Ludwigshafen. Unmittelbar nach der Schluss-Sirene drehte sich dann mal wieder alles nur um ihn. Uwe Gensheimer hier, Uwe Gensheimer dort. Fernsehen, Radio, Printmedien, alle fragten sie an, wollten O-Töne, ein paar Statements vom Derby-Helden. Von dem Mann, der die Friesenheimer „Eulen“ beim 30:26 (17:10) Auswärtserfolg der Rhein-Neckar Löwen quasi im Alleingang vom Himmel geholt hatte. Doch der Zehn-Tore-Mann wiegelte alles ab, entschuldigte sich. Und dann ging’s ab durch die Mitte, vorbei an den Fans, mit großen Schritten. Raus aus der Haupthalle, rein in die Kabine.

Der Chefwartete schon. Mit der Analyse, mit Lob und Tadel. Das macht Gudmundur Gudmundsson, der Trainer, immer so. Bei Siegen und bei Niederlagen. Diesmal war es ein Sieg, ein prestigeträchtiger sogar. Trotzdem fehlte am Ende irgendwie etwas. Wo war es nur, das Siegerlächeln? Man suchte es vergeblich. Bei allen. Auch Gensheimer lachte nicht, wenn dann nur gequält, zum Beispiel für den einen oder anderen Zuschauer, der ihn um einen gemeinsamen Schnappschuss fürs heimische Fotoalbum bat. Schuld an der geknickten Stimmung waren die letzten sechs, sieben Spielminuten, in denen die Badener das Handball spielen einstellten, sich gedanklichwohl schon auf der heimischen Sofagarnitur hin und her wälzten. Gensheimer sprach Klartext: „So etwas darf eigentlich nicht passieren. Für uns war doch deutlich mehr drin als nur ein Sieg mit vier Toren Differenz.“

Stimmt. Andererseits musste man eben auch nicht mehr tun. Ernsthaft gefordert wurden der Favorit nie. Zu dominant, zu überlegen waren sie, die Löwen. Aber phasenweise eben auch arrogant, sorglos. Etliche freie Würfe wurden leichtfertig verballert. „Unter anderem auch von mir“, räumte „Gensel“ selbstkritisch ein. Das ehrt ihn, produziert jedoch ein falsches Bild. Denn letztlich war es insbesondere der Friedrichsfelder, der den Unterschied ausmachte. Als es darauf ankam, als Friesenheim fünf Minuten vor dem Seitenwechsel bis auf zwei Treffer aufschließen konnte (10:12), war er voll da, steuerte fünf der letzten sechs Löwen-Tore vor der Pause selbst bei. Eiskalt, präzise, abgezockt, einfach bärenstark, dieser Gensheimer. Und bescheiden, nicht abgehoben: „Klar, in dieser Phase lief sehr gut für mich, doch insgesamt kann ich mit meiner Leistung nicht zu hundert Prozent zufrieden sein.“

Vielleicht war er auch einen Tick nervöser als sonst, unterbewusst zumindest. Schließlich war es gerade für ihn ein echtes Derby. Sein Elternhaus in Friedrichsfeld ist nur einen Katzensprung von der Eberthalle entfernt. Den Weg kennt er in- und auswendig: „Als Kind bin ich regelmäßig bei Zweitliga-Spielen der Eulen gewesen und nun habe ich selbst hier gespielt: Das ist schon toll.“

Patrick Groetzki, sein Flügelzangen-Partner, hat keinen besonderen Bezug zur TSG. Sonderlich sympathisch scheint ihm der Handball-Klub aus der Vorderpfalz aber nicht zu sein. Im Gegenteil: „Die haben sich im Vorfeld der Begegnung deutlich kleiner gemacht als sie sind, wollten den Eindruck vermitteln, dass sie eigentlich überhaupt keinen Handball spielen können“, ärgerte sich Groetzki über die Tiefstapelei und legt nach: „Sie sind in der Vorsaison nicht durch Zufall aufgestiegen.“

Wie auch immer, Löwen und „Eulen“ das scheint irgendwie nicht mehr so zu passen. Die beiden Partnervereine (!) funken auf keiner gemeinsamen Wellenlänge. Was sich im Vorfeld der Partie auch im Streit um den Spielort widerspiegelte: Die Löwen hätten gerne auch das Heimspiel der Friesenheimer in der SAP Arena ausgetragen, was laut der „Eulen“ aber angeblich nie ein ernsthaftes Thema gewesen sein soll.

Die Trainer ließen sich davon am späten Samstagabend nichts anmerken: Thomas König und Gudmundur Gudmundsson referierten Seite an Seite bei der abschließenden Pressekonferenz. Der eine trauerte einem höheren Sieg, „einem mit neun, zehn Toren Differenz“ hinterher, der andere war „einfach nur stolz“ und sprach seiner Mannschaft ein „Riesen-Kompliment“ aus. Oder um es mit den Worten von Christian Dissinger (19), dem Friesenheimer Rückraum-Talent, zu sagen: „Eine echte Siegchance hatten wir nicht, umso besser, dass wir trotzdem etwas fürs Torvehältnis getan haben.“

Das können die Löwen schon morgen wieder tun: Um 19 Uhr gastiert der TBV Lemgo in der SAP Arena. Ein Gegner, der sicher nicht unterschätzt wird: Erst kürzlich watschte Lemgo die SG Flensburg-Handewitt mit 34:27 ab. Gudmundsson: „Es ist sehr wichtig, dass wir uns voll auf diesen Gegner konzentrieren.“

Und nach der Schluss-Sirene könnte sich dann mal wieder alles nur um einen drehen: Uwe Gensheimer, den Mann, der Spiele alleine entscheiden kann.

Von Daniel Hund

 20.12.2010