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Endgültig auf Augenhöhe mit den Besten
Mannheim. Sollte unter den Handball-Fans in der Region noch jemand Zweifel an der Wertigkeit der Champions League gehabt haben – nach dem 38:38 (22:17) der Rhein-Neckar Löwen gegen den FC Barcelona dürften diese seit gestern Nachmittag endgültig ausgeräumt sein. 76 Tore, eine Handball-Gala der Badener im ersten Durchgang, mit Uwe Gensheimer (15/5 Tore) ein überragender Einzelkönner und Dramatik bis in die letzten Sekunden – das Remis, mit dem die Löwen vor den begeisterten 13 200 Fans vorzeitig das Ticket für das Achtelfinale lösten, bot alles, was diesen Sport ausmacht. „Diesen Nachmittag werde ich nicht so schnell vergessen“, war selbst Löwen-Trainer Gudmundur Gudmundsson beeindruckt – und der hat in seiner Karriere immerhin schon einiges erlebt.
„Etwas zu viel Risiko“
Viel hätte nicht gefehlt, da wären es wohl keine allzu guten Erinnerungen gewesen, denn nach einer Auszeit und sechs Sekunden Restspielzeit nahm Gudmundsson Torwart Henning Fritz für einen weiteren Feldspieler vom Platz und versuchte gegen die dezimierten Spanier im Spiel „Sieben gegen Vier“ die Entscheidung zu erzwingen, was fast noch ins Auge gegangen wäre. Denn nach Karol Bieleckis Fehlpass bekam Victor Tomás den Ball in die Hände, und als der Ball aufs leere Tor zuflog, lief die Uhr quälend langsam herunter. Doch gegen die auch nach dem Spiel noch lang anhaltenden Proteste der Iberer fand das Tor keine Anerkennung mehr, selbst wenn es in der Halle und an den TV-Schirmen wohl unterschiedliche Wahrnehmungen gab.
„Mit etwas Abstand war das wohl zu viel Risiko“, sagte Gudmundsson nach dem Abpfiff, aber angesichts der Atmosphäre in der SAP Arena ging wohl auch mit dem Coach die Siegermentalität durch, während der Rest der Gelbhemden ebenfalls damit beschäftigt war, seine Emotionen zu sortieren. „Wenn man mit acht Toren führt, muss man das Spiel gewinnen – selbst wenn es gegen Barcelona geht“, spielte etwa Ólafur Stefánsson auf den 18:10-Zwischenstand (22.) an, bis zu dem die Löwen gegen die defensiv konfusen Katalanen ein wahres Feuerwerk abgebrannt hatten. „So eine Halbzeit habe ich bei uns noch nicht oft gesehen“, staunte auch Geschäftsführer Thorsten Storm, der nach dem Seitenwechsel (22:17) dann aber mit ansehen musste wie die Konzentration nachließ und einige klare Bälle nicht im Ziel landeten. Der Vorsprung schmolz Tor um Tor, nach dem 29:29 (44.) und dem 30:31 (46.) schien das Pendel beim 36:38 (58.) sogar endgültig für das spanische Star-Ensemble auszuschlagen. Doch die verrückte Partie nahm noch eine letzte Wendung. „Das war für die Fans sicher gute Unterhaltung“, konnte letztlich auch der neunfache Torschütze Bjarte Myrhol mit dem Ausgang der Begegnung leben, für Aufsichtsratschef Jesper Nielsen war das Remis sogar wie ein Sieg: „Heute haben wir gesehen, dass wir auf Augenhöhe mit Teams wie Barcelona und Kiel sind. Jetzt können wir aus eigener Kraft Gruppenzweiter bleiben.“
Von Thorsten Hof
21.02.2011