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Endlich hat es „Zoom“ gemacht (MM)

Nach dem 26:24-Finalsieg über Gastgeber HBC Nantes kennt der badische Jubel keine Grenzen

NANTES. Von diesen Momenten hatten sie immer geträumt. Und jetzt hält Marius Steinhauser all diese Emotionen auf seiner Videokamera fest. Entfesselt tanzen die Rhein-Neckar Löwen nach dem EHF-Cup-Triumph auf dem Feld in ihren Europapokal-Sieger-T-Shirts, Bjarte Myrhol brüllt mit gestreckten Siegerfäusten seine Freude vor dem Fanblock heraus, im gelben Konfetti-Regen hält Kapitän Uwe Gensheimer den Pokal überglücklich in die Höhe. Hier und da kullern Tränen vor Glück, anderswo beginnt die Sektspritzerei. Und mittendrin im Getümmel steckt Betreuer Konrad Hoffmann.

„Er hat diesen Titel verdient“, meint der verletzte Steinhauser über den Mann, den alle nur „Conny“ nennen und der erst einmal seine Sammlung perfekt macht: „Als wir 2003 in die Bundesliga aufstiegen, habe ich mir den Spielball gesichert.“ Gleiches tut Hoffmann, die gute Seele des Klubs, auch an diesem historischen Wochenende in Frankreich: Die Bälle aus Halbfinale und Endspiel – sie sind sein Eigentum. „Wir waren so oft so nah dran. Jetzt hat es endlich geklappt“, jubelt der Betreuer, der seit mehr als 30 Jahren im Verein tätig ist.

So eine lange Zeit bei den Löwen – das wird Stefan Rafn Sigurmannsson wohl nicht schaffen. Er ist erst seit Dezember bei den Badenern, am Sonntag feiert er seinen „schönsten Geburtstag“, wie der 23-jährige Isländer nach dem 26:24-Finalsieg über Gastgeber HBC Nantes einräumt. Mit seinem Ex-Klub Haukar Hafnarfjördur ist der Linksaußen im Oktober aus dem EHF-Cup ausgeschieden, jetzt holt er die Trophäe, was der Rechtshänder selbst kaum glauben kann: „Das ist eine verrückte Geschichte. Möglicherweise bin ich der erste Spieler, der aus einem Wettbewerb ausgeschieden ist und ihn am Ende trotzdem gewinnt.“

Die Freude der Löwen – sie kennt keine Grenzen. Auch später auf dem Rückflug nicht. Und Trainer Gudmundur Gudmundsson gibt seinen Jungs erst einmal bis Mittwoch frei: „Mindestens!“ Torwart Goran Stojanovic, der Mitte der ersten Halbzeit bei einem 8:10-Rückstand aufs Feld kommt und zu einer entscheidenden Figur wird, reckt in der Umkleidekabine die Trophäe unter dem tosenden Jubel der Kollegen in die Höhe, während Manager Thorsten Storm sich erst einmal umziehen muss. Die Sektdusche von Patrick Groetzki und Oliver Roggisch ist heftig ausgefallen – und die Erleichterung bei allen Löwen riesengroß. „1000 Mal berührt, 1000 Mal ist nichts passiert“, dröhnt es aus der Kabine. Der Hit der Klaus Lage Band aus den 80er Jahren – er ist so treffend an jenem denkwürdigen Abend. Denn so oft waren die Löwen in der Vergangenheit nah dran am großen Wurf. Und diesmal hat es endlich „Zoom“ gemacht.

„Riesengroße Last fällt ab“

„Von uns fällt eine riesengroße Last ab“, bekennt Groetzki, dem im Jubelrausch plötzlich die Medaille von seinem Halsband fällt. Doch damit kann er gut leben, viel wichtiger ist diese riesige Trophäe, die immer wieder von Spieler zu Spieler kreist. „Ich habe mit meinem Wechsel von Nantes zu den Löwen vor dieser Saison alles richtig gemacht“, sagt Kim Ekdahl du Rietz an alter Wirkungsstätte: „Es wäre für mich schlimm gewesen, ausgerechnet hier ein Endspiel zu verlieren. Es ging richtig hart zur Sache, dieses Spiel war eine Schlacht.“

Der Schwede denkt im Augenblick des Triumphes vor allem an Uwe Gensheimer, Oliver Roggisch und Patrick Groetzki, die so viele schmerzhafte Niederlagen in den vergangenen Jahren mit den Gelbhemden hinnehmen mussten: „Ich freue mich riesig für diese drei Jungs. Allerdings ist dieser Erfolg auch für mich etwas ganz Besonderes. In meiner Jugendzeit habe ich alles gewonnen, aber ein großer Titel mit einer Klub-Mannschaft fehlte mir.“

Nun hat auch er seinen ersten Pott – und die Löwen ein Problem, das sie wohl gut und gerne lösen werden. „Wir sind auf diesen Erfolg gar nicht vorbereitet, wir haben überhaupt keine Vitrine. Und eigentlich haben wir ja sogar zwei Titel gewonnen“, scherzt Manager Storm mit Blick auf die Zusammenlegung von Europapokal der Pokalsieger und EHF-Cup vor dieser Saison: „Es fühlt sich alles ein bisschen unwirklich an. Ich kann es gar nicht glauben, dass wir diesen Fluch endlich besiegt haben.“

Sollten Storm noch einmal Zweifel kommen, muss er einfach bei Marius Steinhauser vorbeischauen. Der Rechtsaußen hat sie festgehalten – diese magischen Momente für die Ewigkeit.

Von Marc Stevermüer