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Gensheimers gigantische Goldhand (MM)

Für seine zehn Tore im Finale braucht der von seinen Emotionen überwältigte Kapitän nur knapp 25 Minuten

NANTES. Schon zwei Sekunden vor dem Abpfiff sinkt Uwe Gensheimer in Höhe der Mittellinie auf den Boden. Er will allein sein, mit sich und seinen Gefühlen – und einfach nur den Augenblick genießen. Wenig später sagt der Linksaußen: „Von mir ist eine Riesenlast abgefallen.“ Denn diesmal ist es nicht so wie in all den vorangegangenen Jahren. Diesmal jubeln nicht die anderen, diesmal jubelt er.

Nach all den Enttäuschungen, nach vier Final-Niederlagen ist der Vize-Fluch endlich besiegt. Auch dank Gensheimer, dem nichts anderes als das Comeback des Jahres gelingt. Vor einer Woche feiert der Rechtshänder nach fast sechsmonatiger Verletzungspause seine Rückkehr, wenige Tage später wird er im Europapokalfinale zum Matchwinner.

Eine Geschichte wie diese gibt es eigentlich nicht. Vielleicht in Hollywood – oder in einem Märchen. Aber nicht im wirklichen Leben. Weil sie so völlig unrealistisch klingt. Doch Gensheimer ist eben nicht nur ein Handballer, sondern der „weltbeste Linksaußen“, wie Patrick Groetzki sagt: „Er war ein paar Monate weg, aber deswegen verlernt der Uwe doch nichts.“

 

Im Finale erzielt der Mannheimer zehn Tore (vier Siebenmeter) – und braucht dafür nur knapp 25 Minuten. „Seit zehn Jahren spiele ich für diesen Klub. Zehn Jahre haben wir auf diesen Tag gewartet. Jetzt haben wir Geschichte geschrieben“, sagt der Rechtshänder und schwingt sich in den Minuten nach der Siegerehrung im Palais des Sports de Beaulieu gleich einmal zum großen Party-Animateur auf. Er strahlt, er jubelt und umarmt jeden, der ihm in den Weg kommt: „Ich habe einen unbändigen Willen gespürt, endlich diesen Titel zu gewinnen. Das fühlt sich überragend an. Ich bin so stolz, es mit dieser geilen Mannschaft geschafft zu haben.“

Keine Frage: Der 26-Jährige ist am Ziel seiner Träume angelangt, feiert endlich den ersten Pokal mit „seinem“ Verein, der ihm so unglaublich viel bedeutet. Und der diesen Spieler braucht wie keinen anderen. Als Identifikationsfigur. Als Torjäger. Als Imageträger. Trainer Gudmundur Gudmundsson bringt es auf den Punkt: „Uwe ist einfach einzigartig.“

Schon an jenem verhängnisvollen 24. November, als sich Gensheimer im Drittrunden-Hinspiel des EHF-Cups gegen Diomidis Argous den Achillessehnenriss zuzieht, kündigt er noch von der Kabine aus an, im Mai beim Final Four in Nantes wieder dabei sein zu wollen. Der Nationalspieler nimmt einen Kampf gegen die Zeit auf – und gewinnt ihn.

„Ich habe immer zu Uwe gesagt: Es darf nicht sein, dass wir einen Titel holen und Du nicht auf dem Feld stehst“, unterstreicht Manager Thorsten Storm die Bedeutung des 26-Jährigen für den Klub und die Ausnahmestellung des Eigengewächses: „Es gibt Spieler, bei denen weiß man, dass so etwas klappt. Und bei Uwe wussten wir es. Er ist eine Maschine.“

In Nantes geht einfach alles auf, Deutschlands Handballer des Jahres trumpft auf, als habe er nie pausiert. Und der sympathische Linksaußen macht Dinge, die sein Teamkollege Kim Ekdahl du Rietz „im Leben noch nicht gesehen“ hat: „Der Uwe war gut druff.“ Zuckerpässe, Zaubertore – und das alles im Minutentakt.

Von Marc Stevermüer