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„Es gibt keine einfachen Spiele“

Stefan Kneer im Interview

Seit dieser Saison spielt Stefan Kneer bei Löwen. Der Rückraumspieler, der vom SC Magdeburg gekommen ist, spricht im Interview über den bisherigen Saisonverlauf, seine neue Rolle im Abwehrblock, sowie über seine bisherigen Clubs in der Bundesliga.

Stefan, du trägst die Rückennummer vier, die vorher Oliver Roggisch hatte. Ein schweres Erbe?

Stefan Kneer: Ich hatte zuvor auch schon in Magdeburg die vier als Rückennummer, deswegen sehe ich in der Nummer kein schweres Erbe. Es war eher ein Zufall, dass wir beide die gleiche Nummer haben, auch wenn ich jetzt eine ähnliche Rolle einnehme wie er zuvor.

Wie siehst du denn deine Rolle?

Kneer: Es war von Beginn an klar, dass ich weniger Spielzeit im Angriff bekomme, weil unser Trainer Nikolaj Jacobsen da auf die eingespielte
Formation der vergangenen Saison setzt. Durch den Weggang von Nikola Manojlovic war außerdem wichtiger, mit mir einen zweiten Innenblockspieler
neben Gedeon Guardiola einzubauen.

Wie funktioniert das Zusammenspiel mit ihm?

Kneer: Es läuft von Beginn an eigentlich ganz gut. In der frühen Saisonphase haben wir uns allerdings zu selten für unsere Abwehrarbeit belohnt. Auch jetzt ist noch nicht alles optimal, denn wir sind noch nicht konstant genug. Es gibt Höhen und Tiefen. Deswegen bin ich der Meinung, dass wir uns weiter steigern können.

Wie sehr hilft dir Gedeon?

Kneer: Ich habe noch nie mit einem Spieler in einer Mannschaft gestanden, der so gut die Pässe zum Kreis antizipiert und der auch so stark im Block ist. Gedeon ist riesengroß und hat riesige Arme. Schon im Training ist es schwer, über ihn drüber zu werfen. Keine Frage: Er macht es mir leichter, meine Rolle ein wenig offensiver zu interpretieren, weil ich immer weiß: Da steht noch einer hinter mir, der versucht, das Tor größtmöglich abzudecken.

Was ist das Schöne an Abwehrarbeit?

Kneer: Schön ist erst einmal, wenn man kein Tor bekommt (lacht). Aber jeder weiß doch: Die Wahrscheinlichkeit, einen Titel zu gewinnen, wird immer größer, je besser die Defensive funktioniert. Offensive gewinnt Spiele, die Abwehr bringt Titel. Das ist einfach so.

Vermisst du die Spielanteile in der Offensive?

Kneer: Wenn ich sagen würde, dass ich nicht mehr gerne im Angriff spiele, wäre das eine Lüge. Aber wie gesagt: Ich habe hier jetzt eine andere Rolle als bei meinen vorherigen Vereinen und es geht auch nicht darum, was ich möchte. Sondern wichtig ist einzig und allein: Wo und wie kann ich der Mannschaft am besten
helfen? Das ist momentan in der Abwehr. Darauf konzentriere ich mich.

Wie bewertest du die Ausgangslage in der Champions League?

Kneer: Wir haben in Veszprem und Skopje auswärts verloren, das sind aber auch die beiden stärksten Gegner in unserer Gruppe. In beiden Partien war mehr drin, weshalb es ein wenig schade ist, dass wir uns da nicht belohnt haben. Was Platz zwei angeht, ist nach dem Unentschieden von Skopje in Montpellier alles
offen. Vielleicht geht auch noch was Richtung Platz eins. Veszprem muss ja noch in Skopje spielen. Ohnehin gibt es keine einfachen Spiele in dieser schweren Gruppe. Das haben wir gegen Tschechow erlebt, wo wir uns lange sehr schwer getan haben. Wichtig ist, dass wir unsere Heimspiele gewinnen. Deswegen zählt
auch gegen Celje nur ein Sieg.

Du bist in jungen Jahren nach Eisenach gewechselt: Warum war dieser Schritt so wichtig für dich?

Kneer: In meinem Heimatklub BSV Phönix Sinzheim wurde ich nicht genug gefordert. Ich war einfach besser als meine Mitspieler und Gegner. In Eisenach bekam ich dagegen mit 16 Jahren die Chance, auf sehr hohem Niveau zu trainieren. Mit 18 Jahren kam ich schon in der Bundesliga zum Einsatz und hatte das Glück, immer viel spielen zu dürfen.

War der Wechsel denn in privater Hinsicht ein schwieriger Schritt für dich?

Kneer: Es war jetzt natürlich nicht ganz einfach,aber auch kein großes Problem. Mit 16 Jahren ist es eigentlich nicht mehr ganz so schlimm, das Elternhaus zu verlassen. Im Fußball sind es ja heutzutage oft zwölfjährige Kinder, die da in den Internaten wohnen.

Du bist von Eisenach nach Balingen gegangen: Was hat diesen Klub ausgezeichnet?

Kneer: Als ich dort ankam, war der Verein gerade aufgestiegen. Wir waren eine junge Mannschaft, ich habe mit Martin Strobel und Felix Lobedank
zusammengespielt. Der ganze Klub wird unheimlich familiär und bodenständig geführt. Jeder in Balingen weiß, dass die Bundesliga dort keine Selbstverständlichkeit ist. Und alles, was dort aufgebaut wurde, ging nur mit viel Herzblut und Ehrenamt.

Und was war das Besondere an der Mannschaft. Ihr seid nie abgestiegen, obwohl euch niemand den Klassenerhalt zugetraut hatte.

Kneer: Jeder von uns wusste, dass er wahrscheinlich nur in Balingen die Chance bekommt, in der Bundesliga zu spielen. Entsprechend hat sich jeder voll reingehauen. Wir hatten einen unglaublich guten Zusammenhalt, noch dazu hat nie irgendjemand die Nerven verloren, wenn es mal schlecht lief. Diese Ruhe bei der Klubführung hat uns immens geholfen.

Von 2008 bis 2012 hast du in Großwallstadt gespielt. Hast du dir die Zeit dort erfolgreicher vorgestellt?

Kneer: 2008 bin ja nicht nur ich zum TVG gewechselt, sondern auch Matthias Andersson, Einar Holmgeirsson und Oliver Köhrmann. Das war schon eine gute Mannschaft, aber im ersten Jahr haben wir es nicht geschafft, unser Potenzial abzurufen. Und dann ging es eigentlich immer kontinuierlich bergab, wenn man vom EHF-Pokalfinale 2011 einmal absieht. Es gab ein paar unnötige Trainerwechsel, die finanziellen Probleme wurden größer und immer mehr Leistungsträger verließen den Verein. Im Prinzip war es ein Abstieg auf Raten, weil jedes Jahr die Mannschaft schwächer wurde. Aber wie es aussieht, hat der TVG den Abstieg als Chance für einen Neuanfang genutzt und sich finanziell und strukturell besser aufgestellt. Ich würde mich freuen, wenn Großwallstadt wieder aufsteigt.

Und wie hast du deine Zeit in Magdeburg erlebt?

Kneer: In Magdeburg wird Handball gelebt. Wenn man dort durch die Stadt geht, wird man als Handballer sofort erkannt. Der SCM hat eine riesige Tradition und große Erfolge in der Vergangenheit gefeiert, was manchmal aber auch ein bisschen schwierig ist. Die Ansprüche der Fans sind nämlich unheimlich hoch. Trotzdem
sind die Zuschauer natürlich fantastisch. Es gibt meiner Meinung nach nicht viele Hallen, in der die Stimmung besser ist.

Hast du eigentlich einen bestimmten Karriereplan verfolgt?

Kneer: Wichtig war mir immer, viel zu spielen. Als ich nach Balingen gegangen bin, hatte ich auch andere Angebote und hätte zu einem Topverein
gehen können. Aber mir war immer wichtig, viel Einsatzzeit zu bekommen, um mich weiterzuentwickeln. Ich habe mir zu Beginn meiner Karriere gesagt: Ich werde in sieben, acht Jahren noch einmal die Möglichkeit bekommen, zu einem Spitzenklub zu wechseln. Und so ist es mit den Löwen ja dann auch gekommen.