Veröffentlichung:

Flug umbuchen fürs Vaterland (SOAK)

(mast) Der Urlaub war schon gebucht. Michael Müller wollte einfach nur noch abschalten. Die Beine hoch legen, den Kopf frei bekommen. Nichts hören, nichts sehen. Vor allem kein Handball. Denn die letzten Monate hatten ihn richtig geschlaucht. Physisch und psychisch. Doch dann kam eine Einladung, mit der er nicht gerechnet hatte: Müllers Dienste werden gebraucht – und zwar von Bundestrainer Martin Heuberger.

Der nominierte den Halbrechten, der zur neuen Saison vom Bundesligisten Rhein-Neckar Löwen zum Ligarivalen HSG Wetzlar wechselt, für die WM-Play-off-Partien gegen Bosnien-Herzegowina. Der Ferienflieger musste deshalb erst einmal ein bisschen warten, stattdessen bestieg der Linkshänder gestern ein Flugzeug Richtung Sarajevo. Dort steht heute mit dem Nationalteam das Rückspiel an, nachdem die DHB-Auswahl am vergangenen Samstag das erste Duell in Stuttgart mit 36:24 gewonnen hatte.

Vor acht Tagen traf Löwen-Linksaußen Uwe Gensheimer acht Mal, ohnehin trug sich fast jeder in die Torschützenliste ein. Nur eben die beiden weiteren Löwen Oliver Roggisch und Müller gingen leer aus. „Es ist nicht immer wichtig, Tore zu werfen. Ich kam nicht richtig zum Abschluss, habe aber ein paar Zeitstrafen gezogen“, sagt Müller, der mit den Löwen bereits einmal in Sarajavo gespielt hat. „Das war eine andere Welt“, erinnert er sich an eine eiskalte und ziemlich heruntergekommene Halle, der auch von außen der jahrelange Bürgerkrieg auf dem Balkan in Form von Einschusslöchern anzusehen war. „Wir haben zwar klar gewonnen, aber ich habe riesigen Respekt vorm Rückspiel. Wenn da wirklich 12 000 Zuschauer kommen, wird es noch einmal richtig heiß“, meint der Linkshänder, der über die Saison-Verlängerung keinesfalls böse ist. „Wenn der Bundestrainer ruft, verschiebt jeder seinen Urlaub gerne“, sagt der 27-Jährige: „Es ist immer schön, für Deutschland spielen zu dürfen. Allerdings weiß ich, dass ich diese Nominierung auch der Verletzung von Holger Glandorf zu verdanken habe.“

Trotzdem überraschte ihn die Berufung – wenngleich er sich noch mehr freute: „Ich habe eine ganz gute Rückrunde gespielt, will in Zukunft aber natürlich wieder fest zur Nationalmannschaft gehören.“ In der Tat gab es nämlich mal eine Zeit, in der Müller ein wichtiger Bestandteil der DHB-Auswahl war. Sein Stern ging bei der WM 2009 auf. Der gebürtige Würzburger spielte ein gutes Turnier, galt als große deutsche Hoffnung und wechselte wenige Monate später zum damaligen Champions-League-Teilnehmer Rhein-Neckar Löwen. Dort sollte an der Seite seines Vorbildes Ólafur Stefánsson der nächste Karriere-Schritt folgen, Löwen-Manager Thorsten Storm wollte ihn neben Gensheimer und Patrick Groetzki zum „Gesicht des Klubs“ machen. Doch so richtig ging die Rechnung nicht auf. Weder für den Verein, noch für den Spieler – weshalb Müller den Klub verlässt und in der nächsten Saison zusammen mit seinem Zwillingsbruder Philipp bei der HSG Wetzlar spielen wird: „Ich habe mich bei den Löwen sehr wohl gefühlt. Es war eine Zeit mit vielen Aufs und Abs. Mal habe ich wenig gespielt, dann war ich schwer verletzt, zuletzt stand ich sehr viel auf dem Feld – ich habe hier viele verschiedene Erfahrungen gesammelt.“ In Wetzlar will er nun wieder zur Stammkraft für die DHB-Auswahl reifen – damit der Rückraumspieler nicht noch einmal seinen Urlaub umbuchen muss. mast

Handballer Michael Müller gelang der Durchbruch bei den Rhein-Neckar Löwen nicht. Trotzdem wurde er für die Nationalmannschaft nominiert.