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Fritz kommt, hält und siegt

Löwen kämpfen Berlin mit 31:29 nieder

Die Rhein-Neckar Löwen wollen in die Champions League! Nach Göppingen schien die Königsklasse noch Lichtjahre entfernt, fünf Tage später sah die Welt wieder anders aus. Denn in einer absolut mitreißenden Begegnung kämpfte das Team von Trainer Guðmundur Guðmundsson die Füchse Berlin mit 31:29 (15:14) nieder und feierte Keeper Henning Fritz als Mann des Abends. Zeitgleich verlor der HSV Hamburg in Melsungen…

Den Löwen war von Beginn an anzumerken, dass das Halbfinal-Aus im EHF-Pokal am Freitag seine Narben hinterlassen hatte. Vor allem Michael Müller wollte es in der Anfangsphase wissen, seine Treffer sorgten dafür, dass die forschen Füchse nicht davonzogen. Zudem bediente der Halbrechte bei einem Gegenstoß mit einem Traumpass den aufgerückten Oliver Roggisch, der zum 4:3 einnetzte – ein klares Zeichen für die Aggressivität, die im Löwenrudel steckte. Aber die Berliner waren bissig, vor allem Sven-Sören Christophersen sorgte für ständige Gefahr aus dem Rückraum, und als Müller nach einem unnötigen Foul am durchgebrannten Colja Löffler eine Zeitstrafe kassierte, war für ihn der erste Abschnitt beendet. Zwar versenkte Ivan Ninčević den fälligen Siebenmeter, aber der für Müller gekommene Krzysztof Lijewski knallte Berlins Schlussmann Silvio Heinevetter drei Bälle um die Ohren. Lijewskis Landsmann Karol Bielecki hatte sich nach einigen Anlaufschwierigkeiten mittlerweile auch warmgeschossen und leitete einen Zwischenspurt ein, der beim 11:8 durch Ivan Čupić für den höchsten Löwen-Vorsprung sorgte (22.) – Auszeit Berlin. Heinevetter irrwischte in der Folge über das Feld, als wolle er es mit allen und jedem aufnehmen. Bei einem Foul Roggischs an Christophersen sprintete er in die Löwen-Hälfte, obwohl das Schiedsrichtergespann längst zwei Minuten angezeigt hatte und zettelte Verbalscharmützel mit Bjarte Myrhol an, der auf seine Art reagierte (15:13, 30.). Beide hatten sich in der Folge noch des Öfteren etwas zu sagen. Die Löwen spielten stark und packten in der Defensive ordentlich zu, in der Offensive verpassten sie es aber, den ein oder anderen „punch“ zu setzen. Kapitän Uwe Gensheimer brachte es im ersten Durchgang, der mit einem Siebenmeter-Tor Ninčevićs bei abgelaufener Spielzeit endete, auf einen Treffer ohne einen einzigen Versuch aus dem Feld.

Es dauerte nach dem Wechsel zwar fünf Minuten, doch dann hatten die Berliner wieder den Ausgleich hergestellt (Christophersen). Es blieb dabei, im Angriff schenkte das Rudel die Bälle zu leichtfertig her: Fehlpass Bielecki, Fehlwurf Šešum (vorbei), Fehlwurf Schmid (vorbei) – und plötzlich stand auch die Abwehr nicht mehr so sattelfest (19:20, 39.). Die Fehlerkette in der Offensive riss nicht ab, im Gegenteil: Leichtfertige Ballverluste luden die Füchse zu Kontern ein, die Keeper Goran Stojanović keine Chance ließen und nach einer Auszeit Guðmundssons (20:22, 41.) die Spielzeit kosteten. Seinen acht Paraden aus dem ersten Abschnitt hatte er bis dahin keine weitere hinzufügen können, dafür führte sich Henning Fritz gleich mal mit dreien ein, die zweite im 1:1 mit dem künftigen Löwen Alexander Petersson,  seine Vorderleute schafften es allerdings nicht, sich die jeweiligen Abpraller zu sichern. Doch „Fritze“ hatte die Berliner anscheinend beeindruckt: Ninčević warf einen Siebenmeter am Tor vorbei, Christophersen hämmerte die Kugel an den Pfosten, Petersson drosch sie drüber – sechs Angriffe in Folge blieben die Füchse ohne Treffer – 24:23 (48.).

Fritz‘ Paraden weckten auch seine Vorderleute wieder auf. Gensheimer und Šešum ballerten Heinevetter aus dem Tor und die Hektik übertrug sich nun auf die Hauptstädter (28:25, 53.), die sich aber in der dramatischen Schlussphase wieder fingen. Die neutralen Zuschauer, sofern es im Hexenkessel SAP Arena welche gab, kamen nun voll auf ihre Kosten und die Löwen-Fans standen bei zwei weiteren spektakulären Paraden der Nummer 12 Kopf. Spielmacher Bartłomiej Jaszka traf zum 30:29, dann warfen die Löwen den Ball weg, die Füchse beförderten ihn postwendend zurück und Žarko Šešum sorgte in einem Klassespiel 20 Sekunden vor Schluss für die endgültige Entscheidung. Doch der letzte Auftritt gebührte Fritz, der sich im letzten Angriff der Partie einen weiteren gehaltenen Ball „gönnte“ und zum Matchwinner avancierte. Als dann Hallensprecher Bernie Epple die Niederlage des HSV in Melsungen verkündete, war Göppingen Geschichte.

„Wir haben ein tolles Handball-Spiel gezeigt“, strahlte Guðmundsson nach dem „verdienten Sieg“, wie sein Gegenüber Dagur Sigurðsson bestätigte. Natürlich sei Fritz‘ Einwechslung der Schlüssel zum Sieg gewesen, bestätigte „Guðmi“ und sagte: „Er hat über 50 Prozent der Würfe gehalten, das ist eine überragende Quote.“ Der Gefeierte hielt mit seinen Emotionen auch nicht hinter den Berg. „Für solche Spiele und den Applaus des Publikums stehen wir alle Woche für Woche auf der Platte“, so der Ex-Nationalkeeper. „Ich freue mich, dass ich der Mannschaft helfen konnte. Wichtig war, dass die Zuschauer in der entscheidenden Phase voll hinter uns standen. Jetzt haben wir eine minimale Chance auf die Champions League.“

Gensheimer sprach ebenfalls von einem verdienten Erfolg und freute sich, dass „Fritze nochmal zeigen konnte, was er kann“. Der Schwung sei aber von den Rängen gekommen, lobte der Kapitän. Manager Thorsten Storm genoss den Sieg in vollen Zügen, wollte sich aber nich zu verbalen Höhenflügen hinreißen lassen. „Dass Hamburg verloren hat, interessiert mich nicht. Ich schaue nur auf uns, und was ich heute gesehen habe, hat mir sehr gefallen!“

Die Löwen leben also noch – und am Freitag (SAP Arena, 20:15 Uhr) geht’s schon weiter, wenn der VfL Gummersbach in Mannheim aufkreuzt…

Rhein-Neckar Löwen: Stojanović, Fritz (ab 41. und bei einem Siebenmeter), Maier (n.e.) – Müller (5), Schmid (1), Bielecki (3) – Čupić (5/2), Gensheimer (3/1) – Myrhol (5) – Roggisch (1), Šešum (3), Gunnarsson (n.e.), Lijewski (5), Ruß (n.e.), Bitz (n.e.), Dippe (n.e.).
Füchse Berlin: Heinevetter, Štochl (ab 46.) – Petersson (3), Jaszka (4), Christophersen (9) – Richwien (3), Löffler (4) – Laen – Spoljarić, Pevnov (1), Romero, Bult (2), Ninčević (3/3), Stenbäcken (n.e.), Sellin (n.e.).
Strafminuten: Müller (2), Roggisch (2) – Spoljarić (2), Laen (2).
Trainer: Guðmundur Guðmundsson – Dagur Sigurðsson.
Zuschauer: 7.867.
Schiedsrichter: Ralf Damian / Frank Wenz (Bingen/Mainz).
Spielfilm: 2:2 (5.), 4:5 (10.), 6:7 (15.), 9:8 (20.), 13:11 (25.), 15:14 (Hz.); 17:17 (35.), 20:21 (40.), 23:22 (45.), 27:24 (50.), 29:27 (55.), 31:29 (Endstand).
Zeitstrafen: 2/2.
Siebenmeter: 4/3 – 4/3.
Rhein-Neckar Löwen: Gensheimer scheitert an Heinevetter.
Füchse Berlin: Ninčević wirft am Tor vorbei.
Beste Spieler: Fritz, Lijewski – Christophersen, Jaszka.