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Füchse schlagen die Rhein-Neckar Löwen (Der Tagesspiegel)

32:26 im Spitzenspiel

Plötzlich ist sogar wieder Rang drei im Bereich des Möglichen: Durch einen 32:26-Sieg über den Tabellenzweiten Rhein-Neckar Löwen halten die Füchse Berlin den Anschluss zum Spitzentrio der Handball-Bundesliga.

Handballer haben bisweilen die eigenwillige Angewohnheit, dass Körpersprache und Ergebnis aus Sicht ihres Team so gar nicht miteinander harmonieren. Alfred Gislason ist so ein Typ, der Trainer des THW Kiel. Dem Isländer sieht man im Regelfall nicht an, ob sein Team mit sechs Toren führt oder mit sieben zurückliegt. In diese Kategorie fällt auch Silvio Heinevetter. Wer den Torhüter der Füchse Berlin am Dienstagabend beobachtete, wie er Evgeni Pevnov nach einem minimalen Abwehrfehler zusammenfaltete, der hätte rein ergebnistechnisch eine Blamage erwarten können. Dabei war das exakte Gegenteil der Fall: Im Spitzenspiel des 29. Bundesliga-Spieltags hatten sich die Berliner vor heimischem Publikum mit 32:26 gegen die Rhein-Neckar Löwen durchgesetzt.

Nach dem Heimdebakel gegen die SG Flensburg-Handewitt im letzten Heimspiel vor vier Wochen (16:27) sprach Trainer Dagur Sigurdsson von einer „echten Energieleistung, die uns wichtige Punkte beschert hat“. Durch den Sieg gegen den Tabellenzweiten aus Mannheim ist für die Berliner sogar der dritte Rang wieder im Bereich des Möglichen, der zur direkten Qualifikation für die Champions League berechtigt.

In einem von der ersten Minute an intensiven Spiel erarbeiteten sich die Gäste aus dem Badischen nach einer ausgeglichenen Anfangsphase (3:3/6. Minute) einen kleinen Vorsprung. Vor allem dank Kreisläufer Bjarte Myrhol führten sie nach einer Viertelstunde mit 8:5. Den norwegischen Kreisläufer konnten die Berliner trotz aller kollektiver Mühen im Defensivverbunds zunächst nicht stellen. Mit zunehmender Spieldauer übernahmen bei den Füchsen dann allerdings jene Akteure, von deren Leistung der Ausschlag des Sieg-Niederlagen-Pendels fast immer abhängt: Silvio Heinevetter und Bartlomiej Jaszka. Heinevetter entschärfte mit einer absurden Verrenkung einen vermeintlich unhaltbaren Wurf seines ehemaligen Teamkollegen Alexander Petersson und brachte damit das Publikum in der mit 9000 Zuschauern ausverkauften Max-Schmeling-Halle ins Spiel.

Und unter psychologischen Gesichtspunkten hatte die Parade eben auch Auswirkungen auf das Spiel des vor der Saison zu den Löwen gewechselten Isländers. Petersson, der die Berliner bei der 23:25-Niederlage im Hinspiel mit acht Treffern beinahe im Alleingang besiegt hatte, erwischte mit vier Treffern einen gebrauchten Tag – ganz im Gegensatz zu Jaszka. Der Spielmacher der Füchse, gemeinsam mit Igropulo bester Berliner Werfer (jeweils sechs Tore),  trieb sein Team gewohnt energisch durch die Schlussphase der ersten Halbzeit, die mit einem spektakulären Rückhandwurf von Kreisläufer Evgeni Pevnov zum 15:11-Pausenstand ihr Ende fand.

Hatten sich die Rhein-Neckar Löwen im ersten Durchgang noch als unangenehmer und spielstarker Gegner erwiesen, war ihnen in der zweiten Halbzeit ein deutlicher Kräfteverschleiß anzumerken. „Wir waren einfach platt und haben unsere Linie verloren“, sagte Trainer Gudmundur Gudmundsson. Erst am Sonnabend hatte das Team des Isländers seine Europapokal-Aufgabe gegen den SC Magdeburg erfüllt und war ins Finalturnier um den EHF-Pokal eingezogen. Drei Tage später genügten in Berlin sechs Minuten, um das Spiel aus der Hand zu geben. Nach drei Treffern des starken Konstantin Igropulo und weiterer Tore von Jaszka, Torsten Laen und Johannes Sellin war eine Vorentscheidung gefallen – 21:13 (39.).

Nach dieser Drangphase der Berliner schienen die Gäste auch selbst nicht mehr an einen Punktgewinn zu glauben; Dänemarks Nationalkeeper Niklas Landin, dessen Paraden an einer Hand abzuzählen waren, verließ zwischenzeitlich gefrustet das Feld. Unterdessen steigerte sich sein Gegenüber Heinevetter mal wieder in einen Rausch und auch der zuletzt schwächelnde Rückraum der Berliner traf aus nahezu allen Lagen und Entfernungen. Beim 27:17 (47.) betrug der Vorsprung der Füchse erstmals zehn Treffer. Entsprechend lässig konnten die Gastgeber die Schlussphase gestalten, die allerdings noch einen Höhepunkt bereit hielt: Johannes Sellins eingesprungenen Rückhand-Treffer zum 32:25 nach großartigem Pass von Heinevetter. Nun lässt die Handball-Bundesliga seit kurzem über ein soziales Netzwerk das Tor des Monats wählen. Sellin dürfte gute Aussichten haben, zumindest zu den Kandidaten zu gehören.

Von Christoph Dach