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Kollektiv-Kollaps ohne Langzeitwirkung? (MM)

Löwen beim 26:32 in Berlin chancenlos / Im EHF-Cup-Halbfinale gegen Göppingen

BERLIN. Patrick Groetzki warf den Ball nicht, er schleuderte ihn durch die Max-Schmeling-Halle. Wut, Frust, Enttäuschung – alles musste raus, als die phasenweise desolate Vorstellung der Rhein-Neckar Löwen beim 26:32 (11:15) bei den Berliner Füchsen endlich ein Ende hatte. Nein, so hatte sich der badische Handball-Bundesligist den Auftritt in der Hauptstadt wahrlich nicht vorgestellt. „Berlin hat gut gespielt und wir gar nicht“, fasste Manager Thorsten Storm den ernüchternden Auftritt treffend zusammen: „Man kann hier verlieren, aber man darf sich nicht ergeben. Es gab zu viele Totalausfälle. Leider hängt zu viel an zwei, drei Spielern. Wenn die mal nicht glänzen, würde ich mir wünschen, dass andere in die Bresche springen. Aber die verstecken sich.“

„Voll gegen die Wand gefahren“

Nichts hatte nach 15 Minuten und einer 8:5-Führung darauf hingedeutet, dass die Gelbhemden anschließend chancenlos sein und einen „Total-Kollaps“ erleiden würden, wie Regisseur Andy Schmid es nannte: „Wir sind voll gegen die Wand gelaufen und haben die gute Startphase nicht genutzt.“ Die Abwehr stand zu Beginn hervorragend, doch schon in dieser frühen Phase hatten die Badener eine Vielzahl erstklassiger Torchancen vergeben. Beim Siebenmeter, beim Gegenstoß, bei freien Würfen von der Außenposition – immer wieder parierte Silvio Heinevetter. Die Löwen-Keeper Niklas Landin und Jonas Maier – beim Kurzeinsatz nach dem Seitenwechsel – konnten da nicht mithalten, was aber auch an den immer größer werdenden Löchern in der Deckung lag. Ein 3:10-Lauf bis zur Pause war die Folge.

„Das Torwartspiel haben wir klar verloren“, räumte Storm ein. Mitte der zweiten Halbzeit sah es sogar nach einem Comeback des 45-jährigen Torwarttrainers Tomas Svensson aus. Der Schwede machte sich warm, kam dann aber doch nicht. Viel retten hätte er ohnehin nicht mehr können, beim 14:26 (43.) war das Spiel entschieden und es drohte ein Debakel. „Wir sind glimpflich davongekommen. Was wir uns direkt nach der Pause erlaubt haben, darf uns nicht passieren“, meinte Oliver Roggisch mit Blick auf ein 3:11 in den 13 Minuten nach dem Seitenwechsel. Seine Kritik teilte Landin: „Es passte gar nichts. Mit sechs Toren Differenz sind wir am Ende noch sehr, sehr gut bedient.“ Immerhin: Die direkte Qualifikation für die Champions League haben die Löwen weiterhin in der eigenen Hand. Hilfreich zudem die zeitgleiche Niederlage von Hamburg zu Hause gegen TuS N-Lübbecke (26:31) und das gestrige 32:34 von Flensburg-Handewitt in Magdeburg. An eine Langzeitwirkung der derben Niederlage glaubt niemand. „Dieses Spiel führt dazu, dass wir noch enger zusammenrücken“, ist sich Trainer Gudmundur Gudmundsson sicher. Auch Roggisch macht sich überhaupt keine Sorgen: „Diese Mannschaft hat einen guten Charakter. Das hat sie oft genug gezeigt. Im Saisonendspurt zerreißen wir uns. Wir sind nicht mehr die Löwen, die wir in den vergangenen Jahren waren.“

Hoffnung macht zudem Kim Ekdahl du Rietz, der lange verletzt und in Berlin der einzige Lichtblick war. „Er kommt in seinen Rhythmus“, freute sich Storm. Gudmundsson attestierte dem Rückraumspieler „einen großen Schritt nach vorn“. Keine Frage: Die Löwen werden einen Ekdahl du Rietz in Topform brauchen. Schon nächsten Mittwoch im Heimspiel gegen Essen und besonders beim Final Four im EHF-Pokal.

Dort treffen die Badener im Halbfinale auf den Ligarivalen Frisch Auf Göppingen. „Erst Magdeburg, jetzt Göppingen. Der Europacup wird für uns zum DHB-Pokal“, scherzte Gudmundsson: „Wir haben in diesem Wettbewerb eine lange und beschwerliche Reise hinter uns. Jetzt wollen wir auch ins Finale.“

Von Marc Stevermüer