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Gensheimer – Der beste Linksaußen der Handball-Welt (RNZ)

Nantes. (miwi) Es sah fast so aus, als hätte jemand den Stecker bei Uwe Gensheimer gezogen. Als der Schlussgong des EHF-Pokal-Endspiels ertönte, sank der Linksaußen der Rhein-Neckar Löwen auf der Stelle zusammen und begrub sein Gesicht hinter seinen Händen. Eine unglaublich anmutende Geschichte hatte in diesem Moment ihr Ende gefunden – ein Stoff, der die Filmemacher in Hollywood ärgern dürfte – und das nur, weil er ihnen selbst zuvor nicht eingefallen war. Nach sechsmonatiger Verletzungspause feierte Gensheimer bei der Finalrunde in Nantes sein Comeback und gewann mit seinem Team nach einem 26:24 (16:12) gegen den HBC Nantes den ersten Titel der Klubgeschichte.

Eine Woche zuvor, im Ligaspiel gegen GWD Minden, war noch alles wie immer in den zurückliegenden Monaten. Die Löwen kämpften auf dem Feld um Tore und Siege und ihr Kapitän saß zwei Meter hinter der Bank und versuchte, zumindest moralisch von dort aus zu helfen. Seit dem 24. November war das so, nachdem sich Gensheimer im Drittrundenspiel gegen die harmlosen Griechen Diomidis Argous die linke Achillessehne gerissen hatte. Es war die erste schwere Verletzung in der Karriere des Nationalspielers, der fortan nicht mehr als Anführer seines Teams auftreten konnte, sondern als Zuarbeiter.

„Das, was Uwe hier in Nantes gezeigt hat, ist überragend“, sagte Gudmundur Gudmundsson. Der Löwentrainer hatte genau auf den Effekt gehofft, der durch die Rückkehr Gensheimers eintrat. Im Halbfinale gegen Frisch Auf Göppingen stand der Linksaußen insgesamt zehn Minuten auf dem Feld und half mit 5/4 Toren beim 28:22-Sieg, den Einzug ins Endspiel zu sichern. Seinen großen Auftritt hatte er sich aber für das Finale aufgehoben, dem größten Spiel in der Geschichte seines Klubs.

Seit 2003 ist Gensheimer bei den Rhein-Neckar Löwen, die damals noch SG Kronau/Östringen hießen, als er als 17-Jähriger vom TV Friedrichsfeld, einem Mannheimer Stadtteilklub, zum damaligen Bundesliga-Aufsteiger wechselte. „Es wäre sehr bitter gewesen, wenn ich nach all den Jahren beim ersten Titel für diesen Verein nicht hätte spielen können“, sagte Gensheimer, als die Goldmedaille des Siegers bereits um seinen Hals hing. Den futuristischen Siegerpokal hatte er ein paar Minuten zuvor als Erster in die Höhe gestemmt. „Diesen Traum, den Pokal überreicht zu bekommen, hatte ich immer wieder und das hat mir in der Reha geholfen“, beschrieb der 26-Jährige seine Motivation in den zurückliegenden Monaten.

Doch in Nantes schien diese Phase die weit entrückte Vergangenheit zu sein, zu strahlend war die Gegenwart. Gegen die mit allen Mitteln kämpfenden Gastgeber aus Nantes stand Uwe Gensheimer 25 Minuten auf dem Feld, was eigentlich mehr war als geplant. „Zwei Mal zehn Minuten waren vorgesehen“, gab Gudmundsson zu. Doch der Kapitän wurde gebraucht und ging im Hexenkessel vor 5000 euphorisierten Zuschauern im Palais des Sports voran.

Zehn Tore, vier davon per Siebenmeter, machten ihn zum Matchwinner. „Das heute war nur unbändiger Wille“, sagte Gensheimer später. Er wollte diesen Pokal mit aller Macht und ging dafür das Restrisiko ein, sich neuerlich zu verletzen. „Wir haben alles getestet und in Kiel habe ich gemerkt, dass es geht“, erklärte der Nationalspieler. Im Auswärtsspiel vier Tage vor dem Finalturnier beim THW hatte Gensheimer überraschend sein Comeback gegeben und stand drei Minuten auf dem Feld. Mehr Eingewöhnungszeit benötigte der Linksaußen nicht, in Nantes startete er bereits voll durch.

Ganz zum Schluss sprach auch Patrick Groetzki über seinen Kollegen. Der Rechtsaußen war es, der Gensheimer unmittelbar nach der Schlusssirene im Palais des Sports von Nantes an der Mittelllinie liegend „aufsammelte“ und ihn zu den übrigen Mannschaftskollegen führte, die ausgelassen feierten. „Heute hat Uwe gezeigt, warum er der wohl beste Linksaußen in der Handball-Welt ist“, sagte Groetzki. Kein Widerspruch.

Von Michael Wilkening